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Ausgabe:

September/2005

Spalte:

1008–1010

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schröder, Bernd

Titel/Untertitel:

Jüdische Erziehung im modernen Israel. Eine Studie zur Grundlegung vergleichender Religionspädagogik.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2000. 451 S. gr.8 = Arbeiten zur Praktischen Theologie, 18. Geb. Euro 48,00. ISBN 3-374-01817-3.

Rezensent:

Peter Schreiner

Brücken zwischen Religionspädagogik und Judentum schlägt die bearbeitete Fassung der Habilitationsschrift Bernd Schröders für das Fach Praktische Theologie, angenommen von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Sie spiegelt die wissenschaftlichen Kompetenzen Sch.s in der Evangelischen Theologie wie auch in der Judaistik und setzt Merk- und Orientierungspunkte für eine notwendige, vergleichende Religionspädagogik. Die Studie ist als impliziter Vergleich angelegt, der jüdische Erziehung im modernen Israel darstellt und (implizit) mit christlicher Erziehung bzw. Religionspädagogik in Deutschland vergleicht. Dies geschieht anhand der Leitfrage nach dem Umgang jüdischer Erziehung mit der Moderne am Beispiel der Sekundarschulen.

Der erste Teil des Bandes führt in die Fragestellung ein und reflektiert das Verhältnis vergleichender Erziehungswissenschaft und Religionspädagogik wie auch den Stand des jüdisch-christlichen Dialoges. Sch. gewinnt daraus seinen Rahmen für die eigene vergleichende Untersuchung.

Worauf zielt eine Studie im Rahmen vergleichender Religionspädagogik? Nach Sch. liegt ihr "weniger an einer objektivierend-vergleichenden Betrachtung religiöser Erziehung und ihrer Theorie gleichsam aus der Vogelperspektive, vielmehr läuft sie auf den direkten - je nach Themenstellung - internationalen, interkulturellen oder interreligiösen Austausch über die jeweils eigene religiöse Erziehung und ihre Theorie zu" (37 f.).

Der zweite, umfangreichste Teil legt eine historisch-hermeneutische fundierte Studie vor zur Geschichte jüdischer Erziehung und zur Situation jüdischer Erziehung in der (Sekundar-) Schule im gegenwärtigen Israel. Es folgen exemplarische Studien zur Theoriebildung.

Der dritte Teil fasst die "Erträge" zusammen, indem Sch. schulische jüdische Erziehung in Israel und christliche (insbesondere evangelische) Erziehung in Deutschland samt ihrer Theorien miteinander vergleicht.

Schließlich werden Überlegungen zur Vergleichbarkeit in einem Ausblick vorgestellt. Drei Anliegen ziehen sich als roter Faden durch die Studie:

1) den Gebrauchswert der Methode des Vergleichs für die Religionspädagogik zu belegen;

2) aufzuzeigen, dass der Vergleich christlich-religiöser Erziehung und ihrer Theorie gerade mit den entsprechenden Phänomenen seitens des Judentums sinnvoll ist;

3) der Umgang religiöser Erziehung und ihrer Theorie mit Herausforderungen der Moderne, dargelegt am Beispiel von Entwicklungen im zeitgenössischen Judentum, und die Parallelität seiner modernen Problemlagen mit denjenigen des Christentums in Deutschland.

Die Arbeit soll mit jüdischer religionspädagogischer Theoriebildung und Praxis jüdischer Erziehung bekannt machen. Insbesondere will Sch. folgenden Aspekt in das Bewusstsein der deutschen Fachvertreter rücken: "Die Dynamik von Entwicklungen im zeitgenössischen Judentum und die Parallelität seiner modernen Problemlagen mit denjenigen des Christentums in Deutschland auf dem Gebiet der Religionspädagogik" (19). Das geschieht unter der Annahme, dass die israelische Gesellschaft als "modern" charakterisiert werden kann.

Herausgefordert werden die Wissenschaftstheorie, speziell die Theorie über Religionspädagogik, durch die Forderung einer vergleichenden Religionspädagogik, die ein verändertes Verhältnis zu anderen Bezugswissenschaften impliziert, sowie das methodische und hermeneutische Repertoire religionspädagogischer Theoriebildung. Schließlich wird im Blick auf die Objekte der Religionspädagogik eine Ausweitung derselben gefordert.

Die Kriterien für eine vergleichende Religionspädagogik hängt Sch. mit Recht hoch. Er geht dabei von einem Verständnis aus, das Eckhart Failing bereits 1975 folgendermaßen formulierte: "Vergleichende Religionspädagogik meint jene Arbeitsweise, mit der Phänomene, Probleme und Begriff der religiösen Erziehung in unterschiedlichen geopolitischen und soziokulturellen Bereichen ... zum Gegenstand einer systematischen kritischen Analyse gemacht werden. Religionspädagogische Einsichten und Verfahren in unterschiedlichen Erziehungssystemen werden in der Absicht beobachtet und analysiert, um Aufschlüsse zu erhalten über die Bedingungen, unter denen sie funktionieren und sich fortentwickeln, über die ihnen zugrunde liegenden Zielvorstellungen und über ihre Wirkungen ... das Ziel dieser vergleichenden religionspädagogischen Analyse ist im weitesten Sinne, aus den gewonnenen Erkenntnissen Folgerungen für Theorie und Praxis von religiöser Bildung zu gewinnen." (zit. nach Sch., 25)

Bisherige Studien zur internationalen religionspädagogischen Theorie und Praxis ordnet Sch. allenfalls als "religionspädagogische Auslandskunde" ein (27), die ausschließlich deskriptiv verfährt und einer theoretisch-begrifflichen Rechenschaft entbehrt. Mit dieser Ausgangsposition, die nicht alle zum Zeitpunkt der Arbeit vorhandenen Studien würdigt, setzt Sch. für seine eigene Studie selbst hohe Maßstäbe. Dabei traut er den Erträgen bisheriger Vergleichender Erziehungswissenschaft zu, als "Vorlage zur konzeptionell-methodischen Verortung" seiner eigenen Studie dienen zu können.

Den vergleichenden Blick gilt es zu schärfen und einzuschätzen, mit welcher Zielsetzung er erfolgt. Es ist Sch. zuzustimmen, wenn es dabei nicht um die Beurteilung oder gar Verurteilung der jeweils nicht-eigenen Tradition geht, sondern darum, konstruktive Aufgaben für das eigene Denken und Handeln zu entdecken.

Zunächst sollte es darum gehen, die Besonderheiten des Eigenen und Übereinstimmungen mit dem Nicht-Eigenen klarer zu sehen, das meint die ideographische und die generalisierende Funktion. Sodann regt der vergleichende Blick zur schärferen Wahrnehmung eigener Schwächen (elenchthische Funktion) und zum Dialog mit den Vergleichspartnern an (dialogische Funktion). Schließlich kann der Vergleich auch handlungsorientierend für die eigene Praxis wirken.

An neun ausgewählten Vergleichspunkten setzt Sch. die beiden Kontexte miteinander in Beziehung. Sie reichen von der jeweils verwendeten Begrifflichkeit über geschichtliche Wurzeln, die Wahrnehmung von und Reaktion auf Modernisierung der Gesellschaft, Lernorte, Verhältnis von Schule (und Staat) zu Judentum bzw. Christentum, Organisationsform der religiösen Bildung in der Schule, bis zu Didaktik und Hermeneutik und Lernenden und Lehrenden und schließlich den Bezugswissenschaften und der wissenschaftstheoretischen Verortung. Dass sie so in systematisch-problemorientierter Hinsicht vergleichbar werden, heißt nicht, dass bestehende Unterschiede eingeebnet werden. Es heißt lediglich, eine Beziehungsebene zwischen unterschiedlichen, bisweilen auch ähnlichen Größen herzustellen bzw. wahrzunehmen.

Zukünftige vergleichende Studien können sich an dieser fundierten Arbeit im Blick auf die Vergleichspunkte wie an den schlüssig herausgearbeiteten Funktionen eines Vergleichs orientieren.