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Ausgabe:

September/2005

Spalte:

963–965

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Daley, Brian E.

Titel/Untertitel:

The Hope of the Early Church. A Handbook of Patristic Eschatology.

Verlag:

Peabody: Hendrickson 2003. XIV, 303 S. gr.8. Kart. £ 17,99. ISBN 1-56563-737-2.

Rezensent:

Susanne Ruge

Einen breiten Überblick "based on all available Patristic texts that deal with eschatological themes" (XI) möchte Brian E. Daley in seinem "Handbook of Patristic Eschatology" bieten. Dieses Vorhaben löst er ein. Anfangend bei den "Apostolischen Vätern" und den jüdisch-christlichen Gruppierungen des 2. Jh.s reicht D.s Studie bis zu Gregor dem Großen und Johannes Damascenus. Die lateinischen und griechischen Kirchenväter werden ebenso behandelt wie Autoren aus dem syrischen, armenischen und koptischen Bereich der patristischen Literatur. Die Studie ist breit angelegt und dennoch nicht ausufernd. Im Stil eines Nachschlagewerkes werden die wesentlichen Aussagen der einzelnen Schriftsteller zur Eschatologie anhand der Quellen referiert, wobei manchem Autor nur ein oder zwei Absätze, den bedeutenderen, wie etwa Augustin oder Origenes, mehrere Seiten gewidmet sind. Diese Kapitel bestehen weitestgehend aus Kurzparaphrasen der untersuchten Quellen, was dem Anspruch D.s, ein Handbuch zu schreiben, entspricht. Da dies aber auch die Gefahr der Verkürzung impliziert, ist es zu begrüßen, dass ein ausführliches Literaturverzeichnis, gründliche Quellennachweise und ein Index die vertiefende Auseinandersetzung mit der Eschatologie der einzelnen Denker ermöglichen. Es handelt sich also um ein Handbuch im besten Sinne!

Entstanden ist das Werk im Zusammenhang mit dem "Handbuch zur Dogmengeschichte", das seit über 20 Jahren bei Herder erscheint. 1986 erschien ein großer Teil der Studie als "Band IV. Faszikel 7a: Eschatologie: In der Schrift und Patristik" zunächst auf Deutsch. Im Einverständnis mit dem Herder-Verlag veröffentlichte D. dann im Jahre 1991 das englische "Handbook", das über ein wesentlich ausführlicheres Literaturverzeichnis und einen Index verfügt, weitere Autoren und Schriften sowie ein zusammenfassendes Schlusskapitel mit aufnehmen konnte. So finden sich in der englischen Version nun z. B. auch Abschnitte zu Euseb von Caesarea, Athanasius, Leo dem Großen oder zu christlichen Dichtern wie Prudentius oder Commodian u. a. Dass nun eine verbesserte und um einige Literaturangaben erweiterte Neuauflage als Paperback erscheint, ist erfreulich, da das Werk seit einigen Jahren vergriffen war und eine ähnlich umfangreiche Studie zu diesem Thema mir nicht bekannt ist.

In seinem Schlusskapitel versucht D. trotz der vielen Facetten "of a rapidly developing, increasingly detailed Christian view of human destiny" (216) auf wenigen Seiten grundlegende Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen eschatologischen Ansätze zusammenzufassen (216-224). Die christliche Hoffnung wurzele im Glauben und wandele sich von der konkreten Hoffnung auf Bewahrung im Chaos der nahe bevorstehenden Endzeit zur Hoffnung auf individuellen Frieden, den der Einzelne nach seinem Tod bei Gott findet. Dabei zeigten sich in der altkirchlichen Literatur nur wenige Ansätze der im Neuen Testament zu findenden "präsentischen Eschatologie". Vielmehr überwiege eine Haltung, die D. als Realismus bezeichnet: "The Christian lives in hope within history" (218). Während im Osten, wo Heiligung als Vergöttlichung verstanden wird, die Hoffnung eher darin bestehe, dass der Christ sich diesem Heilsplan Gottes z. T. schon zu Lebzeiten annähere, versuche man im Westen eher eine Antizipation des Heils in der irdischen Geschichte der Kirche und der Welt zu finden. Ausgehend von Augustins Rede von den zwei civitates setze sich jedoch für die lateinische Theologie das Paradigma des irdischen Lebens als einer Pilgerschaft auf dem Weg zur himmlischen Stadt durch.

Gemeinsam seien allen patristischen Texten die lineare Sicht auf die Geschichte, die Vorstellung einer Auferstehung des Leibes (wie ausführlich auch immer das erklärt werden muss) und die Erwartung eines universellen Weltgerichts, dem allerdings seit Tertullian zunehmend eine Art Interims-Phase vorangestellt werde, die davon ausgeht, dass der Einzelne bereits bei seinem Tod einen sein endgültiges Schicksal antizipierenden Richterspruch erhalte. Ab dem 4. Jh. werde die Rede von der ewigen Glückseligkeit zunehmend im Sinne eines Bei-Gott-Seins des Menschen nach seinem Tod verstanden, die Verdammnis entsprechend als das Nicht-Vorhandensein einer solchen Verbindung. Implizit oder explizit gehe die altkirchliche Literatur davon aus, dass die Toten weiterhin teilhaben am Leben der Kirche, sei es durch ihre Fürbitte für die Lebenden bei Gott, sei es durch die Gebete der Lebenden für die Toten.

Umstritten blieben während der ganzen Zeit der Alten Kirche die Fragen nach Nähe und Ferne des Weltendes, wie man sich die Auferstehung des Leibes denn nun genau vorzustellen habe und ob es eine apokatastasis panton geben werde. Letztere wird in verschiedenen Formen von Origenes, Gregor von Nyssa und Evagrius vertreten, während etwa Augustin annimmt, dass es eine große Zahl nicht erlöster Menschen geben werde. Daran schließt sich die Frage an, ob nach dem Tod noch Einflussmöglichkeiten auf die Erlösung bestehen, sei es durch eine jenseitige Weiterentwicklung der Seelen hin zur Einheit mit Gott (Gregor von Nyssa) oder durch eine Zeit der Reinigung von den Sünden (Origenes). Dieses Thema ist durch die ganze weitere Kirchengeschichte hindurch stark kontrovers diskutiert worden.

Angesichts der immensen Arbeit, die D. geleistet hat, indem er flächendeckend Texte auch der weniger bekannten Kirchenväter untersucht hat, ist es verständlich, dass manche neueren Forschungsergebnisse zu den einzelnen Autoren noch keine Berücksichtigung finden, wie etwa die Frage von Tertullians Zugehörigkeit zu den Montanisten, die schon seit längerem umstritten ist. Abgesehen davon bietet das Werk einen breiten, gründlich an den Quellen dargestellten Überblick über die Eschatologie der Alten Kirche in einem gut lesbaren Stil.

Sowohl für Studierende, die einen knappen Überblick über die altkirchlichen Vorstellungen zu der Frage nach den letzten Dingen erhalten möchten, als auch für Wissenschaftler, die einen ersten Einstieg für weitere Forschungen suchen, stellt D.s Studie eine lohnende Lektüre dar.