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Ausgabe:

Oktober/2005

Spalte:

1092 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Bürger, Thomas

Titel/Untertitel:

Verzeichnis der gedruckten Briefe deutscher Autoren des 17. Jahrhunderts. Teil 2: Drucke zwischen 1751 und 1980.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz (in Kommission) 2002. Lfg. 1: A-F. XCVIII, 450 S. Lfg. 2: G-J. S. 451-828. Lfg. 3: K-Q. S. 829-1170. Lfg. 4: R-Z. S. 1171-1480. 4 = Repertorien zur Erforschung der frühen Neuzeit, 12/2. Kart. Lfg.1: Euro 159,00. ISBN 3-447-04526-4. Lfg. 2: Euro 138,00. ISBN 3-447-04527-2. Lfg. 3: Euro 138,00. ISBN 3-447-04528-0. Lfg. 4: Euro 138,00. ISBN 3-447-04529-9.

Rezensent:

Johann Anselm Steiger

Anzuzeigen ist ein mächtiges, im höchsten Maße grundlegendes Repertorium, das für alle, die sich mit der Kultur- und Kommunikationsgeschichte des 17. Jh.s befassen, schlechthin unerlässlich ist. Das von Thomas Bürger, der jetzt als Generaldirektor der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Uni- versitätsbibliothek Dresden tätig ist, erarbeitete Findbuch ist ein wichtiger Meilenstein innerhalb der interdisziplinären FrüheNeuzeit-Forschung und schließt ein Projekt ab, das weit in die Zettelkasten-Ära zurückreicht und 1992/93 zur Publikation des von Monika Estermann bearbeiteten ersten Teils führte, der die im Zeitraum von 1600 bis 1750 gedruckten Briefe verzeichnet. Berücksichtigung finden Korrespondenten, die im Gebiet des Alten Reiches vor dem Westfälischen Frieden (1648) (vgl. Teil 1, S. 6) tätig waren und "zwischen 1575 und 1675" (VII) geboren wurden, wobei letzteres Prinzip jedoch aus nahe liegenden Gründen (etwa, um bestehende Korrespondenznetze nicht zu zerschlagen) nicht sklavisch gehandhabt wurde. Neben den großen wissenschaftlichen Korrespondenzausgaben (wie z. B. Grotius, Kepler) wird eine geradezu flutartige Fülle von (mitunter sehr abgelegenen) Zeitschriften, Tageszeitungen, lokalhistorischen Werken, Schulprogrammen etc. ausgewertet. Der im Quellenverzeichnis (XVII-XCVIII) dokumentierte Fundus, aus dem das Verzeichnis schöpft, ist beeindruckend und schon für sich genommen ein unvergleichlicher Beitrag zur frühneuzeitlichen Briefforschung. Im Hauptteil (1480 S. im Spaltensatz) werden nun sämtliche in gedruckter Form eruierbaren Briefe des jeweiligen Absenders (durchnummeriert) unter dessen Namen aufgelistet, und zwar in alphabetischer Reihenfolge der Adressaten. Liegen mehrere Briefe an denselben Adressaten vor, werden diese chronologisch angeordnet. Zudem werden auch die von dem jeweiligen Absender empfangenen Briefe (gekennzeichnet durch einen Pfeil und ohne Nummerierung) aufgelistet, so dass dem Benutzer - sachgemäß - mit einem Blick der betreffende Briefwechsel und somit die wechselseitig-lebendige Kommunikation vor Augen steht. Dieses Prinzip führt dazu, dass eine Doppelverzeichnung unumgänglich ist, da die empfangenen Briefe unter dem Namen des jeweiligen Absenders erneut aufgeführt werden. (Allerdings ist hier nicht konsequent verfahren worden, ohne dass klar würde, warum dem so ist: So erscheint z. B. Martin John unter Christian Hoburg als Empfänger von vier Briefen [724], wird aber in dem ihm zugedachten Eintrag nur als Empfänger eines Briefes Hoburgs genannt [814].) Zu den meisten Absendern finden sich kurze Biogramme und knappe Literaturangaben, jedoch nicht zu allen, wobei nicht deutlich ist, ob in diesen Fällen biographische Daten nicht ermittelbar waren oder die Recherchen aus arbeitsökonomischen Gründen unterbleiben mussten.

Wer sich in dieses vorzügliche Instrument einarbeitet, merkt bald, welche Quellenschätze hier aus der sonst nur durch umfänglichste Spezial- und Einzelrecherchen zu behebenden Versenkung geholt worden sind. Hier wird vieles disparat Veröffentlichte zusammengeführt und es entsteht ein erster, aber tiefer Eindruck bezüglich der Lebendigkeit der tatsächlichen Kommunikations-Netzwerke der Frühen Neuzeit. Vergegenwärtigt man sich die Tatsache, dass der weitaus größte Teil der commercia epistolica des 17. Jh.s ungedruckt geblieben ist, beginnt man zu ahnen, welch umfängliche Erschließungsarbeiten sowohl bibliographisch als auch editorisch auf diesem Gebiete noch zu leisten sind, auch wenn man nur einen repräsentativen Querschnitt erreichen will. Obgleich in den letzten Jahrzehnten verstärkt wissenschaftliche Editionen frühneuzeitlicher Korrespondenzen projektiert und in Angriff genommen worden sind, herrschen diesbezüglich noch große Lücken. B.s Repertorium leistet bezüglich der noch anstehenden Korrespondenz-Projekte wertvolle Vorarbeiten. Von großer Bedeutsamkeit ist, um nur ein Beispiel herauszugreifen, nicht nur die Dokumentation der Hinterlassenschaft der briefstellerisch bekanntermaßen höchst produktiven Pietisten, sondern auch und gerade der mystischen Spiritualisten (wie Friedrich Breckling, Heinrich Betke, Johann Georg Gichtel u. a.). Insbesondere die Geisteswelt der frühneuzeitlichen Nonkonformisten und Dissenter kann keineswegs durch Analyse von deren gedruckten Werken erhoben werden, wenn man nicht flankierend hierzu die keinen Zensurzwängen und anderen Akkommodationsmechanismen unterworfene epistolische Kommunikation gebührend mit einbezieht.

Ohne die Gesamtleistung in irgendeiner Weise schmälern zu wollen, sei darauf hingewiesen, dass die Endredaktion des Werkes mit noch größerer Akribie hätte betrieben werden können. Nicht nur in der Bibliographie sind Ungereimtheiten stehen geblieben, vielmehr hätte z. B. auch die Differenzierung der korrespondierenden Personen trennschärfer vorgenommen werden können. Der Polykarp Leyser III. (1656-1725) zugeschriebene Brief aus dem Jahre 1601 stammt vermutlich von der Hand P. Leysers I. (1552-1610), während derjenige von 1626 von P. Leyser II. (1586-1633) geschrieben worden sein dürfte. Johann Quistorp (1624-1669) wird kaum bereits vor seiner Geburt am 3.10.1623 einen Brief an Joachim Jungius verfasst haben können, vielmehr dürfte der wahre Absender Joh. Quistorp d. Ä. (1584-1648) gewesen sein.