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Ausgabe:

September/2005

Spalte:

978–980

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Rumstadt, Almuth

Titel/Untertitel:

Margarete Ruckmich (1894-1985). Pionierin der hauptberuflichen Seelsorge durch Frauen.

Verlag:

Würzburg: Echter 2003. XIV, 322, A-R S. gr.8 = Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, 56. Kart. Euro 24,50. ISBN 3-429-02525-7.

Rezensent:

Gury Schneider-Ludorff

Seit die Historikerin Ursula Baumann zu Beginn der 1990er Jahre auf den Beitrag von Frauen in Kaiserreich und Weimarer Republik zur Professionalisierung sozialer Berufe aufmerksam gemacht hat, sind etliche Untersuchungen über die Rolle der Frauen im protestantischen Milieu entstanden. Mit der Freiburger Dissertation fügt sich ein weiterer Mosaikstein in das Bild ein, dessen Erforschung gerade im konfessionellen Bereich weiterhin Desiderat ist. Die Vfn. geht den Wurzeln eines katholischen Berufsfeldes nach, dem der Seelsorgehelferin, das seit 1974 die Bezeichnung Gemeindereferentin/Gemeindereferent trägt, nachdem 1969 erstmals Männer zur Ausbildung zugelassen wurden. Zur Zeit seiner Entstehung in den 20er Jahren des letzten Jh.s jedoch handelte es sich dabei um einen ausschließlich weiblichen Beruf - und nicht nur das, es war zugleich der erste hauptamtliche Beruf für Frauen im Bereich der katholischen Gemeindearbeit.

Ausgehend von der Biographie der Margarete Ruckmich (1894-1985), die 1928 in der Erzdiözese Freiburg mit dem "Seminar für Seelsorgehilfe" die erste Ausbildungsstätte für Seelsorgehelferinnen mitbegründet hat, zeichnet die Vfn. die Entwicklung dieses Berufsfeldes in seiner nunmehr über 70-jährigen Geschichte nach und weist auf die Bedeutung von Frauen in und für die hauptberufliche Seelsorge hin. Dabei ist es aus protestantischer Sicht aufschlussreich, dass die Ausbildung dieses Berufsfeldes zur selben Zeit einsetzte, als von evangelischen Theologinnen der Zugang zum Pfarramt gefordert wurde und auch hier - freilich mit anderer Akzentuierung - ein Frauenberuf neben dem des Priesters/Pfarrers um Durchsetzung rang, z. T. mit ähnlicher biblischer und theologischer Argumentation.

Die Arbeit ist in drei Kapitel gegliedert: Das erste Kapitel geht der Biographie Ruckmichs bis 1921 nach. Dabei gelingt es der Vfn., die biographischen Daten und die Neu-Aufbrüche in der Seelsorge wie die Forderung nach dem Laienapostolat und die ersten karitativen Einsätze Ruckmichs sinnvoll aufeinander zu beziehen. Mit der Schrift "Die katholische Gemeindehelferin" von 1925 erscheint die Programmschrift der Margarete Ruckmich, in der sie erstmals das Berufsprofil und Ausbildungskonzept der katholischen Gemeindehelferin konturiert: Als "hauptamtliche Hilfsarbeiterin" in der Gemeindeseelsorge empfängt sie vom Priester Handlungsanweisung und Aufträge. Sie soll Bindeglied zwischen Pfarrer und Gemeinde sein und ist dem Priester zu rückhaltsloser Loyalität verpflichtet (34). Dieses "Priestertum der dienenden Liebe" kann nach Ruckmich nur durch Frauen erfüllt werden, denn "es ist ihnen ja vom lieben Gott gegeben, still und hingebend zu sein und geduldig auszuharren, fein und sorglich nachzugehen und zurückzuholen, was sich verirren will, und sich in pfleglicher Liebe denen verbunden zu fühlen, die schwach und schutzbedürftig sind" (35). Mit diesem Rekurs auf die Geschlechterdifferenz und den Topos einer naturgegebenen - hier noch dazu theologisch untermauerten - "frauliche(n) Eigenart" (35), die von der bürgerlichen und konfessionellen Frauenbewegung jener Zeit stets ins Feld geführt wurde, wenn es darum ging, neue Berufe für Frauen durchzusetzen, warb Ruckmich in Verbindung mit der Unterordnung und der zölibatären Lebensform der Gemeindehelferin um die Zustimmung der männlichen Kirchenvertreter. Wegen der engen Verbindung mit der Sakramentsspendung, die auch heute noch als ein wichtiger Teil der Seelsorge verstanden wird - auch heute noch behielten sich einige Diözesen in Deutschland vor, dass der Titel "Seelsorger" ausschließlich Priestern vorbehalten bleibt, auch wenn eine solche Fixierung kanonisch nicht zu begründen sei (256 f.) - forcierte Ruckmich aus diesem Grund auch nicht die Bezeichnung "Seelsorgerin". Ausgangspunkt war die Hilfsarbeit, die sich über die Jahre zur Mitarbeit entwickeln sollte und dann als gleichberechtigte Seelsorge akzeptiert wurde (259). - Gemeinsam mit Wilhelm Wiesen (1889- 1980) gelang es 1928, das Projekt einer katholischen Gemeindehelferinnenschule in Freiburg in die Tat umzusetzen und damit langfristig Laienmitarbeiterinnen für einen Beruf in der Kirche auszubilden, die in einem gewissen Rahmen Verantwortung für eine Gemeinde übernehmen sollten.

Kapitel zwei, vom Umfang her mit knapp 200 Seiten das umfangreichste, zeichnet dann die Entwicklung des Berufes, des Aufbaus der Gemeindehelferinnenschule und die Berufsgemeinschaft katholischer Gemeindehelferinnen von 1926 bis ins Jahr 2000 nach. Der Schwierigkeit, einen solch langen Zeitabschnitt sinnvoll zu strukturieren und auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren, begegnet die Vfn. dadurch, dass sie jeweils als Einleitung zu den von ihr gewählten Zeitschnitten eine kurze historische Einordnung in die politische und die Situation der katholischen Kirche bietet und auf diesem Hintergrund die Entwicklungen des Berufsbildes und des Lehrplanes nachzeichnet.

Das letzte Kapitel verschränkt die Geschichte der Seelsorgearbeit von Frauen mit den beruflichen Erfahrungen der Vfn. Sie ist Pastoralreferentin, also Vertreterin der seit etwa 25 Jahren existierenden Berufsgruppe der Laientheologinnen und -theologen, zu deren Voraussetzung das Studium der Theologie gehört. Sie fragt nach den Impulsen, die sich im Blick auf die heutige Seelsorge in der katholischen Kirche aus dem Lebenswerk Ruckmichs ergeben, nach der Stellung der Frau, Frauen und Kirche, Frauen in der Seelsorge und dem Diakonat der Frau. Insgesamt konstatiert sie, dass innerhalb der römisch-katholischen Kirche durch den Einsatz der Gemeinde-/Seelsorgehelferinnen und heutigen Gemeinde- und Pastoralreferentinnen im Bezug auf die Akzeptanz von Frauen in der Gemeindearbeit sich bereits vieles gewandelt habe. Dennoch fehle im Blick auf Leitungs- und Führungsaufgaben im Moment die letzte Konsequenz, Frauen als wirklich gleichberechtigte Personen zu sehen und ihnen entsprechende Funktionen anzuvertrauen. "Von daher gilt es, sich weiter für die volle Gleichberechtigung von Frauen und Männern einzusetzen und nach Möglichkeiten und Orten zu suchen, wo diese innerhalb der kirchlichen Strukturen gemeinsam einander ergänzend ihren Platz finden. Denn beide - Männer und Frauen - sind zur Seelsorge berufen." (278)

Die Arbeit basiert auf der Auswertung reichhaltigen Quellenmaterials aus dem Archiv des Caritasverbandes und des Margarete Ruckmich-Hauses, das erstmals im Zusammenhang dieser Fragestellung systematisch ausgewertet worden ist. Das gehört ohne Frage zu den Vorzügen des Buches. Allerdings könnte man sich streckenweise noch tiefer gehende Analysen vorstellen.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Vfn. nicht nur eine "Pionierin" des Seelsorgeberufes von Frauen vorgestellt hat, sondern selbst Pionierin ist hinsichtlich des Schreibens einer Geschichte der Seelsorge aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive, die nicht nur ein Beitrag zur Geschichte der Professionalisierung sozialer Berufe, sondern auch einen Beitrag zur aktuellen Auseinandersetzung um Berufsperspektiven von Frauen in der römisch-katholischen Kirche darstellt.