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Ausgabe:

September/2005

Spalte:

1016–1018

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Schiepek, Hubert

Titel/Untertitel:

Der Sonntag und kirchlich gebotene Feiertage nach kirchlichem und weltlichem Recht. Eine rechtshistorische Untersuchung.

Verlag:

Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2003. 536 S. 8 = Adnotationes in Ius Canonicum, 27. Kart. Euro 70,60. ISBN 3-631-38569-2.

Rezensent:

Heinrich J. F. Reinhardt

Zum Sonn- und Feiertagsrecht gibt es zahlreiche Monographien und Aufsätze aus rechtshistorischer, pastoraltheologischer, kirchenrechtlicher, staatskirchenrechtlicher und kulturhistorischer Sicht. Ihnen gemeinsam ist, dass sie fachdisziplinär eingeschränkt sind. Die von Hubert Schiepek erstellte, vom Kanonistischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München im Jahre 2000 als kanonistische Dissertation angenommene Arbeit (das vierte Kapitel gibt die vorher erstellte Lizentiatsarbeit wieder) versucht eine umfassende Gesamtdarstellung des Themas. Um es vorweg zu sagen: Dies ist Sch. auch gelungen.

In seiner Einführung (Teil A) zeigt Sch. die gegenwärtige Diskussion um den staatlich gewährten Sonn- und Feiertagsschutz in Deutschland der letzten Jahre und Jahrzehnte auf (Änderung der Ladenschlusszeiten, Abschaffung des Buß- und Bettages zur Finanzierung der Pflegeversicherung, Zulassung von Privatmärkten an Sonn- und Feiertagen usw.), aber auch die schwindende Wahrnehmung der religiösen Bedeutung der Sonn- und Feiertage in der Lebenspraxis der Christen in Deutschland. Dieser gesellschaftlichen Entwicklung, die von einer Sinnkrise gezeichnet ist, gilt es, die kulturgeschichtliche, anthropologische und religiöse Bedeutung von Sonn- und Feiertagen entgegenzuhalten und sie ins Bewusstsein zurückzurufen. Auch diesem Ziel dient die vorliegende Arbeit.

Teil B der Einführung gibt einen Überblick über die Literatur des 19. und 20. Jh.s zum Sonn- und Feiertagsrecht (chronologisch geordnet, kurze Wiedergabe des Inhalts der Arbeiten). Diese Darstellung des Forschungsstandes schließt ab mit der Umschreibung der eigenen Forschungsaufgabe.

Im Teil C der Einführung (überschrieben "Geschichte und Begriff der Feiertage") zeichnet Sch. ein kulturhistorisches Panorama über die Entwicklung von immer wieder gesuchten und gefundenen besonderen Tagen (Zyklen im Rhythmus der Natur), denen im Leben der Menschen eine besondere Bedeutung zukommen, die sie gemeinsam gestalten, die für das Sozialgefüge der Menschen unentbehrlich sind. Dieses in jeder Kultur vorfindbare Phänomen haben auch die Christen übernommen und solchen Tagen eine christliche Prägung gegeben. Wie diese christliche Prägung im Einzelnen verlief, zeigt Sch. detailliert auf. Das ist der eigentliche Gegenstand seiner Arbeit.

Das erste Kapitel ist der Entstehung und Entwicklung des Feiertagsrechts von der Zeit der Apostel bis zum universalrechtlichen Feiertagsgesetz Papst Gregors IX. (1234) gewidmet. Der erste Tag nach dem Sabbat wird von der Urkirche als Tag der Auferstehung und Erscheinung Christi gefeiert. Er ist spätestens zu Beginn des 2. Jh.s der "Herrentag" (als erster Tag der Woche begangen), an dem sich die Gemeinde zum Herrenmahl versammelt. In dieser Zeit entwickelten sich auch das jährliche Osterfest (aus der Wurzel des alttestamentlich-jüdischen Pesachfestes) sowie das 50 Tage später angesetzte Pfingstfest (Feier der Geistsendung). Im 4. Jh. kamen hinzu die Jahresfeste Epiphanie, Weihnachten und Christi Himmelfahrt. Sch. beschreibt im Einzelnen die biblischen Begründungen für die Einführung der Festtage, die Anlehnung an jüdische und heidnische Feste, die innerkirchlichen Streitigkeiten um die genauen Datierungen der Tage (Osterfeststreit). Parallel zu den "Herrenfesten" (sie wurden später vermehrt) entwickelten sich Gedenktage für Märtyrer und Heilige. Inhaltlich waren diese Tage, gewohnheitsrechtlich entwickelt, später gesetzlich vorgeschrieben, geprägt durch die Pflicht zur Teilnahme an der Messfeier und durch die Pflicht zur Arbeitsruhe (Letztere wurde ermöglicht, als römische Kaiser gegen Ende des 4. Jh.s den Sonntag und die kirchlichen Feiertage auch zu staatlich gebotenen allgemeinen Ruhetagen deklarierten). Das Ruhegebot umfasste ab dem 5. Jh. auch die Enthaltung "von öffentlichen und lärmenden Lustbarkeiten".

Welche Bedeutung zur innerkirchlichen Einhaltung der Sonn- und Feiertage der weltlichen Gesetzgebung christlicher Herrscher bis zum Ende des Investiturstreites zukam (zum Teil hatten sie eine Vorreiterrolle), beschreibt Sch. im Teil B seines ersten Kapitels. Das zweite Kapitel gibt einen Überblick über die inhaltlichen Festlegungen der Sonn- und Feiertagspflicht (Pflicht zum Gottesdienstbesuch, Einhalten der Arbeitsruhe) von der Zeit des Liber Extra Gregors IX. (1234) bis zu den Feiertagsregelungen Urbans VIII. (1642). In diese Zeit fällt auch die Einordnung der Messpflicht unter die fünf Kirchengebote, die Applikationspflicht der Pfarrer (Trient) sowie die partikularkirchliche Erweiterung von Feiertagen (zum Teil gab es, wie Sch. belegt, bis zu 150 arbeitsfreie Tage pro Jahr) und der Versuch, diesen Abusus gesamtkirchlich einzuschränken.

Das dritte Kapitel ist der Zeit von 1642 bis 1911 (Neuordnung der Feiertagsregelungen von Pius X.) sowie den in dieser Zeit zunehmenden weltlichen Bestimmungen zum Feiertagsrecht gewidmet. In dieser Zeit kam es zur Unterscheidung von gebotenen Feiertagen (Messpflicht, Arbeitsruhe) und von so genannten "Halbfeiertagen" (an denen man nach dem Messbesuch arbeiten durfte, ohne zu sündigen), was den Akzent der Sonn- und Feiertagspflicht mit der Zeit vornehmlich auf die Messpflicht legte.

Nach der Reformation, insbesondere dann im 18. und 19. Jh. nahmen die Regelungen der staatlichen Autoritäten zu, welche Feiertage staatlich geschützt wurden und in welcher Form dieser Schutz erfolgte (das betrifft vor allem das Einhalten der Arbeitsruhe). Sch. zeigt diese Entwicklung insbesondere in den deutschsprachigen Ländern detailliert auf.

Im vierten Kapitel schließlich wird die geltende Rechtslage beschrieben, und zwar in Teil A die gesamtkirchlichen Bestimmungen der Codices von 1917 und 1983, in Teil B die partikularrechtlichen Ausgestaltungen dieses Rahmenrechtes und in Teil C die staatlichen Festlegungen. Letztere konzentrieren sich auf Deutschland und auf die Schutzregelungen der Feiertage im EG- bzw. EU-Recht. Subtil zeichnet Sch. die deutsche Rechtsgeschichte auf, und zwar von der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 über die Weimarer Reichsverfassung von 1919, das Grundgesetz von 1949, die Länderverfassungen und die Rechtslage in der früheren DDR. Nach der Darstellung des EG- bzw. EU-Rechtes ist Teil D dieses Kapitels noch den Bestimmungen über das Feiertagsrecht in den Kirchenverträgen/Konkordaten gewidmet. Die innerkirchliche Entwicklung der Gegenwart ist natürlich auch geprägt von der Frage der liturgischen Gestaltung von Sonn- und Feiertagen (Wortgottesdienste von Diakonen und Laien, Anpassung an die Reise- und Freizeitgewohnheiten der Menschen usw.).

Die Arbeit endet mit einer Reflexion über die bleibende kulturgeschichtliche, anthropologische und religiöse Bedeutung von Sonn- und Feiertagen. Hier knüpft Sch. an seine Situationsbeschreibung zu Beginn an. In dieser Reflexion zeigt er auf, wie sehr der staatliche Schutz der besonderen Tage abhängig ist vom tatsächlichen Begehen oder Nichtbegehen dieser Tage durch die Menschen. Auch dies gilt es festzuhalten, wenngleich es richtig ist, dass die Feiertage, vor allem der Sonntag, für die Kirche, "unverzichtbare Tage" (Papst Johannes Paul II.) sind, die 2000 Jahre lang das christliche Europa geprägt haben.

Die Arbeit basiert auf einem fundierten Quellen- und Literaturmaterial, ist gut durchstrukturiert und ansprechend im Sprachstil. Die Aktualität des Themas ist unstrittig. Man liest die Arbeit mit großem Gewinn. Sch. ein herzliches Gratulor!