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Ausgabe:

Mai/1998

Spalte:

526 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Friesl, Christian [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Christsein als Beruf. Neue Perspektiven für theologische Karrieren.

Verlag:

Innsbruck-Wien: Tyrolia 1996. 273 S. 8. Kart. öS 298.-. ISBN 3-7022-2051-8.

Rezensent:

Franz-Heinrich Beyer

In einer Zeit, in der die großen Kirchen aus Gründen knapper finanzieller Mittel sich bei der Einstellung von Theologinnen und Theologen außerordentliche Beschränkungen auferlegt haben, darf ein Buch, das im Untertitel "Neue Perspektiven für theologische Karrieren" ankündigt, auf ein gesteigertes Interesse rechnen. Der Sammelband ist Bestandteil des pastoralsoziologischen Projekts "Christsein als Beruf". Im Rahmen des Projekts wurden die "Inskribenten und Inskribentinnen" der Jahrgänge 1971-1986 aller Kathol.-Theologischen Fakultäten und Hochschulen in Österreich befragt. (Der Dokumentationsband "Christsein als Beruf. Chancen und Problemfelder theologischer Karrieren" ist zeitgleich veröffentlicht worden.) Zu den Ergebnissen der Befragung fand 1996 ein Symposium statt, aus dem drei Impulsreferate in den Sammelband übernommen wurden. Der vorliegende Sammelband ist als weiterer Beitrag in diesem Projekt zu sehen. Der Band enthält 18 Beiträge von 17 Autoren bzw. Autorinnen. Im Blickfeld sind insbesondere die Berufsfelder für Theologiestudierende sowie Fragen, die sich von der Wahrnehmung des Berufsfeldes her an das Studium ergeben. Im Rahmen einer Rezension können hier nur einige subjektive Eindrücke notiert werden.

Die Anlage des Projekts ist zunächst durch eine doppelte Grenzüberschreitung gekennzeichnet: So wurden neben den Absolventen der Fakultäten und Hochschulen auch die Absolventen und Absolventinnen des "Seminars für kirchliche Berufe" in Wien befragt. Noch mehr aber scheint mir die durchgehende Berücksichtigung der evangelischen Theologie hervorhebenswert, sowohl explizit in der Aufnahme von drei Beiträgen evangelischer Theologen als auch implizit durch stete Berücksichtigung evangelischer Positionen etwa hinsichtlich des Amtsverständnisses. - Kernpunkt der Mehrzahl der Beiträge ist die Situation der nichtgeweihten Theologinnen und Theologen in der Gemeindepraxis. Nach einer Einführung in das Projekt (Chr. Friesl) und dem Bericht über das Symposium (St. Dinges) beschäftigen sich zwei Beiträge mit der "Geschichte der Laientheologen und -innen in der Kirche Österreichs" sowie mit den "pastorale(n) Laienberufen als kirchliche Reformkraft" (R. Porstner; V. Prüller-Jagenteufel). Neben dem "Priesterberuf" (F. Grabenwöger) kommt dann die "Wirklichkeit des evangelischen Pfarramtes in Österreich" (G. Reingrabner) ausführlich und instruktiv in den Blick.

Drei Beiträge befassen sich mit dem Theologiestudium (M. Tschemer; Chr. Schnabl/U. Hamachers; V. G. Schmidt). Hier findet sich auch die bekannte Beobachtung der Diastase von Studium und Berufswirklichkeit. Aber einige Ergebnisse sollen doch mitgeteilt werden: Von den Befragten wird die gute Atmosphäre an den Fakultäten hervorgehoben. Ferner ist die Beobachtung interessant, daß die Forderung nach praxisnaher Ausbildung nicht auf die konkrete Arbeitssituation zu beziehen ist, sondern fachübergreifende Fähigkeiten für unterschiedlichste Arbeitsfelder bzw. -anforderungen beinhaltet und insofern auf ein verbreitertes Grundlagenwissen zielt.

Mit "Herausforderung Beruf" ist der umfangreichste Teil des Bandes überschrieben. Der erste Beitrag (Chr. Friesl) stellt heraus, daß der kirchliche Beruf sowohl von Priestern als auch von Religionslehrern und Religionslehrerinnen und von Pastoralassistenten und Pastoralassistentinnen positiv erlebt wird "als ein Ort, an dem die Verbindung von hauptberuflicher Tätigkeit mit den theologischen Optionen von Glaubensvermittlung und Dienst an den Menschen gelingen kann" (148). Im folgenden Beitrag stehen "außerkirchliche Berufe von Theologen und Theologinnen" im Mittelpunkt (Th. Bock). Die dort Tätigen unterscheiden sich von in der Kirche Arbeitenden weder hinsichtlich der religiösen Sozialisation noch hinsichtlich der Studienmotivation. Als Gründe für eine nichtkirchliche Berufskarriere wird zum einen eine Unzufriedenheit mit der Realsituation der Kirche und den Rahmenbedingungen eines kirchlichen Berufs genannt. Zum anderen wurde die Überzeugung geäußert, "daß man das Christentum in einem nichtkirchlichen Beruf besser verwirklichen kann als in einem kirchlichen" (153). "Die spezifische Lage von Theologinnen in kirchlichen Berufen" wird im dritten Beitrag behandelt (K. Hermetschläger). Manche der Fragen und Beschwernisse gründen in der spezifischen Konstellation der katholischen Kirche. Andere aber sind darüber hinaus auch für den evangelischen Bereich in Erinnerung zu rufen. Die beiden folgenden Beiträge stammen von Nichttheologen. Sie machen die Notwendigkeit deutlich, die Kirche als Organisation zu sehen und Aspekte der "Personalführung" (K. Berkel) und der "Personalentwicklung" (L. Stieger) stärker in den Blick zu nehmen. - Der letze Teil des Bandes trägt die Überschrift "Theologische Perspektiven":

F. Wagner entwirft, ausgehend von der konstatierten Diastase zwischen Studium und Berufswirklichkeit, eine sozialgeschichtliche Skizze der Entwicklung des evangelischen Pfarrerberufs vom frühen 19. Jh.s bis in die Gegenwart. Erforderlich sei eine Umstellung der sachdominanten Berufstheologie auf eine Religion der Moderne. Pfarrerinnen und Pfarrer sollten sich mehr als bisher darauf einlassen, "Lehrer und Lehrerinnen" einer der individuellen Lebensführung dienenden Religion der Moderne zu sein (224). P. Neuner legt "Konstanten und Variablen in der Lehre vom kirchlichen Amt" dar, um den theologischen Ort der Laientheologen zu bestimmen. Darüberhinaus stellt der Beitrag für einen evangelischen Leser eine stringente, hilfreiche Darstellung des gegenwärtigen katholischen Amtsverständnisses dar. Chr. Friesl und V. Prüller-Jagenteufel entwickeln "Eine ekklesiologische Skizze zur Zukunft pastoraler Berufe für Laien", die sich in Teilen mit dem vorangehenden Beitrag überschneidet. Herausgestellt werden die "Diakonie als typischer Ort der (nichtakademischen) Pastoralassistentinnen; Prophetie und Theologie als besondere Berufung der ,LaientheologInnen’" (255). Im abschließenden Beitrag plädiert P. M. Zulehner für einen erweiterten Wahrnehmungshorizont: Theologie gehört nicht den Kirchen allein, sondern sie ist "zunächst Eigentum der Menschheit und so ein Gut der Gesellschaft" (264). Effiziente Inkulturation des Evangeliums findet nicht primär über organisierte Religionen statt, "sondern durch Personen, die sozusagen die Religion oder das Evangelium in sich tragen und an Ort und Stelle weltgestaltend sind" (265). Von daher ergeben sich noch einmal verschiedene Frageaspekte.

Insgesamt liegt ein gehaltvoller und vielfältiger Sammelband vor, der auch zur selektiven Lektüre einlädt. Und: Es wäre sehr interessant, die "neuen Perspektiven theologischer Karrieren", die in den Beiträgen von Bock und Zulehner in den Blick kamen - nämlich außerhalb der Kirche - einmal für sich zu thematisieren.