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Ausgabe:

Oktober/2005

Spalte:

1107–1109

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Ashdown, Lance

Titel/Untertitel:

Anonymous Skeptics. Swinburne, Hick, and Alston.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2002. X, 286 S. gr.8 = Religion in Philosophy and Theology, 3. Kart. Euro 49,00. ISBN 3-16-147679-4.

Rezensent:

Hans-Peter Großhans

Der Stachel im Fleisch der angelsächsischen Religionsphilosophie der letzten Jahrzehnte war und ist der walisische Philosoph Dewi Zephania Phillips, dessen von Wittgensteins Spätphilosophie geprägter religionsphilosophischer Ansatz gerne mit dem Etikett "Fideismus"" versehen wird. Phillips' Religionsphilosophie sucht der von seinem Lehrer Rush Rhees formulierten Einsicht zu entsprechen, dass die Realität Gottes nicht verstanden werden kann, wenn nicht die Verehrung Gottes, also die religiöse Praxis der Glaubenden, verstanden wird. Schon bei Nietzsche findet sich im Nachlaß der Achtzigerjahre die auch für Phillips' philosophische Reflexion von Religion charakteristische Auffassung, das Christentum sei eine Praxis und keine Glaubenslehre; es sage uns, wie wir handeln, nicht aber, was wir glauben sollen (vgl. F. Nietzsche, Werke in drei Bänden, hrsg. von K. Schlechta, 1966, Bd. 3, 640). Auf Grund dieser Bestimmung nicht nur der christlichen, sondern jeglicher Religion als Praxis wurde Phillips zum heftigsten und scharfsinnigsten Kritiker des sich weitgehend im Horizont eines Aufklärungstheismus bewegenden Mainstreams der angelsächsischen Religionsphilosophie.

Diese Debatte wurde auch in der deutschsprachigen Religionsphilosophie und Theologie beachtet und verschiedentlich kritisch rezipiert. Sie wird nun in der hier zu besprechenden Untersuchung von Seiten der Phillipsschen Religionsphilosophie fortgeführt und vertieft. Lance Ashdown hat in seiner von D. Z. Phillips an der bekannten californischen Claremont Graduate School betreuten Dissertation die philosophischen und theologischen Prämissen rationalistischer und normativer Religionsphilosophie exemplarisch an den so verschiedenen Konzeptionen von Richard Swinburne, John Hick und William Alston kritisch untersucht. Das Verdienst dieser Untersuchung liegt nicht nur darin, dass sie auf fundamentale Probleme jeglicher rationalistisch und normativ konzipierten Religionsphilosophie aufmerksam macht, indem sie deren problematischen Voraussetzungen im Blick auf Logik, Sprachphilosophie, Erkenntnistheorie und das Religions- und Gottesverständnis herausarbeitet, sondern vor allem darin, dass sie eine neue Diskussion der Vorzüge und Schwächen solcher Religionsphilosophie ermöglicht.

A.s Untersuchung ist eine beeindruckende kritische Rekonstruktion der religionsphilosophischen Arbeiten von Swinburne, Hick und Alston, durch die deren philosophische Probleme offen zu Tage treten. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass über A.s Darstellung von Swinburne, Hick und Alston an einzelnen Stellen zu streiten wäre. A. zeigt jedoch sehr überzeugend, wie sehr Swinburne, Hick und Alston - trotz aller Unterschiede zwischen ihnen - in der religionsphilosophischen Fragestellung der Aufklärungszeit verfangen sind, indem sie sich der apologetischen Aufgabe widmen, vernünftige Begründungen für religiösen Glauben zu liefern angesichts der Herausforderung durch einen religiösen, cartesianischen und logischen Skeptizismus. In ihrer je unterschiedlichen apologetischen Auseinandersetzung mit der skeptischen Infragestellung religiösen Glaubens haben nach A.s überzeugend vorgetragenem Urteil Swinburne, Hick und Alston deren Voraussetzungen so sehr übernommen, dass ihre Konzeptionen nun selbst von einem tiefen anonymen Skeptizismus geprägt sind. "They are anonymous skeptics in the sense that their epistemologies create the very conditions that allow for the severe and, on their own terms, unanswerable challenges of scepticism. In other words, their epistemological theories unwittingly imply skeptical theses, because these theories invite the very scepticism that they are logically incapable of answering" (9). In seinen detaillierten Analysen will A. nun allerdings nicht nur zeigen, dass die drei exemplarisch von ihm untersuchten Ansätze rationalistischer und normativer Religionsphilosophie selbst die Saat des von ihnen bekämpften Skeptizismus verbreiten. Seine Ambition zielt darüber hinaus vor allem auf ein vertieftes Verständnis des Skeptizismus und seiner philosophischen und religiösen Motive sowie auf eine Kritik des Skeptizismus als einer philosophisch höchst problematischen Position.

Der Skeptizismus wird von A. in den rationalistisch und normativ konzipierten Religionsphilosophien in drei Formen identifiziert: Logical Skepticism, External World Skepticism und Religious Skepticism. Im ersten Teil seiner Untersuchung widmet sich A. zuerst den problematischen Implikationen des Skeptizismus. Nach A. ist der Skeptizismus, von dem sich die Theorien Swinburnes, Hicks und Alstons nicht befreien können, eine direkte Konsequenz ihrer Theorien. Diese Theorien haben bei aller Verschiedenheit eine gemeinsame Struktur: "the practices in which beliefs are held to correspond or fail to correspond to reality are represented as themselves a kind of belief that is externally related to the reality in question" (15). In Ermangelung eines besseren Ausdrucks nennt A. diese philosophische Theorie "externalism", die er im 1. Kapitel ausführlich charakterisiert. Im zweiten Kapitel widmet sich A. der skeptischen Herausforderung, wobei er sich vor allem auf Barry Stroud's Studie "The significance of philosophical skepticism" (Oxford, 1984) stützt. Im dritten Kapitel geht es dann um "Skepticism and Forms of Life": Mit externalistischen Theorien lässt sich menschliches Leben eben nicht angemessen in seiner Relation zu den verschiedenen Realitäten verstehen, die eine Rolle in ihm spielen. "A view of an epistemic practice as a picture of belief misrepresents the fact that it is only within the practices constitutive of a form of life that the sense of assessing the truth or falsity of belief is given" (16).

Im zweiten Teil der Untersuchung unter der Überschrift "Language, World, and God" werden die gewonnenen Einsichten in die Problematik des Skeptizismus auf Swinburnes, Hicks und Alstons religionsphilosophische Konzeptionen bezogen. A. versucht dabei zu zeigen, dass und wie die drei Formen eines radikalen Skeptizismus in den externalistischen Epistemologien von Swinburne, Hick und Alston impliziert sind. Im vierten Kapitel ("Skepticism and Language") kritisiert A. einen unklaren Sprachbegriff bei Swinburne, Hick und Alston, der sie in einen logischen Skeptizismus führt. Im fünften Kapitel ("Skepticism and the External World") zeigt A., wie die drei von ihm untersuchten Philosophen dem cartesianischen Zweifel über die Existenz einer dem Bewusstsein externen Welt verfallen sind. Im sechsten Kapitel ("Skepticism and God") rekonstruiert A. die Versuche von Swinburne, Hick und Alston, religiösen Glauben zu rechtfertigen, und zeigt, wie sie dabei die Möglichkeit eines unbeantwortbaren religiösen Skeptizismus selbst erzeugen. Als Ergebnis dieser Sichtung von drei Versionen eines unbeabsichtigten religionsphilosophischen Skeptizismus formuliert A. zum Schluss die nach seinem Urteil noch zu leistende Aufgabe einer "Epistemology of Religion after Skepticism".

Die hervorragende Studie von A. beeindruckt durch die Klarheit ihrer Analysen und ihrer Darstellung. Wer sich mit den Arbeiten von Swinburne, Hick und Alston beschäftigt, wird von A.s Untersuchung profitieren. Vor allem aber dürfte A.s Studie für jede kritische Auseinandersetzung mit rationalistischen, normativen Konzeptionen von Religion und dem Thema des Skeptizismus höchst hilfreich sein.