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Ausgabe:

Januar/2006

Spalte:

44–46

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Kösters, Oliver

Titel/Untertitel:

Die Trinitätslehre des Epiphanius von Salamis. Ein Kommentar zum »Ancoratus«.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003. 396 S. gr.8° = Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, 86. Geb. € 66,00. ISBN 3-525-55194-0.

Rezensent:

Katharina Greschat

Noch immer wird Epiphanius von Salamis als uninteressanter Traditionalist und Anhänger des Altnizäners Paulinus gesehen,der zu einer reflektierten Auseinandersetzung mit den trinitätstheologischen Fragestellungen seiner Zeit nicht in der Lagegewesen sei. Oliver Kösters zeichnet in seiner bei Wolf-Dieter Hauschild in Münster angefertigten Dissertation demgegenüberein deutlich differenzierteres Bild von den theologischen Ansichten des spätestens im Jahre 367 gewählten Bischofs von Salamis, der sich, vom ägyptischen Mönchtum in der Tradition des Athanasius geprägt, vor allem von der Frage nach dem Heil leiten ließ. Mit Recht bemerkt K., dass sich Epiphanius, wäre er wirklichein so rigoroser Altnizäner gewesen, zu Zeiten der homöischenReichskirche kaum länger unangefochten im Amt desMetropoliten von Zypern hätte halten können.

Als Schlüssel für die Interpretation der Trinitätstheologiedient K. ein vermutlich bereits um 370 abgefasster Brief an arabischeChristen, der in seiner Grundschrift bereits von Auseinandersetzungenmit einer nicht eindeutig zu bestimmendenGruppe von Pneumatomachen zeugt. Epiphanius fügte ihn späterin sein Panarion gegen die Häresien, in das Kapitel gegen dieAntidikomarianiten (Pan. 78) ein und gab ihm nun auch einexplizit neunizänisches Postskript, in dem von der Wesenseinheitder Trias gesprochen wird, von Vater, Sohn und HeiligemGeist als den drei Hypostasen der einen Ousia (mia ousia – treishypostaseis). Da sich von der an dieser Stelle so auffällig verwendetenBegrifflichkeit in den älteren Schriften des Epiphanius,insbesondere im Ancoratus, nichts finden lässt, so konstatiertK., muss seine Trinitätstheologie offenbar eine Entwicklungin Richtung auf den Neunizänismus durchlaufen haben.

Den Anstoß dazu gaben Epiphanius’ Auseinandersetzungenmit Pneumatomachen und Apollinaristen. Als besonders aufschlussreichbeurteilt K. den in Pan. 77 geschilderten Berichtüber ein wohl um 374 stattgefundenes Treffen in Antiochia,anlässlich dessen Epiphanius mit dem Nizäner Paulinus unddem Apollinaristen Vitalis diskutiert habe. In Abgrenzung gegendie Christologie des Vitalis legte der Bischof von Salamis großenWert auf die soteriologisch relevante Feststellung, dass nicht nurder nous göttliche Hypostase, sondern Christus insgesamt eineHypostase sei und vollkommener Mensch wurde. »Die Auseinandersetzungin Antiochien scheint eine zentrale Rolle in dertrinitätstheologischen Entwicklung eingenommen zu haben, daEpiphanius nach diesem Ereignis seinen Sprachgebrauch bezüglichder drei Hypostasen geändert hat« (62). Nicht minder wichtigerscheint K. Epiphanius’ gleichfalls soteriologisch motivierteAuseinandersetzung mit den Pneumatomachen, die er in Pan. 74im Rückgriff auf sein eigenes Material aus dem Ancoratus nunauch mit nizänischen Pneumatomachen führte und durch dievon Gregor von Nazianz übernommene Bestimmung des Hervorgehensdes Geistes präzisierte. Hier wie da beschließt Epiphaniusseine Ausführungen mit einer Paraphrase des Nizänums, diespeziell auf diese neuen, erst nach Nizäa aufgetretenen Häresienzugeschnitten war. Damit ist für K. hinlänglich bewiesen, dasssich für Epiphanius das theologische Denken keineswegs darinerschöpfte, die festgelegten Formeln unverändert wiederzugebenund mit Hilfe des Schriftbeweises zu untermauern.

Den umfangreichen zweiten Teil der Arbeit (77–331) bildetein Kommentar zu Epiphanius’ erstem Werk, dem Ancoratus,der im Hinblick auf die Trinitätstheologie jedoch nach allem,was K. zuvor selbst dargestellt hatte, wenig ergiebig scheint.Weshalb sich K. so ausführlich und den Text sorgfältig Abschnittfür Abschnitt interpretierend gerade mit dieser Schrift auseinandersetzt, die nach K.s eigenem Bekunden zudem weder einenklaren Bauplan noch eine konkret bestimmbare Gegnerschaftoder die zu Grunde liegenden Quellen, abgesehen von Parallelenmit dem späteren Panarion, erkennen lässt, wird nicht rechtdeutlich. Dieses Vorgehen leuchtet umso weniger ein, als K. seineInterpretation nicht auf das von Epiphanius selbst verfolgteAnliegen zuspitzt, seinen Adressaten aus Suedra in Pamphylien,von denen einige offenbar Mönche waren und wohl im Konfliktmit ihrem Bischof standen, Weisung in Glaubensfragen zu erteilen,sondern ganz auf die Frage nach der Entwicklung der Trinitätslehreausrichtet. Abgesehen von einer Fülle interessanter Einzelbeobachtungenund Detailuntersuchungen zur Sprache, zuden häufig wiederkehrenden Argumentationsmustern sowie zuden Unterschieden und Gemeinsamkeiten mit Athanasius, Basiliusvon Cäsarea und Gregor von Nazianz können im Ancoratuslediglich die Keime einer sich später in neunizänischer Terminologieausdrückenden Trinitätstheologie sichtbar werden, wieK. im abschließenden dritten Teil systematisch darstellt.

In Weiterführung der athanasianischen Tradition sei es Epiphaniusvor allem um die Interpretation des homoousios als Identitätim Wesen und Differenziertheit der trinitarischen Personen, d. h. um die Entfaltung der Dreiheit in der Einheit gegangen.Stärker noch als Basilius und in besonderer Nähe zu Gregor vonNazianz habe er als zentrales Thema gegen die Pneumatomachendie Gottheit des Geistes herausgestellt, doch sei es ihm nur unzureichendgelungen, zwischen dem Heiligen Geist und der göttlichenousia als Pneuma zu unterscheiden, weil er keine umfassendeReflexion über die Person des Geistes angestellt habe. Umdie Homoousie der Trias ausdrücken zu können, entwickelte ernach Mt 28,19 eine »Theologie der Namen«, wobei die unterschiedlichenBegriffe Vater, Sohn und Geist auf das ewige Verhältnisder Personen verweisen, die über den Wesensbegriff»Gott« ontologisch miteinander verbunden sind. Den gleichenSachverhalt habe er im Panarion, nach der Kontroverse mit Vitalisund den Apollinaristen, die ihn offenbar zur Übernahme dervon Basilius ab 373 geprägten neuen Begrifflichkeit veranlasste,mit der Formulierung mia ousia – treis hypostaseis ausgedrückt.Die Rede von den drei Hypostasen ließ sich problemlos integrieren,weil sich sein Verständnis der Hypostase im Zuge der christologischenAuseinandersetzungen verändert habe; hypostasisverwendete er in Anc. 75,7 zunächst nur negativ, um eine hypostatischeSelbständigkeit des nous abzulehnen, und betontedemgegenüber die Hypostase der Gottheit Christi, was strenggenommen bereits einer Einhypostasenlehre zuwiderläuft. Dementsprechendkonnte er den Begriff in Anc. 81 auch positiv zurBezeichnung einzelner trinitarischer Personen anwenden.

Anders als bei Basilius, dessen Entwicklung vom Homöousianerzum Neunizäner Volker H. Drecoll in seiner gleichfalls beiHauschild angefertigten Dissertation nachgezeichnet hat, gibt esbei Epiphanius also keinen substantiellen Wandel in den trinitätstheologischenAnschauungen, sondern lediglich situationsbedingtePräzisierungen. Eine gewisse Enttäuschung darüberkann K. nicht ganz verhehlen. Seine Untersuchung ist jedochgerade deshalb besonders wertvoll, weil sie zeigt, wie die trinitätstheologischenReflexionen der Kappadokier von einem Zeitgenossenaufgenommen wurden und ihre Wirkung entfaltenkonnten. Diesen Aspekt hätte K. durchaus noch stärker betonenkönnen.