Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2005

Spalte:

966 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Sozomenos

Titel/Untertitel:

1) Historia Ecclesiastica. Kirchengeschichte. Übers. u. eingel. v. G. Ch. Hansen.

2) 1. Teilbd.

3) 2. Teilbd.

4) 3. Teilbd.

5) 4. Teilbd.

Verlag:

1) Turnhout: Brepols 2004 = Fontes Christiani, 73/1-73/4.

2) 331 S. 8. Kart. Euro 35,42. ISBN 2-503-52126-6.

3) VI, S. 332-665. 8. Kart. Euro 35,42. ISBN 2-503-52128-2.

4) IV, S. 666-947. 8. Kart. Euro 32,62. ISBN 2-503-52130-4.

5) IV, S. 948-1164. 8. Kart. Euro 35,42. ISBN 2-503-52138-X.

Rezensent:

Gert Haendler

Der Herausgeber und Übersetzer Günther Christian Hansen hat gemeinsam mit Kurt Treu ( 1991), Ursula Treu ( 2000), Jürgen Dummer und Friedhelm Winkelmann in DDR-Zeiten die Arbeit an der von Harnack begründeten Kirchenväterausgabe "Griechische Christliche Schriftsteller" beharrlich fortgesetzt. Für Sozomenos ist H. der beste Kenner: Er brachte 1960 den von Josef Bidez konstituierten Text der Historia ecclesiastica in revidierter Form heraus. Diese Edition erfuhr 1995 eine 2. Auflage. H. kann fast beiläufig sagen, der Sozomenos-Text sei ihm seit 45 Jahren vertraut (73). Der jetzt vorgelegte Text bringt zahlreiche Veränderungen, die im Apparat kenntlich sind. H. hofft, "daß es durchweg Verbesserungen im Sinne der Wiedergewinnung des Originaltextes sind" (73).

Die Einleitung berichtet vom Leben und Werk des Salamanes Hermeias Sozomenos, der in drei Sprachen heimisch war: der griechischen, der aramäischen sowie in der lateinischen Amts- und Literatursprache (9). Er wurde kurz vor 380 in einer christlichen Familie geboren. Mönche haben ihn gelehrt und auch durch ihren sozialen Einsatz beeindruckt. Sie boten ihm eine gute Allgemeinbildung, dort gab es schon "eine sehr individuell gestaltete Alternative zum Curriculum des staatlichen Bildungswesens" (14). Der Lobpreis des Mönchtums durch Sozomenos in I/12 (142-149) ist nach H.s Urteil das schönste Kapitel, das er geschrieben hat (15). Sozomenos hat jedoch Jura studiert und ist viel gereist, u. a. nach Syrien, Palästina, Ägypten und Rom (23). Er kannte die Stätten der frühen Kirche aus eigener Anschauung. Nach 425 wurde er in der Hauptstadt Konstantinopel Rechtsanwalt.

Der Anwalt wurde bald zum Kirchengeschichtsschreiber. Sozomenos schrieb von einem "gottgewollten, unerwarteten Umschwung in der ganzen Welt" (I,1,11). Es geht um einen "nicht von Menschen geschaffenen Stoff" (I,1,12). Für die älteste Zeit nennt er Darstellungen von Clemens, Hegesipp, Africanus und Euseb. Für die dann folgende Zeit will er "mit Gottes Hilfe die darauf folgenden Ereignisse zu erzählen versuchen" (I,1,13). Sozomenos sagt nichts über die Darstellungen des Socrates und Rufin, die ihm vorgelegen haben müssen. Er will Vorgänge erwähnen, bei denen er zugegen war oder die er von Kennern oder Augenzeugen gehört hat. Über die schon etwas zurückliegenden Ereignisse sagt er: Das Wissen "habe ich mir aus den bezüglich der Religion erlassenen Gesetzen sowie aus den jeweiligen Synoden und häretischen Neuerungen und aus den Briefen von Kaisern und Bischöfen geholt, die zum Teil noch in den kaiserlichen Residenzen und den Kirchen aufbewahrt werden, zum Teil verstreut bei den Gelehrten zu finden sind" (I,1,13).

Sozomenos stellt die Kaiser ausführlich dar, er weiß um die Rolle Konstantins (I,1,2-I,1,9). Danach berichtet er in I,1,10-I,1,14 jedoch ebenso gründlich über das "Wirken der Bekenner und anderer bedeutender Christen, vor allem der Mönche" (39). Diese beiden Teile haben fast die gleiche Länge. H. vergleicht die Darstellung des Sozomenos mit der des Socrates: "Nicht nur kompositorisch hat Sozomenos ein ausgewogenes Ganzes geschaffen, sondern auch inhaltlich eine wesentliche Ausweitung und ein klareres Bild erreicht" (39). Sozomenos führt bis zum Jahr 422, vermutlich ist er über seiner Arbeit gestorben, denn sie ist nicht abgeschlossen, wie auch ein Überblick über die Gliederung des Werkes zeigt (51). Die Sozomenos zur Verfügung stehenden historischen Quellen werden besprochen: Socrates, Rufin, Gelasius, Euseb, Athanasius, Mönchsgeschichten, Märtyrerakten, Gesetze, Urkundensammlungen, Olympiodor, nicht erhaltene Quellen (Zosimus, Eunap u. a.), mündliche Traditionen und eigene Erlebnisse (52-60). Die Untersuchungen zu Sprache und Stil führen H. zu dem Urteil: "Sozomenos versteht lebendig und klar zu erzählen" (63).

Die Rezeptionsgeschichte beginnt bei Theodoret von Cyrrhus, der sich zwischen 444 und 450 "daran machte, seine eigene klerikale Version der Kirchengeschichte bis 428 darzulegen" (65). Kurz nach 500 übernahm Theodorus Lector Teile der Kirchengeschichte des Sozomenos (67). Um 560 ließ Cassiodor die lateinische "Historia tripartita" herstellen, die auch das Werk des Sozomenos mit verarbeitete. Sie ist in 138 mittelalterlichen Handschriften überliefert. Dagegen ist die Überlieferung des Sozomenos in griechischen Handschriften "leider spärlich und spät. Nur drei im 13. oder 14. Jahrhundert entstandene Papierhandschriften haben selbständigen Wert" (69 f.). Die Editio princeps erschien 1544 in Paris, zu nennen sind Ausgaben von Henri de Valois (Paris 1628) und Robert Hussey (Oxford 1860). Übersetzungen in französischer, englischer und polnischer Sprache liegen vor (71). H. biete die erste Übersetzung in die deutsche Sprache, über die er sich ausführlich äußert - mehr als alle Autoren der früheren Bände (53-82).

H. hat auf einen Vergleich mit lateinischen, französischen oder englischen Übersetzungen verzichtet, "von einigen strittigen Stellen abgesehen" (76). Die ersten vier Paragraphen bietet er dreispaltig: Die lateinische Übersetzung in Cassiodors Historia tripartita steht neben einer neuhochdeutschen Übersetzung des Wiener Augustiners Leopold Stainreuter von 1385 und einer Übersetzung des Humanisten Hedio von 1545 (78-80). Von den vielen Details seiner Übersetzung sei nur ein Beispiel genannt: H. bittet um Nachsicht, dass er gelegentlich umgangssprachliche Ausdrücke benutze, "etwa in der Gaunergeschichte 7,27,7 Kumpel für Hetairon", da Gefährte, Freund, Intimus, Partner, Kamerad nicht passend erschien (76 zu 940 f.). Das Beispiel zeigt, mit welcher Sorgfalt H. über die passende Übersetzung nachgedacht hat. Der Reihe Fontes Christiani kann man nur wünschen, dass sie bald weitere Bände in dieser hohen Qualität herausbringen kann.