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Ausgabe:

Oktober/2005

Spalte:

1077 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Fuhrer, Therese

Titel/Untertitel:

Augustinus.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2004. VIII, 200 S. m. Abb. gr.8 = Klassische Philologie kompakt. Kart. Euro 14,90. ISBN 3-534-15768-0.

Rezensent:

Ekkehard Mühlenberg

Grundwissen kompakt, in didaktischer Aufbereitung, zu einem verlockenden Preis: Das ist immer willkommen, wenn es das Gütesiegel erhält. Die Zielgruppe sind "Studierende der Klassischen Philologie"; auf deren Interessen soll eingegangen werden im Unterschied zu Interessen von Theologen und Philosophen. Was vorliegt, hat das Gesicht eines Lernbuches - mit den zu lernenden Vokabeln am Rand und mehreren Tabellen. Der Stoff ist in zwei Teile gegliedert: "A. Augustin im Diskurs der Spätantike" (5-55) und "B. Die Schriften: Themenschwerpunkte" (56-173). Ein Epilog (174-176) vermerkt Daten der Nachwirkung. Es gibt einen bibliographischen Anhang (181-191) und vier Register (193-200).

In den "Diskurs der Spätantike" wird eingeführt, indem zuerst in Schlagworten die politischen Rahmenbedingungen einer "Christianisierung" der Gesellschaft, die christlichen Autoren mit ihren Themen ("Orthodoxie", "Neoplatonismus", "Heilige Schrift") und soziale Träger vorgestellt werden. Danach soll die Biographie Augustins in den Diskurs eingezeichnet werden. Die Quellenlage, so F. unter der Zitatüberschrift Dichtung und Wahrheit, erlaube keinen Lebenslauf nach modernen Ansprüchen, da wir fast ausschließlich auf Selbstaussagen, zudem noch stilisiert und redaktionell überarbeitet, angewiesen seien. F. setzt also öfter den Verdacht auf nicht so hehre Motive an die Stelle von Quellenbelegen, wo Augustin, paradigmatisch in Confessiones, etwas verschweige oder übertünche. Solche Motive sind z. B. Erfindungeen F.s: Augustins Eintritt in die Christengemeinschaft der Manichäer sei auch dadurch motiviert gewesen, seinem Gönner Romanius zu gefallen (21); die Bekehrungsvorbilder in Confessiones VIII seien als "psychologische Stütze" gegen den Druck aus dem sozialen Umfeld von Augustin eingesetzt (28); "Enteignung der Donatisten" sollte des Kaisers Kasse sanieren (42). Es stören die biographische Darstellung einige Faktenfehler; sie ist noch dadurch verdünnt, dass die theologischen Gegner (Manichäer, Donatisten und Pelagianer) zusammen mit den theologischen Positionen an die Stelle des biographischen Berichtens treten.

Der zweite Teil behandelt das literarische Werk Augustins, nach "Themenschwerpunkten" gegliedert. Die Übersicht nennt 103 Werke und führt Predigten wie Briefe als Pauschalkategorien auf. Die thematische und die chronologische Tabelle dieser 103 Werke folgt W. Geerlings und gibt keinen Hinweis auf Augustins oder des Possidius Gliederungsprinzipien. Ein Kapitel über "Sprache und Stil der augustinischen Schriften" ist angefügt. Sechs Themenschwerpunkte werden ausgewählt, die sich teils mit Schriften decken (Frühdialoge, Confessiones, De Civitate Dei, exegetische Schriften), teils ein Thema ("Mensch-Welt-Gott", "moraltheologische" Schriften) übergreifend vorstellen. Die Werke werden literarisch und inhaltlich beschrieben. Die literarischen Beschreibungen sind mehrfach eindring- lich und plausibel, so zur Dialogform und zur exegetischen Methode. Die beschreibende Analyse von Confessiones und De Civitate Dei schwankt zwischen Stoffangabe und literarischer Formbestimmung, so dass keine von beiden überzeugend ist. Es ist m. E. kein guter Einfall, Confessiones als protreptisch und De Civitate Dei als katechetisch zu charakterisieren. Für Confessiones wird jedoch festgestellt, dass das sich selbst erkennende Gespräch auf die Anrede an Gott angewiesen ist (107); in die philosophisch interessierenden Themen Gedächtnis und Zeit wird gesondert eingeführt. Für De Civitate Dei finde ich keine plausible Linie beschrieben, obwohl der Stoff natürlich nach den Einteilungen Augustins vorgestellt wird. Ein Kapitel macht die Auseinandersetzung mit den Platonikern (civ. VIII-X) durchsichtig (144-148), unterschlägt jedoch den Gegensatz zwischen Hochmut des Erkennens und Demut des Glaubens(147 f.).

Erfreulich viele Themen von theologischem und philosophischem Interesse sind aufgenommen ("Theodizee", Anthropologie, Gotteslehre, Willensfreiheit, Fragen der Lebensführung). Über ihre angemessene Darstellung wird man verschieden urteilen, aber einige Mängel sind offensichtlich (z. B. Gottes Allmacht gegen die Manichäer, 80-92; Fehlen des trinitarischen Ternars memoria-intellectus-voluntas, 103 f.; Logik der "Logik des Schreckens", 162). Die Literaturangaben nutzen zu Recht das Augustinus-Lexikon, aber Namen wie F. van der Meer, H. Hagendahl, O. Perler, J. Scheele, H. Chadwick sollten m. E. nicht fehlen.

Fazit: Unter der Voraussetzung, dass maches der Überprüfung bedarf, ist das Buch zum Lernen bedingt geeignet.