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Ausgabe:

Oktober/2005

Spalte:

1123 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Santer, Hellmut

Titel/Untertitel:

Persönlichkeit und Gottesbild. Religionspsychologische Impulse für eine Praktische Theologie.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003. 336 S. gr.8 = Arbeiten zur Pastoraltheologie, 42. Kart. Euro 49,90. ISBN 3-525-62377-1.

Rezensent:

Martin Schreiner

Mit der von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien als Dissertation angenommenen Arbeit von Hellmut Santer ist eine der interessantesten religionspsychologischen Veröffentlichungen der letzten Zeit anzuzeigen, die sehr geeignet scheint, den Dialog zwischen Theologie und Psychologie wieder neu zu beleben. Dessen Grundproblem liegt bekanntlich "in der scheinbaren Differenz zwischen einer weltanschauungsgebundenen Theoriebildung mit der empirisch nicht verifizierbaren Prämisse Gott und einer weltanschauungsneutralen Forschung und Theoriebildung" (176). Gerade in der Frage des Zusammenhangs zwischen Persönlichkeit und Gottesbild - beides schillernde Begriffe, wie S. zuallererst einräumt- stellen Ontologie bzw. Anthropologie im Dialog zwischen Theologie und Psychologie eine besonders heikle Frage dar. Deshalb geht S. auch davon aus, "dass jeder Versuch, den Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Gottes Existenz zu thematisieren, den Rahmen des religionspsychologischen Diskurses sprengt" (192). Gleichwohl zeigt er überzeugend auf, dass ein Dialog zwischen Theologie und Psychologie dann fruchtbar werden kann, "wenn das menschliche Phänomen des Glaubens an Gott - und die damit verbundenen Fragen der Entstehung oder des Stellenwertes von Gottesbildern in der menschlichen Psyche - im Rahmen einer Persönlichkeitstheorie erörtert und erforscht wird, deren Anthropologie die Berechtigung des Ausgreifens auf Transzendenz als prinzipielle Möglichkeit offen lässt, ohne sie mit Letztbegründungen im Rahmen anderer ontologischer Prämissen, die denen der Theologie wieder vergleichbar wären, zu verknüpfen. Die Theologie auf der anderen Seite kann ihr differenziertes Verständnis des Glaubens an Gott als reflektierten Ausdruck einer möglichen Verwirklichung von Religion einbringen, um die Angemessenheit der religionspsychologischen Theoriebildungen und Forschungsmethoden zu gewährleisten, ohne ihre Prämissen im Sinn eines Kategorienwechsels direkt mit den gezeitigten Ergebnissen zu verbinden" (193).

S.s erkenntnisleitendes Interesse versteht sich "als pastoralpsychologisch ausgerichtet, das heißt, das Gespräch mit der Psychologie suchend, um dortige Erkenntnisse für das theologisch zu verantwortende Nachdenken und Handeln einer Praktischen Theologie speziell zur inhaltlichen Problemstellung des persönlichen Gottesbildes fruchtbar zu machen. Die theologische Option besteht darin, dass von einer Beziehung zwischen Mensch und Gott ausgegangen wird, in welcher der Mensch als von Gott Angesprochener mit seinem religiösen Erleben und Verhalten insbesondere im Gebet antwortet. Die Psychologie wird als eigenständige Wissenschaft aufgefasst, die aus ihrer Perspektive eben dieses religiöse Erleben und Verhalten des Menschen untersucht und deren Erkenntnisse nach den allgemeinen Grundsätzen wissenschaftlicher Zusammenarbeit von der Praktischen Theologie rezipiert werden" (15 f.).

Auf der Grundlage dieser Überlegungen nimmt S. im Kontext der wichtigsten homiletischen und poimenischen Grundpositionen das Gespräch mit der im deutschsprachigen Raum wenig beachteten Objektbeziehungstheorie (Donald W. Winnicott) und deren Religionspsychologie (Ana-Maria Rizzuto) auf und versucht, das Thema Gottesbild auf Basis des Dialogs zwischen Theologie und Psychologie für das kirchliche Handeln in Predigt und Seelsorge fruchtbar zu machen. Er ist überzeugt, dass in Gestalt der Objektbeziehungstheorie einer Entwicklung innerhalb der psychoanalytischen Tradition begegnet werden kann, "die nicht nur dem Phänomen der Religion im Allgemeinen offener gegenübersteht und von sich aus religionspsychologische Studien von einem neuen Blickwinkel her aufgenommen hat, sondern im anglo-amerikanischen Raum theologischerseits auch bereits deutliche Resonanz gefunden hat und insgesamt als wichtiges Korrektiv zur orthodoxen Psychoanalyse aufzufassen ist" (15). Zusammenfassend vermutet S. zu Recht, dass die konsequente Berücksichtigung der impliziten relationalen Anthropologie der Objektbeziehungstheorie Winnicotts sowie das von Rizzuto eingebrachte Verständnis des Gottesbildes als persönlich bedeutsame Beziehungserfahrung wichtige Impulse für die pastoralpsychologische Reflexion in einer Praktischen Theologie liefern können.