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Ausgabe:

November/2005

Spalte:

1207 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

1) Nicolai de Cusa: Opera Omnia. XVIII. Sermones III (1452­ 1455). Fasciculus 3: Sermones CLXI­CLXXV. Hrsg. v. S. Donati, I. Mandrella u. H. Schwaetzer.

2) Nicolai de Cusa: Opera Omnia. XVIII. Sermones III (1452­ 1455). Fasciculus 4: Sermones CLXXVI­CXCII. Hrsg. v. S. Donati, H. Schwaetzer u. F.-B. Stammkötter.

3) Nicolai de Cusa: Opera Omnia. XIX. Sermones IV (1455­1463). Fasciculus 3: Sermones CCXXXII­CCXLV. Hrsg. v. W. A. Euler u. H. Schwaetzer. 4) Nicolai de Cusa: Opera Omnia. XIX. Sermones IV (1455­ 1463). Fasciculus 4: Sermones CCXLVI­CCLVII. Hrsg. v. I. Mandrella u. H. D. Riemann zus. m. H. Hein.

Verlag:

1) Hamburg: Meiner 2003. IV, S. 187­274. 4°. Kart. Euro 128,00. ISBN 3-7873-1644-2.

2) Hamburg: Meiner 2004. VIII, S. 275­387. 4°. Kart. Euro 148,00. ISBN 3-7873-1674-4.

3) Hamburg: Meiner 2002. IV, S.179­278. 4°. Kart. Euro 86,00. ISBN 3-7873-1605-1.

4) Hamburg: Meiner 2004. VIII, S. 279­375. 4°. Kart. Euro 128,00. ISBN 3-7873-1645-0.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Die Edition der Werke von Nikolaus von Kues (= NvK) ist in die Schlussphase eingetreten; das gilt erfreulicherweise auch für die erst nachträglich begonnene Herausgabe seines umfangreichen Predigtwerkes. Die Edition ­ sowohl seiner philosophisch-theologischen Schriften als auch seiner Predigten ­ sollte Ende 2004 im Manuskript abgeschlossen sein, so dass mit der Veröffentlichung auch der letzten Predigten sehr bald zu rechnen ist.

Die hier zu besprechenden vier Fasciculi beinhalten 58 (59) Predigten, die NvK 1454/56 als Bischof von Brixen gehalten hat, vornehmlich in Brixen selbst (46), aber auch je drei in Neustift und Innsbruck, je zwei in Säben und Bruneck, je eine in Stegen und in Prettau. NvK hat regelmäßig gepredigt, so 1455 zwischen Invokavit und Quasimodogeniti an jedem Sonntag, dazwischen noch an mehreren Feiertagen. Das war für einen Bischof im 15. Jh. höchst ungewöhnlich, war doch zu dieser Zeit sonst ein Bischof »Š nach Gesinnung und nach weltlichen Interessen nichts Š weiter als ein Grandseigneur« (L. Boyer: Die Kirche, Lizenz Leipzig 1984, 53).

Es kann in dieser Rezension natürlich nicht auf jede einzelne Predigt eingegangen werden. Nr. CLXVIII führt Gedanken von De pace fidei weiter und bietet eine Friedenskonzeption. In den folgenden Predigten wird der menschliche Geist als mens und anima thematisiert; er vermag sich als »freies Bild Gottes zu begreifen« und wird als »Zeit und Ewigkeit umfassendes Maß« sowie als »Angleichung an Gottes fähiges Erkenntnisvermögen bestimmt«. Die Erkenntnisfähigkeit des menschlichen Geistes beschäftigt NvK immer wieder, ausgehend von der These, Gott wolle erkannt werden. In Nr. CLXXVI befasst er sich ­ für ihn erstaunlich intensiv ­ mit der scholastischen Tradition.

Weitere Themen der fast immer mit einem Bibelvers eingeleiteten Predigten sind die Gottessohnschaft Jesu, die er mit der Einheit des göttlichen Intellekts erklärt. Wichtig bleibt ihm immer wieder die Anthropologie: Gott verbindet sich mit dem Menschen, indem er seine Gnade in dessen Seele gießt. In Nr. CLXXIX betont er, dass die Rechtfertigung allein aus dem Gesetz nicht möglich ist; Christus ist das Ende des Gesetzes; der Christ schuldet dem Evangelium mehr Glauben als dem Gesetz. Allein durch das Vergießen des Blutes Jesu haben wir die Rechtfertigung bzw. die Heiligung. Auch der kleine Glaubenstraktat (Nr. CLXXXVI) befasst sich mit diesem Thema. Mariens Jungfrauschaft vergleicht er mit der paradiesischen Unschuld von Adam und Eva (Nr. CLXXX). Der Gedanke der Christiformitas ist ihm stets besonders wichtig.

Mehrfach beschäftigt er sich mit dem Altarsakrament, das in seinen übrigen Schriften kaum erwähnt wird (vgl. Kandler: Cibus mentis, in: KuD [2004], 184­200). Einmal geht es ihm darum, dass Christus das einzig wahre Opfer ist und dass die Kirche dieses im Sakrament der Eucharistie feiert, in dem Christus als Substanz anwesend ist (Nr. CLXXXII, CLXXXIII, CLXXV). In Nr. CLXXII A heißt es: »Aber dass das Wort des Herrn, das er der Seele gegeben hat, auch ein Opfer (hostia) ist, das dann erwartet wurde, als er die Seele mit (seinem) Blut zur Rechtfertigung (purgatoria) der Seelen opferte, erwies er aus jenem Wort: ðSiehe, ich kommeÐ, gleichsam ðich kommeÐ, der ich die Wahrheit bin, deren Gestalt in den Opfern vorbereitet ist. Ebenso das Opfer, das in seinem vergossenen und versprengten Blut das Zeugnis darbieten und alle seine heiligen Reden bekräftigen muss, dass eben dieses Opfer das zukünftige ist. Denn kein Opfer kommt in die Welt, das das Zeugnis wahrhaftig in seinem Blut darbot von den Reden Gottes außer jenes, das in sich das Wort Gottes zu uns bringt.« In Nr. CLXXXIX erweist er den Zusammenhang zwischen geistiger Erkenntnis als Brot des Lebens und dem Altarsakrament.

In den Predigten, die in Band XIX, Fasc. 3 und 4, enthalten sind, finden wir ähnliche Themen, etwa zur Geisteslehre. Nr. CCXXXV ist wieder der Abendmahlslehre gewidmet. Hier wird die Transsubstantiationslehre auf dem Hintergrund der pseudo-dionysischen Lehre vom Ternar essentia ­ virtus ­ operatio gedeutet und zugleich die Abendmahlslehre Meister Eckharts verteidigt. Er will das Wort ðtranssubstantiatioÐ spiritualiter verstehen. Nr. CCXXXIX gibt der cusanischen Formel »Sis hoc quod vis« eine eigentümliche Form: Der Mensch sei ein Wesen, das sich als imago Dei selbst gestaltet. In Nr. CCXL geht NvK auf die Schlacht von Belgrad ein, von der er gerade Kenntnis erhalten hat. Dabei spricht er von den Muslimen als von solchen, die vom Glauben Christi abgefallen sind; Mohammad nennt er einen »Pseudopropheten« und seine Lehre diabolisch. Nr. CCXLV entwickelt eine Kreuzestheologie. Sie beginnt mit den Worten: »Niemand aufersteht zum ewigen Leben, außer er sei gekreuzigt.« Auch Christus habe nicht anders in die Herrlichkeit eingehen können.

Die letzten zwölf edierten Predigten sind innerhalb von knapp drei Monaten gehalten worden. Am Michaelistag befasst er sich natürlich mit den Engeln ­ auf dem Hintergrund der pseudo-dionysischen Engellehre. In Nr. CCXLVIII behandelt er die Tugendlehre. In CCL vertieft er die Rede von der viva imago Dei, die letztlich nur Christus selbst sein kann; der Mensch ist aber ad imaginem geschaffen. In einigen Predigten befasst er sich mit der Heiligen Schrift als solcher; dabei kann er geradezu textkritisch vorgehen (so schon in Nr. CLXXXIV). Nr. CCLVI befasst sich wieder mit dem Glauben: Gläubigsein erweist sich im Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes. Manche der Predigten sind Marienpredigten.

Insgesamt kann man sagen, dass die Predigten NvK ganz als predigtgewandten Bischof seiner Diözese erweisen. Zugleich sind sie Ausweis seines spekulativen theologisch-philosophischen Denkens. Freilich sind sie mit seinen übrigen Schriften nicht einfach deckungsgleich, auch wenn sie an diese häufig anknüpfen und ihre dort dargelegten Gedanken ausweiten. Die mit NvK befassten Philosophen müssen zunehmend zur Kenntnis nehmen, dass man die Gedankenwelt des Cusaners nicht mehr ohne Kenntnis seiner Predigten darstellen kann. Sie zeigen, dass er viel mehr Theologe ist, als man früher wahrhaben wollte.

Wie schon mehrfach vom Rezensenten bei früheren Besprechungen hervorgehoben wurde, sind auch die hier vorgestellten Faszikel sauber ediert und mit drei Apparaten versehen. Den Editoren sei für ihre Mühe und Sorgfalt herzlich gedankt.