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Ausgabe:

Oktober/2005

Spalte:

1106 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Gößner, Andreas [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Theologische Fakultät der Universität Leipzig. Personen, Profile und Perspektiven aus sechs Jahrhunderten Fakultätsgeschichte. Hrsg. unter Mitarbeit v. A. Wieckowski.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2005. 483 S. m. Abb. gr.8 = Beiträge zur Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Reihe A, 2. Geb. Euro 38,00. ISBN 3-374-02255-3.

Rezensent:

Christoph Markschies

Der Band dokumentiert ein Kolloquium, das im Februar 2004 stattfand, um das 600-jährige Jubiläum der Alma Mater Lipsiensis im Jahr 2009 vorzubereiten. Dabei sind die Beiträge nicht auf die Geschichte der Theologischen Fakultät beschränkt; ihr Reigen wird durch einen instruktiven Literaturbericht des Herausgebers über die "Geschichte von theologischen Fakultäten als wissenschaftlicher Gegenstand" eröffnet (17-38). Eine Reihe von Aufsätzen zeigt, dass im Vorfeld des Jubiläums gegenwärtig Dokumentationen (beispielsweise des Lehrkörpers seit 1409 oder der Diplomarbeiten seit 1947) angelegt werden; Andreas Gößner publiziert eine reich annotierte Übersicht über die theologischen Promotionen in Leipzig zwischen 1601 und 1701 (113-161).

Angesprochen werden durch den Sammelband über die Kirchen- und Theologiegeschichte hinaus verschiedene weitere Disziplinen: Doreen Zerbe, eine Mitarbeiterin der Kustodie der Universität, behandelt beispielsweise mit einem prosopographischen, leider weniger kunsthistorischen Schwerpunkt "frühneuzeitliche Grab- und Gedächtnismale von Theologieprofessoren in Leipziger Kirchen" (219-233 mit diversen Abbildungen), Andreas Straßberger "Die Leipziger Predigerkunst im (Zerr-) Spiegel der aufklärerischen Kritik" (162-218; der Untertitel "Plädoyer für eine geschichtliche Betrachtung orthodoxer Homiletik" zeigt an, was der Autor versucht: die kritische Überprüfung von Vorurteilen, die schon beim klugen Gottsched belegt sind). Interessante Detailinformationen zum mittelalterlichen Lehrbetrieb und zur Leipziger Disputation von 1519 finden sich in den Beiträgen von Helmar Junghans (41-48) und Michael Beyer (49-62, insbesondere 49-55). Ansonsten ist der Band aber stark von Beiträgen über Personen geprägt: Christian Gottlob Leberecht Großmann, Constantin von Tischendorf, Georg Rietschel, Martin Doerne und Hermann Wolfgang Beyer werden behandelt, wobei der Versuch, für Letzteren die "abschreckende Stigmatisierung eines Nicht-Gefallenden" zu vermeiden, etwas knapp ausfällt: An welchen Details kann man denn zeigen, dass Beyer "in die Bewegung der Konservativen Revolution" gehörte (so Irmfried Garbe, 320)? Der Band schließt mit einem Beitrag über die "Wende" aus der Sicht des damaligen Theologiestudenten Michael Lippold (461-468) und enthält dankenswerterweise ein ausführliches Personenregister (469-481).

Fehler finden sich nur wenige (so wohnt beispielsweise der S.45 erwähnte Alttestamentler nicht "Vor dem Nestor", sondern bis auf den heutigen Tag "Vor dem Neutor").

Im Zusammenhang der ThLZ verdient besondere Erwähnung, dass ihr Mitherausgeber Martin Petzoldt "Gründung und Entwicklung der Theologischen Literaturzeitung und die Mitarbeit von Leipziger Universitätstheologen" knapp behandelt (351-369) und die bestimmende Rolle Harnacks für die Zeitschrift betont. In einem Anhang finden sich auch einige wichtige redaktionelle Mitteilungen und Nachrufe auf ehemalige Herausgeber, die einmal eine ausführliche Interpretation lohnen würden. So verschweigt der in der Zeitschrift publizierte Nachruf auf den Lietzmann-Schüler Hans-Georg Opitz, der 1939 die Herausgeberschaft übernahm (ThLZ 66 [1941], Nr. 9/10 = S. 367), ebenso taktvoll wie begreiflich, dass Opitz sich die tödlichen Verwundungen, an denen er starb, aus Unachtsamkeit beim Anzünden einer Zigarette mit Hilfe eines Benzinkanisters selbst beigebracht hatte und insofern nur äußerst mittelbar - wie es dem Zeitgeist geschuldet heißt - "im Kampf gegen den Bolschewismus" gefallen war.