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Ausgabe:

November/2005

Spalte:

1200–1202

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Volp, Ulrich

Titel/Untertitel:

Tod und Ritual in den christlichen Gemeinden der Antike.

Verlag:

Leiden-Boston: Brill 2002. XII, 338 S. m. Abb. gr.8° = Supplements to Vigiliae Christianae, 65. Geb. Euro 85,00. ISBN 90-04-12671-6.

Rezensent:

Silke-Petra Bergjan

Die Dissertation von Ulrich Volp zeichnet die Bestattungsrituale des frühen Christentums nach und zeigt, dass diese sich in zweifacher Hinsicht grundlegend von ihrer Umwelt abhoben. Rituale im Zusammenhang von Tod und Bestattung gehörten in der Antike nicht in den Verantwortungsbereich des öffentlichen Kultes, sondern oblagen der Familie und waren Sache der Familienreligion. Sofern es professionelle Beteiligte gab, hatten sie keine Verbindung zur öffentlichen Religion. Reinheits- bzw. Unreinheitsvorstellungen im Zusammenhang mit dem Tod verboten eine solche Verbindung. Die Sorge um eine angemessene Bestattung war Teil des sozialen Engagements der Christen, dabei übernahm die christliche Gemeinde Aufgaben, die bisher von der Familie des Verstorbenen getragen wurden. Neu war, dass eine religiöse Gemeinschaft diese Aufgaben übernahm und nicht »ein römischer patronus sich um die Bestattung seiner Klienten kümmerte« oder ein Bestattungsverein um die Bestattung seiner Mitglieder. Das Vordringen der christlichen Religion in den Bereich der Familie traf dabei zeitlich mit »Veränderungen bei den traditionellen Formen und Aufgaben der antiken Familie« zusammen. Eine zweite signifikante Veränderung lag in der »Neubewertung der rituellen Situation des Todes«, welche die Nähe von Gottesdienstraum und Grab ermöglichte. Die Überschreitung der überkommenen Reinheitsvorstellungen war an der Überführung der Gebeine der Märtyrer in Kirchen intra muros ablesbar, an der Trauerkleidung und auch an der Taufe von Sterbenden. Veränderungen führten schließlich zu einer Ethisierung der Reinheitsvorstellungen.

Um diese beiden Linien aufzuzeigen, wählt V. einen breiten Zugang zum Thema (Kapitel 2), der mit der altägyptischen Funeralkultur und den Gräbern des Neuen Reichs (15. Jh. v. Chr.) und den griechischen Vasen aus der Zeit des geometrischen Stils (9.­8. Jh. v. Chr.) einsetzt.

Im Unterschied zum antiken Judentum, aber auch zur griechisch-römischen Kultur wiesen die aufwendigen ägyptischen Bestattungsrituale eine hohe Professionalisierung auf. Die mit der Einbalsamierung und Mumifizierung beauftragten »Handwerker« vollzogen eine Reinigungshandlung, wobei der Kontakt mit den toten Körpern sie nicht vom Tempel ausschloss. Dem kultisch reinen Körper konnten dann die Priester im Mundöffnungsritual das entwichene Leben zurückgeben. Im antiken Judentum oblag die Verantwortung der Bestattung den Angehörigen, ein »funeral-liturgisches Amt in den Synagogengemeinden« ist schwer nachzuweisen. Die Unreinheit, die eine Berührung eines Toten nach sich zog, schloss von der Teilnahme am Kult aus. Die alltäglichen Gegenstände, die sich als Grabbeigaben finden, erklären sich möglicherweise aus dem Kontakt mit dem Toten. Auch im griechisch-römischen Bereich kannte man keine Beteiligung von Priestern bei der Bestattung. Die Tage des Totengedenkens am 9. und 30. Tag, am 30. jedes Monats, an den Jahrestagen sowie den dafür bestimmten Festtagen, den dies parentales, standen vielmehr in Verbindung zur »Familienreligion«. Die Grabarchitektur belegt eine Veränderung, zumindest für aristokratische Kreise, die in der frühen Kaiserzeit vom Interesse an repräsentativer Öffentlichkeit wegführt hin zu »rituellen Vollzügen des Totengedenkens im Rahmen der familiären Kleingruppe« und den Grabbau diesen Bedürfnissen anpasst. V. gibt einen knappen Überblick über antike Bestattungsrituale mit ausführlichen Hinweisen auf Literatur. Die Forschungslage schlägt sich in unterschiedlichen methodischen Schwerpunkten nieder. Der religionsgeschichtliche (cross-cultural) Vergleich mit Bestattungsritualen in Taiwan zeigt (vgl. 84), dass Sekundärbestattungen, die in Palästina seit dem 1. Jh. n. Chr. anzutreffen sind, »Teil eines bestimmten rituellen Ablaufs sein« können (32 f.). Sie markieren das Ende der Trauerzeit und die Wiedereingliederung der Trauernden in die soziale Gemeinschaft. Sozialgeschichtliche Überlegungen öffnen den Blick dafür, dass das ideale römische Totenritual nur für wenige reiche Menschen erreichbar war.

Den äußeren Rahmen des Rituals (Raum, Farben, Musik) sowie einzelner Ritualelemente des christlichen Umgangs mit dem Tod (Kapitel 3) zeichnet V. in der komplexen Verwobenheit mit ihrem Umfeld auf. Eine generelle Trennung von christlichen und paganen Gräbern ist nicht anzunehmen. Christliche Erdbestattungen haben sich insbesondere in den ersten Jahrhunderten äußerlich kaum von der paganen Praxis unterschieden. Mit der Erdbestattung wählten die Christen die billigere Bestattungsart, folgten aber auch einem allgemeinen Trend. »Neu und offenbar exklusiv christlich« ist die Bestattung ad sanctos, die die »Nähe zu regelmäßigen rituellen Feiern« sicherstellte. In dem Zusammentreffen von Grab und kultischem Raum wirkt die rechtliche Auffassung vom Grab als res religiosa nach. Da Christen an Gräbern Gottesdienst feierten, gleichzeitig aber an der kultischen Reinheit von sakralen Räumen festhielten, setzen diese Gottesdienste ein »verändertes Verständnis des verunreinigenden Effektes des Todes« voraus. Dennoch finden sich auch bei Christen Ritualelemente wie das Kussritual ­ es wird bei Dionysios Areopagita durch den Friedenskuss ersetzt ­ und die Totenwaschung. Während frühe Texte die Aufbahrung, prothesis, nicht erwähnen, kennt man im 4. Jh. die Aufbahrung in der Kirche. Auch bei der Bestattung ist von einer Beteiligung des Klerus auszugehen. Die Entwicklung gottesdienstlicher Formen für die Bestattung setzt im 4. Jh. ein, Hymnen und Psalmen finden regelmäßig Erwähnung. Eine eigentliche Liturgie liegt allerdings erst mit Dionysios Areopagita vor. Die Christianisierung von paganen Ritualelementen war zum Teil schwierig und führte dazu, die entsprechenden Riten aufzugeben. Leicht zu integrieren und mit den Funktionen des Klerus zu vereinen waren die Leichenreden. Übernommen wurde auch das Totenessen, zu Konflikten führte jedoch die Tradition der Totengedenkmähler. Vorschläge für die Verwendung der Aufwendungen zu Gunsten der Armen werden von verschiedenen Seiten gemacht. Auf einem ritualtheoretischen Hintergrund erarbeitet V. den christlichen Umgang mit dem Tod in seinem Kontext. Es wird ein Überblick über die Ritualelemente und ihre Entwicklung unter Heranziehung breiter literarischer, aber auch archäologischer Quellen gegeben.