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Ausgabe:

November/2005

Spalte:

1263–1265

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Johnson, Samuel Désiré

Titel/Untertitel:

Schwarze Missionare ­ weiße Missionare. Beiträge westlicher Missionsgesellschaften und einheimischer Pioniere zur Entstehung der Baptisten-Gemeinden in Kamerun (1841­1949).

Verlag:

Kassel: Oncken 2004. 313 S. m. 2 Abb. 8° = Baptismus-Studien, 5. Kart. Euro 28,00. ISBN 3-87939-207-2.

Rezensent:

Markus Roser

Samuel Désiré Johnson stammt aus Kamerun. Er ist Pastor der Vereinigten Baptistengemeinden in Kamerun und wurde mit der vorliegenden Arbeit an der Evangelischen Fakultät in Hamburg promoviert. Seit Juli 2004 arbeitet er als theologischer Dozent in seinem Heimatland.

J. hat mit seiner differenzierten Studie einen überaus wertvollen missionsgeschichtlichen Beitrag geleistet. Er beschreibt den Prozess der Entstehung einer bodenständigen Kirche am Beispiel der Baptistengemeinden in Kamerun als joint venture zwischen fremden Missionaren und einheimischen Akteuren. Gegenstand der Untersuchung ist die Tätigkeit der vier ersten Missionsgesellschaften, die in Kamerun mit den Baptistengemeinden zusammenwirkten. Der Zeitraum reicht vom Beginn der missionarischen Tätigkeit in Kamerun im Jahre 1841 bis zur neuen Gründung der einheimischen Baptisten-Kirche im Jahre 1949, der Native Baptist Church. J. hat dazu Archivmaterialien aus Oxford, Paris, Basel, Berlin, Hamburg und Kamerun in verschiedenen europäischen und afrikanischen Sprachen gesichtet, die erstmals in ihrer Gesamtheit berücksichtigt und ausgewertet werden konnten. Er belegt, dass die Einheimischen nicht nur Objekte fremder Missionspolitik, sondern auch Akteure waren.

Zwei Phasen der Missionierung Afrikas werden in den Blick genommen: die vorkoloniale Phase und die koloniale Periode nach der Berliner Kongo-Konferenz (1884/85). Dabei öffnet J. methodisch den Blick für die beiden Perspektiven der Mission: den fremde Beitrag als Impuls von außen und die Leistung der einheimischen Missionare als Beitrag von innen.

J. geht grundsätzlich zwei Fragestellungen nach: 1. Welche Beweggründe veranlassten die Missionsgesellschaften und die Missionare aus Großbritannien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz nach Kamerun zu gehen? Welche Interessen leiteten sie und was für eine Missionspolitik verfolgten sie? 2. Was bedeutete das Christentum denen, die es sich zu Eigen gemacht, gedeutet oder es zurückgewiesen haben? Wie haben sie das Christentum verstanden? Welche Veränderungen hat das Christentum bei denen bewirkt, die es annahmen? Wie haben die Einheimischen versucht, damit umzugehen?

Das erste Kapitel (45­89) gibt einen Überblick über die Entstehung der Baptist Missionary Society unter dem Einfluss von William Carey und Jonathan Edwards als Verknüpfung von Frömmigkeit und praktischer Verwirklichung des Missionsauftrages. Zwei Grundmotivationen trugen zu ihrer Gründung bei: Mitleid für eine arme Bevölkerung, die ohne Gott lebte und Nächstenliebe. Neben der Bekehrung der Afrikaner wollte die BMS jedoch auch dem englischen Handel den Weg ebnen. Interessant ist, dass nach der Abschaffung der Sklaverei im British Empire zur Umsetzung des Missionsgedankens schwarze Jamaikaner zum Kampf gegen die in Afrika immer noch praktizierte Sklaverei gewonnen werden konnten. Im Jahr 1841 begann die Baptisten-Mission in Fernando Pô und Kamerun. In den 1880er Jahren entschied sich die BMS, das Missionsfeld wieder zu verlassen. Der Grund war nicht die deutsche Annexion, sondern das Fehlschlagen der missionarischen Ziele. Ihre Mission in Kamerun war eine reine Küstenmission geblieben.

Im zweiten Kapitel (89­120) wird die Übernahme des Missionsfeldes zu Beginn der Kolonialära durch die Basler Mission beschrieben. Die vorwiegend württembergischen Missionare fühlten sich nicht nur als Boten des Evangeliums, sondern auch als Vertreter ihres Vaterlandes. Als Auswirkung des Kulturkampfes wollten die evangelischen Missionen ein Vordringen der Katholiken in den neuen Kolonien verhindern. Aber die Übernahme des Missionsfeldes löste schwerwiegende Konflikte im Bereich des unterschiedlichen Tauf-, Gemeinde- und Missionsverständnisses aus. Die Einheimischen waren bereits auf dem Weg zur Inkulturation. Die Basler Missionare, die eine hierarchische Kirchenordnung vertraten, trafen nicht nur auf ein kongregationalistisches Gemeindeverständnis, sondern auch auf ein unerwartet ausgeprägtes Selbstbewusstsein seitens der Einheimischen.

Das dritte Kapitel (120­139) beschreibt die Entstehung der Missionsgesellschaft der deutschen Baptisten als Reaktion auf die Verhältnisse in Kamerun, die zur Trennung zwischen einheimischen Baptisten und Basler Mission geführt hatten. Die deutschen Baptisten waren von einem National-, Konfessions-, Identitäts- und Mitleidsgefühl beseelt. Vor Ort sahen sie sich aber weitgehend in dieselben Konflikte wie die Basler Missionare verstrickt. Rassistisches Verhalten und patriarchale Führungsansprüche führten zum Scheitern der Integration aller Baptisten.

Im vierten Kapitel (139­183) geht es um die Übernahme des Missionsfeldes durch die Societé des Missions Evangéliques de Paris (SMEP) nach dem für Deutschland verlorenen Krieg. Der Missionsleitung der SMEP gelang es, die 1898 von den deutschen Baptisten getrennten einheimischen Baptisten durch eine neue Gemeindeordnung zumindest formal wieder in eine gemeinsame Kirche zu integrieren. Einige Gemeinden beendeten die Zusammenarbeit. Der Konflikt dauerte bis zur Anerkennung der einheimischen Baptistenkirche 1949.

Im zweiten Teil (Kapitel 5­12; 184­285), der »Mission von innen«, kommen zunächst ausgewählte Theologen zum Thema Kirchwerdung zu Wort: Walter Freytag, John Vernon Taylor, Hans-Jochen Margull, Jean-Marc Ela, Kä Mana und John Y. D. Peel. J. untersucht, inwieweit ihre Ansätze den Beitrag der Einheimischen für den Prozess der Kirchwerdung berücksichtigen. Alle oben genannten Theologen stellen die Beteiligung der Einheimischen heraus. Freytag betont die Doppelverklammerung des Evangeliums durch fremde und einheimische Missionare. Taylor spricht von der Beteiligung von Frauen, Männern und Jugendlichen. Margull betont die Gemeinde für die anderen. Ela redet von der Entscheidung der Einheimischen und Mana fordert die Mobilisierung der afrikanischen Akteure. Dieser Beitrag von innen wird sehr anschaulich und differenziert anhand von bisher unveröffentlichtem Archivmaterial dargestellt. J. untersucht die Landfrage, die sozialpolitische Struktur der segmentär gegliederten Duala-Gesellschaft, die Beteiligung der Häuptlinge, der Reisenden und Händler, der Frauen, der Polygamisten sowie der einheimischen Lehrer und Pastoren. Der Beitrag der Einheimischen wird anhand von zwei Pionieren, Munz Dibundu und Lotin¹a Same, als selbständige Auslegung des Evangeliums und originäre Antwort auf ihre kulturelle Situation veranschaulicht: Mit Hilfe des Einsatzes der Einheimischen entwickelte sich teilweise ein charismatisches Christentum. Eine schöpferische Geh- und Kommstruktur der Mission wurde entfaltet. Einen Beleg der Verankerung des Christentums auf dem Missionsfeld durch die Entstehung neuer Formen sieht J. in der Kombination des Pastors als Verkündiger und Seelsorger mit der des Heilers.

Ein überaus knapper dritter Teil (286­299) fasst die in den vorangegangenen Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse summarisch zusammen. J. würdigt den Beitrag der westlichen Missionare, die nicht nur zur Vernichtung einheimischer Kulturen, sondern durch die Dynamik des Kulturaustausches entscheidend zu deren Entfaltung beigetragen haben. Sie setzten einen wichtigen, aber nicht für sich ausreichenden missionarischen Impuls. Die Einheimischen waren bei der Evangelisierung ihres Landes nicht nur Empfänger, sondern entscheidende Akteure, indem sie der Missionierung den Weg ebneten. Dadurch konnte sich ein authentisch afrikanisches Christentum in den Missionskirchen entwickeln. Der Prozess der Inkulturation des Evangeliums wurde bereits durch die Übersetzungsarbeit der Einheimischen in Gang gesetzt.

Differenziert, sachlich, unparteiisch, spannend und in lebendiger Sprache veranschaulicht J. die bisweilen komplizierten historischen und kulturellen Details. Jedem, der sich kritisch mit der Missionsgeschichte Afrikas auseinander setzen möchte, ist die Lektüre »Schwarze Missionare ­ weiße Missionare« weiterzuempfehlen.