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Ausgabe:

Mai/1998

Spalte:

540 f

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Janssen, Arnold SVD

Titel/Untertitel:

Briefe nach Neuguinea und Australien. Hrsg. und kommentiert von J. Alt.

Verlag:

Nettetal: Steyler 1996. LVI, 449 S., 21 Taf., 2 Ktn gr.8 = Studia Instituti Missiologici, 63. Kart. DM 40,-. ISBN 3-8050-0370-6.

Rezensent:

Herwig Wagner

Der Historiker des SVD-Generalats in Rom hat es sich zur Aufgabe gemacht, zur Jahrhundertfeier der Neuguinea-Arbeit des Ordens die diesbezügliche Korrespondenz des Gründers und ersten Generalsuperiors Arnold Janssen mit seinen Missionaren herauszubringen. Es ist eine würdige Jubiläumsgabe geworden und - das sei schon im Voraus gesagt - eine so gewissenhafte und gründliche Edition, wie man sie sich nur wünschen kann.

Für die Ordensmitglieder mag in dieser Korrespondenz die Person ihres Gründer-Vaters Arnold Janssen im Vordergrund stehen. Er tritt hier als ein gütiger und trotzdem sehr genauer Oberer in Erscheinung, aber auch als der "Mitbruder" und "geistliche Vater in dem Herren", wie er oft seine Briefe unterschreibt. Es ist in der Tat bewunderungswürdig, wie er die fürsorglichen, seelsorgerlichen und die oberhirtlichen Aspekte seiner Leitungsaufgabe für seine "Untergebenen", wie es im damaligen Sprachgebrauch hieß, miteinander zu verbinden weiß. Missionswissenschaftlich steht freilich etwas anderes, nämlich der Beginn der katholischen Missionsarbeit im damaligen Kaiser-Wilhelms-Land (1886) im Mittelpunkt des Interesses. Die baren geschichtlichen Daten werden hier mit Fleisch und Blut des konkreten Lebens und Erleidens umkleidet.

Der größere Teil der Korrespondenz ist an P. Eberhard Limbrock, den (ersten) Apostolischen Präfekten für das Land (bis 1914) und gleichzeitigen Regional-Oberen des Ordens (bis 1911) gerichtet. In Limbrock hatte der Orden einen überaus tüchtigen Organisator und praktischen Missionar für das neue Arbeitsgebiet berufen. Er verstand sich neben allem anderen eben auch auf "Häuser-, Wege und Brückenbau, Boots- und Schiffahrt, Viehzucht und Plantagenwirtschaft, sowie auf verschiedene Handwerke, Sägerei usw." (321). Über all das wird in großer Ausführlichkeit nach Steyl berichtet. Sogar die Grundrisse von Häusern waren genehmigungspflichtig (44). Der Generalsuperior mußte, wie es damals generell üblich war, alle Missionsarbeit seines Ordens (China, Südamerika, Togo und dann auch Neuguinea) von daheim, von Steyl aus leiten. Er hat Neuguinea selbst nie gesehen. Kein Wunder, daß die Korrespondenz mit seinem regionalen Oberen so zahlreich und ins einzelne gehend gewesen ist. Und noch zahlreicher die Briefe, die dieser an ihn richtete. Diese sind zwar nicht Bestandteil dieser Edition, aber in den erläuternden Fußnoten sind sie weitgehend notiert bzw. inhaltlich zusammengefaßt wiedergegeben. Dadurch erhält der Leser ein sehr lebendiges Bild von den Anfängen der Arbeit an der Nordostküste des Landes.

Auffällig bleibt freilich, wie wenig speziell missionarische und religionskundliche oder theologische Angelegenheiten zur Sprache kommen. Hatte sich der Regional-Obere so sehr um die Organisation und Versorgung seiner Missionare zu kümmern, daß missionarische Überlegungen kaum in seine Korrespondenz mit Steyl eingeflossen sind? Oder war das ein Stück seiner Eigenverantwortung, die er mit dem Generalsuperior nicht teilen wollte? Die gelegentlichen Passagen über Stations-Neugründungen und über die generelle Ausdehnungsstrategie (scil. zuerst die Küstenplätze besetzen, dann erst ins Hinterland vorstoßen) lassen eher ersteres vermuten.

Wie schon bemerkt, sind diese Briefe missionsgeschichtlich von großer Bedeutung als Quelle für die Gründungs- und Expansionszeit der SVD-Arbeit an der Nordostküste Neuguineas. Von Interesse sind auch die Stellen in Janssens Briefen, wo er auf seine amtlichen Bemühungen beim Reichskolonialamt und mit verschiedenen (Zentrums-)Reichstagsabgeordneten eingeht. Ganz offensichtlich hatte er seine Lobby im Ministerium und im Reichstag und wußte diese Verbindungen auch geschickt zu nutzen. Insgesamt muß die Verbindung zum Kaiserreich recht gut gewesen sein, auch im Lande selbst. War man doch sogar bereit, im Sinne der Kolonialverwaltung in allen katholischen Missionsschulen deutsch zu lehren (67, 170). So weit sind die beiden deutschen evangelischen Missionen im Vorkriegs-Neuguinea nicht gegangen!

Daß neben der Neuguinea-Korrespondenz auch solche nach Australien in diesen Band mit aufgenommen wurde, hat seinen Grund schlicht darin, daß zur besseren Versorgung der Missionare im nahen Australien eine Missionsprokur (Geschäftsstelle) in/bei Sydney eingerichtet wurde, um an den langen und teuren Schiffsfrachten zu sparen. Daneben entstand dort auch noch eine Erholungsstation für die gesundheitlich oft schwer angeschlagenen Buschmissionare. Das ist für den Außenstehenden sicherlich nur ein Nebenaspekt, gehört aber mit zum Bild einer solchen Pionierarbeit. Der mit den Interna des Ordenslebens nicht so Vertraute erfährt darüber hinaus auch viel von den im Orden abzulegenden Gelübden, den Vorbereitungszeiten dazu, auch von dem geistlichen Berichtswesen über die Priester, Brüder und Schwestern an die Ordensleitung usw. Das alles hat natürlich in dieser Korrespondenz seinen Platz.

Dankenswerterweise hat der Herausgeber den Brief-Texten eine Einleitung (XXXVI-LVI) vorausgestellt, die die nötigen geschichtlichen Daten zusammenfaßt. Zur Erleichterung beim Gebrauch des Bandes gibt es einen Anhang zu Personen, drei Register und eine Karte des Landes. Insgesamt eine vortreffliche Quellen-Edition.