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Ausgabe:

Oktober/2005

Spalte:

1073 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Didymus der Blinde

Titel/Untertitel:

De spiritu sancto. Über den Heiligen Geist. Übers. u. eingel. v. H. J. Sieben.

Verlag:

Turnhout: Brepols Publishers 2004. 301 S. 8 = Fontes Christiani, 78. Kart. Euro 32,62. ISBN 2-503-52140-1.

Rezensent:

Gert Haendler

Hermann Josef Sieben hat bereits mehrere gut gelungene Bände in der Reihe "Fontes Christiani" vorgelegt: FC 4,1-2, Die Homilien zum Lukasevangelium des Origenes (1991/92), FC 12, die Arbeit "Über den Heiligen Geist" des Basilius (1993), FC 22, die "Theologischen Reden" des Gregor von Nazianz (1996), sowie FC 34, Tertullians Kampfschrift "Adversus Praxean" (2001). Didymus der Blinde ist wenig bekannt, doch hat man seit dem Papyrusfund von Tura 1941 ein genaueres Bild über seine umfangreichen exegetischen Arbeiten.

Didymus wurde 313 geboren und erblindete als Kind. Trotzdem erwarb er eine reiche Bildung und lehrte in Alexandrien. Der Bericht des Rufin über Didymus wird im Wortlaut geboten (8-10). Danach war Didymus ein "scholae ecclesiasticae doctor", der von Athanasius hoch geschätzt wurde. Aber das könnte auch ein Votum Rufins für die Rechtgläubigkeit des Didymus sein, der stark von Origenes beeinflusst war. Didymus war jedenfalls zu seiner Zeit hoch angesehen, er lebte als Asket, der heilige Antonius hat ihn besucht. Hieronymus und Rufin gaben ihm die ehrende Bezeichnung "der Sehende". Von der Verurteilung des Origenes durch das 5. Ökumenische Konzil 553 war auch Didymus betroffen, der jetzt den Beinamen "der Blinde" erhielt. Er starb 398.

Nach der Verurteilung 553 blieben die Werke des Didymus im Osten größtenteils verschollen. Im Westen jedoch hat man sich mehrfach auf ihn berufen. S. spricht von einem "Wechselbad von Anerkennung und Ansehensverlust", das kennzeichnend für Didymus sei (18). Das Ansehen des Didymus stieg nach der Entdeckung der drei Bücher De trinitate im 18. Jh., die man ihm zuschrieb. Man nannte es das "mächtigste Werk" zur Bekämpfung des Arianismus und Macedonianismus. Didymus war ein "Mitstreiter der Kappadozier in der Verbreitung der klassischen Form der Trinitätslehre" (18). Aber "mit der Bestreitung der Echtheit von De trinitate seit der Mitte des letzten Jahrhunderts scheint der Abstieg schon wieder begonnen zu haben" (18). Als wichtigstes dogmatisches Werk des Didymus bleibt seine Schrift De spiritu sancto. Ausführlich erörtert S. die Vorgeschichte des Problems, die mit Clemens Romanus beginnt und über die Apologeten, Irenäus, Tertullian und Origenes zu den Auseinandersetzungen im 4. Jh. verläuft (18-39).

Als Abfassungszeit gab die ältere Forschung die Jahre 370 bis 375 an - eine Zeitspanne, die eindeutig nach den Briefen des Athanasius an Serapion 356 bis 359 lag. Eine neue Datierung schlug 1960 E. Staimer vor, die das Werk in die Frühzeit des Didymus verlegte und auf die Jahre 355 bis 358 kam (40). Dieser Datierung hat sich mit einigen Modifizierungen W. D. Hauschild angeschlossen. Auch S. kommt zu dem Ergebnis, dass die Schrift De spiritu sancto gleichzeitig mit den Briefen des Athanasius in den Jahren 358/59 entstanden sei (41).

Die Schrift des Didymus ist nicht im griechischen Originaltext erhalten, es gibt nur eine lateinische Übersetzung des Hieronymus, der Didymus als seinen Lehrer bezeichnet. Auch nach seiner Abwendung von Origenes bleibt Hieronymus bei der Trinitätslehre des Didymus. Im Vorwort schildert Hieronymus einige Hintergründe. In Bethlehem wollte er ein paar Gedanken über den Heiligen Geist dem Pontifex der Stadt Rom widmen. Aber "der Senat der Pharisäer schrie Zeter und Mordio, und zwar nicht irgendein unbekannter Schriftgelehrter oder bloß Jemand, der sich dafür hielt, nein, die ganze Zunft der Ignoranten verschwor sich gegen mich, als ob sie zu einer Schlacht um die Lehre aufgerufen würden" (75).

Hieronymus legt Wert darauf, dass der inzwischen verstorbene Papst Damasus ihn zu diesem Werk angeregt habe. Er vergleicht Bethlehem mit Rom und hält "den Ort, der den Heiland der Welt hervorbrachte, für viel majestätischer als den, der den Brudermörder erzeugte" (77). Es folgt ein Seitenhieb gegen den Mailänder Bischof Ambrosius, dessen Namen er freilich nicht nennt: "Ich habe es vorgezogen, als Übersetzer eines fremden Werkes aufzutreten statt mich, wie gewisse Leute es machen, als häßliche Krähe mit fremden Federn zu schmücken. Vor kurzem las ich die Schriftchen eines gewissen Jemand über den Heiligen Geist und mußte nach dem Wort des Komikers feststellen, daß aus einem guten griechischen kein gutes lateinisches Werk geworden war" (77).

Für die Datierung der Übersetzung liegt das Jahr 387 am nächsten. Ambrosius hatte 381 im Auftrag des Kaisers Gratian eine Schrift über den Heiligen Geist geschrieben "und dabei massiv aus dem De spiritu sancto des Didymus abgeschrieben" (44). Der Gegensatz zu Ambrosius dürfte zur Folge gehabt haben, "daß mit einer relativ wortgetreuen Übersetzung zu rechnen ist. Allzu frei und vom vorliegenden griechischen Text abweichend würde sie ja nicht dem Ziel dienen, den Plagiator zu überführen" (46). Ambrosius wurde aber mehrfach gegen den Vorwurf des Plagiats in Schutz genommen (61-63). Die Wirkungsgeschichte nennt ausführlich Augustin (64-66), das Konzil von Aachen 809 sowie die karolingischen Gelehrten Theodulf von Orléans und Ratramnus (67 f.). Im 12. Jh. zitierten ihn Ivo von Chartres, das Decretum Gratiani und Petrus Lombardus (68f.). Thomas von Aquin und Vinzent von Beauvais haben sich auf ihn berufen. Auf dem Konzil von Florenz wurde 1439 von westlicher Seite auf den immensen Ruf des Didymus verwiesen, den Anselm von Havelberg als "doctor non minimus" und Abaelard sogar als "maximus doctor" bezeichnet hatte (71).

Über Manuskripte und ältere Editionen wird nichts Näheres gesagt, die Bibliographie nennt ältere Ausgaben (272 f.). Die vorliegende Edition folgt dem Text, den L. Doutreleau 1992 in den "Sources chrétiennes" als Band 386 vorgelegt hat. Die deutsche Übersetzung hat S. neu erarbeitet. Das Thema des Didymus wird kaum breitere Leserkreise anlocken, aber mit seiner informativen Einleitung und gut lesbaren Übersetzung hat S. jedenfalls alles getan, um einen möglichst lesefreundlichen Band vorzulegen.