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Ausgabe:

November/2005

Spalte:

1202 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

1) Benivieni, Domenico 3) Luschino, Benedetto

Titel/Untertitel:

1) Trattato in difesa di Girolamo Savonarola. A cura di G. C. Garfagnini.

2) Girolamo Savonarola a San Gimignano. A cura di S. Gensini.

3) Vulnera diligentis. A cura di St. Dall¹Aglio.

Verlag:

1) Firenze: Sismel 2003. XXXVI, 126 S. 8° = Savonarola e la Toscana. Atti e Documenti, 20. Kart. Euro 29,00. ISBN 88-8450-055-9.

2) Firenze: Sismel 2003. XVI, 103 S. 8° = Savonarola e la Toscana. Atti e Documenti, 18. Kart. Euro 20,00. ISBN 88-8450-071-0.

3) Firenze: Sismel 2002. CVIII, 421 S. m. 2 Abb. 8° = Savonarola e la Toscana. Atti e Documenti, 17. Kart. Euro 58,00. ISBN 88-8450-084-2.

Rezensent:

Joachim Weinhardt

Die eigenständigste Leistung Savonarolas (= S.) auf dem Feld der Theologiegeschichte besteht in seinem Entwurf einer rationalen Theologie auf der Grundlage einer sozialempirischen Induktion im Anschluss an Aristoteles: Die Analyse der Beobachtung von ethischem und religiösem Verhalten der Gläubigen soll einen Rückschluss zulassen auf die Wahrheit ihrer kognitiven Motivationsgehalte. S. trat aber auch als Prophet auf und zog sich mit seinem chiliastisch-politischen Reformprogramm die Gegnerschaft von Papst Alexander VI. zu. In dieser Situation versuchte er, die rationale Theologie umzumünzen in einen demonstrativen Beweis für die Wahrheit seiner Prophetie. Dennoch endete er 1498 als Häretiker am Galgen. Zwei der hier zu besprechenden Bände der Reihe ðSavonarola e la ToscanaÐ (vgl. ThLZ 128 [2003], 420) legen Texte vor, die von Zeitgenossen zu S.s Verteidigung geschrieben wurden.

Benedetto Luschino wurde nach S.s Hinrichtung zu einem seiner eifrigsten, wenn auch vielleicht nicht geistesmächtigsten Advokaten. Die Vulnera diligentis (verfasst 1518­1523 und bisher bis auf wenige Auszüge ungedruckt) enthalten biographische Nachrichten über S., untermauern die Wahrheit seiner Prophetie und weisen die Unrechtmäßigkeit seiner Exkommunikation und Hinrichtung nach. Seine moralische Integrität ist Thema des II. Buches. Ein zentraler Inhalt des III. Buches ist der Nachweis, dass die veröffentlichten Verhörprotokolle gefälscht seien, in denen S. (zum Teil unter der Wirkung der Folter) einige diskreditierende Aussagen machte. Die Rationalität von S.s theologischem Denken ist bei Luschino noch zu vernehmen (vgl. 24.69.73), aber eher als Nachhall (für ihn lassen sich etwa auch S.s Aussagen in den Verhörprotokollen, da sie Worte Gottes sind, allegorisch auslegen, so dass sie ihren anstößigen Sinn verlieren, III, 5­13; außerdem legt Luschino anders als sein Lehrer großen Wert auf Wunder, III, 15­24). Das Buch gibt einen repräsentativen Einblick in das Denken der nicht unbeträchtlichen Anhängerschaft S.s zu Beginn des 16. Jh.s, die in Florenz auch politisch von einigem Einfluss war.

Ein anderes Profil zeigt das Werk Benivienis, der u. a. Dozent an der Florentiner Universität war. Es bietet ein eindrucksvolles Beispiel für den theologischen Schulzusammenhang, der sich um S. gebildet hat. Im Wesentlichen besteht die Schrift aus zwölf Argumenten (rationes) für die Wahrheit von S.s Lehre. Der Herausgeber charakterisiert diese rationes als vorwiegend aristotelisch-thomistisch, daneben aber auch als skotistisch (XXXVI). Diese abstrakte Charakterisierung trifft die Eigenart von Benivienis Werk nicht. Hier rächt es sich, dass der Band sehr dürftig kommentiert ist (während der kommentierende Apparat der Luschino-Edition vorbildlich ist). Der Herausgeber geht etwa dem Hinweis Benivienis nicht nach, dass er ein Manuskript von S.s unveröffentlichtem Frühwerk Solatium itineris mei eingesehen habe (59). Benivieni schöpfte auch noch aus anderen Texten S.s, in denen er die Wahrheit des Christentums (und später die Wahrheit seiner Prophetie) zu beweisen versuchte. Da aber Benivienis Buch zwei Jahre vor S.s Spätwerk Triumphus crucis (1498) erschien, gibt es auch Gedankenelemente bei Benivieni, die es wert sind, daraufhin untersucht zu werden, ob nicht S. sie seinerseits übernommen hat.

Rätselhaft ist Benivienis Hinweis auf einen ðTraktat über den GlaubenÐ von S. Der Herausgeber verweist hier auf den Triumphus crucis (59). Aber an der Komposition dieser Schrift hat S. nach bisherigen Erkenntnissen erst seit 1497 gearbeitet. Dagegen hat S. kurz vor dem Erscheinen von Benivienis Trattato in Prato einen Vortrag gehalten, von dem Manuskripte unter dem Titel Sermo de fide, Fidei sermo, Triumphus fidei kursierten (vgl. S., Scritti vari, 1992, 344 f.).

Benivienis Anspielung auf den so genannten Pagenwettstreit aus dem Esrabuch wird als nicht nachweisbar vermerkt (39; er findet sich im apokryphen Buch 1Esra 3 f. [LXX] bzw. 3Esra 3 f. [Vg.]).

Der von Gensini herausgegebene Band enthält vier Vorträge, gehalten bei einer Konferenz in San Gimignano. Der wichtigste Beitrag stammt vom Nestor der Savonarola-Forschung, Armando F. Verde O. P. (23­57). Er zeichnet ein dichtes Bild von der geistigen Statur seines Ordensbruders. Elettra Giaconi stellt Savonarolaanhänger vor, die auf Grund ihrer Bildung (und ihrer Herkunft) später wichtige kirchliche und akademische Ämter innehatten (71­93).