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Ausgabe:

Januar/2006

Spalte:

19 f

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Nardoni, Enrique

Titel/Untertitel:

Rise Up, O Judge. A Study of Justice in the Biblical World. Transl. by S. Ch. Martin.

Verlag:

Peabody: Hendrickson 2004. XIV, 343 S. gr.8°. Kart. £ 15,99. ISBN 1-56563-530-2.

Rezensent:

Eckart Otto

Die hier zu besprechende Monographie des südamerikanischen Theologen Enrique Nardoni ist als classbook für den Unterricht
in Kirche und Wissenschaft gedacht und spannt einen weiten Bogen vom Alten Orient Mesopotamiens und Ägyptens bis zum
neutestamentlichen Schrifttum. Dem Genus eines Lehrbuches entsprechend führt der Vf. in eine Fülle von Sachgebieten des
altorientalischen und biblischen Rechts ein, behandelt die altorientalischen »Rechtskodices« der sumerischen und altbabylonischen Zeit ebenso wie die altbabylonischen Gerechtigkeitsakte, die altägyptische Ma’at-Idee und Weisheitsliteratur unter dem Aspekt der »Gerechtigkeit«, die alttestamentliche Exodus- und Rechtsüberlieferung von Dekalog, Bundesbuch, Deuteronomium und Heiligkeitsgesetz, wobei jeweils die Sozialgesetzgebung im Vordergrund steht. Es folgen Abschnitte zum hebräischenKönigtum, zu der Prophetie sowie zur Gerechtigkeitsmotivik in den Psalmen, der Weisheitsliteratur und der Apokalyptik, um von dort aus einen Bogen zum Neuen Testament zu schlagen.
Ausgehend von der Verkündigung Jesu, der der Vf. umfassend mit der Reich-Gottes-Motivik, der sozialen Dimension in weisheitlichen und prophetischen Sprüchen, der Förderung von Frauen und der Verkündigung der Gewaltfreiheit einen großen
Raum einräumt, werden die Perspektiven der Evangelien und der Briefliteratur mit Zielpunkt im johanneischen Schrifttum
behandelt. Allen Kapiteln sind umfangreiche Bibliographien zur Vertiefung der Lektüre beigegeben.
Wenn der Vf. mit diesem Buch allzu kurzschlüssige Diskurs zur Gerechtigkeitsfrage in den Kirchen seiner Heimat, die er als
ideologisch vorbelastete Eisegesen kennzeichnet, historisch durch Information aufklären und auf festere Fundamente stellen
will, so ist ihm dies gelungen. Selbstverständlich wird der Spezialist zur altorientalischen und biblischen Rechtsgeschichte
den einen oder anderen Aspekt gerade jüngster Forschung gern berücksichtigt sehen, doch ist das kein relevanter Gesichtspunkt angesichts der Zielrichtung der Monographie, die nicht die Forschung vorantreiben, sondern für gegenwärtige Diskurse zur Gerechtigkeitsfrage zusammenfassen will. Der Vf. will also auch nicht die historische Rückfrage von diesen gerade auch in Südamerika, aber schließlich angesichts der verstärkten Gerechtigkeitsdefizite durch die ökonomische Globalisierung weltweit zu führenden Diskursen um die soziale Gerechtigkeit ablösen.
Wenn der Vf. mit dem Titel seines Buches auf Ps 94,5 anspielt, so will er den Leser herausfordern, selbst Agierender beim Bau
der Gerechtigkeit Gottes in dieser Welt zu werden. Der Vf. ist davon überzeugt und versucht durch seinen weiten Zugriff auf
das Thema der Gerechtigkeit anzudeuten, dass es eine universale Geschichte Gottes zur Verdeutlichung des Gottesreiches als
Reiches der Gerechtigkeit schon in dieser Welt gebe. Werde diese universalhistorische Perspektive des Gotteshandelns vergessen, so seien Revolutionen und mit ihnen der Verlust der Gerechtigkeit die Folge.
Der Vf. ist überzeugt, dass in den Gemeinschaften von Christentum und Judentum, das er ausdrücklich parallel und gleichberechtigt zum Christentum nennt, der Geist, der der Welt Gerechtigkeit bringen wird, lebendig sei. Dem Leser bleibt die
theologische Frage, warum aber die Mühlen Gottes so langsam mahlen, wenn schon in der Antike die Ideen der Gerechtigkeit
unter den Menschen waren, die noch immer der Verwirklichung harren. Doch dies ist bekanntlich theologisch ein weites Feld,
das in einem Lehrbuch nicht beackert werden muss. Bleibt abschließend nur der Hoffnung Ausdruck zu geben, dass auch in
europäischem Kontext die Stafette des Vf.s aufgenommen und in absehbarer Zeit unter Einschluss neuerer Forschungen zur
altorientalischen und biblischen Rechtsgeschichte ein ähnlich breit informiertes und theologisch engagiertes Lehrbuch wie das
hier vorgestellte geschrieben wird.