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Ausgabe:

September/2005

Spalte:

962 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Augustin

Titel/Untertitel:

Contra Academicos (Vel des Academicis). Buch 1. Einleitung u. Kommentar v. K. Schlapbach.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2003. VIII, 254 S. gr.8 = Patristische Texte und Studien, 58. Lw. Euro 74,00. ISBN 3-11-017811-7.

Rezensent:

Martin Claes

Nachdem die Kommentarbände über Augustins Frühdialog Con- tra Academicos Bücher 2 und 3 (Th. Fuhrer) bereits eher erschienen sind (siehe die Besprechung zum Kommentar der Bücher 2 und 3: J. Lössl, ThLZ 123 [1998], 261), liegt jetzt auch die Einleitung und der Kommentar über das erste Buch des Contra Academicos von Karin Schlapbach vor .

Augustin schrieb diesen Dialog im Jahr 386, als er sich mit seinen Schülern, einigen Freunden und seiner Mutter aufs Land in Cassiciacum zurückgezogen hatte. Die Gesellschaft hat sich konform der Tradition der Vita otiosa der Philosophie gewidmet. Andere Dialoge, die Augustin in dieser Periode geschrieben hat, sind De beata vita und De ordine. In diesen (fiktiven) Gesprächen üben sich die Teilnehmer in den Grundregeln des philosophischen Gesprächs, die sie auch zum Glücklichen Leben führen sollten. Augustin stellt sich mittels der Wahl dieser literarischen Gattung des Dialoges in die Reihe einer langen philosophischen Tradition (Plato), die es ermöglicht, verschiedene Positionen miteinander diskutieren zu lassen und Themen von verschiedenen Seiten mit Hilfe von Argumenten zu beleuchten.

Das Hauptthema von Contra Academicos ist die Frage, ob Wahrheitssuche notwendig ist für das Glück (Buch 1) und ob Erkenntnis der Wahrheit tatsächlich in diesem Leben möglich ist (Buch 2 und 3). Augustin scheint sich in Contra Academicos damit gegen die Skeptiker zu richten, die seit dem Hellenismus die These verteidigen, dass es nicht möglich ist, die Erkenntnis der Wahrheit zu erwerben.

Karin Schlapbach hat den Kommentar zum ersten Buch des Contra Academicos verfasst. Sie hat ihn in sechs Teile gegliedert, die jeweils mit einer Einführung versehen sind. Für die Besprechung von Datierung, Gesprächsteilnehmern, Ort und Szenerie, Historizität, Sprache und Stil der Textüberlieferung verweist sie auf die bereits erschienenen Bände. Schlapbach benutzt als Text die Edition von W. M. Green (CCL 29).

Die Texte werden von Schlapbach mit ausführlichen Kommentaren versehen - per Satz, Satzteil - unter Angabe der Zeilenzahlen der Green-Edition und lateinischer Stichworte. Sie kommentiert sehr detailliert und zitiert ausführlich antike und frühchristliche Quellen, die Augustin buchstabengetreu oder eher frei referierend zitiert. Auch verweist sie in ihrem Kommentar auf rezensierte Literatur. So positioniert sich Schlapbach in ihrem Kommentar auch im Umfeld der Augustin-Forschung. Hiermit erweist sie Forschern einen großen Dienst, und der Kommentarband wird zu einer Fundgrube. Er ist mit einer ausführlichen Bibliographie und Inhaltsverzeichnis versehen und wird so zu einem ausgezeichneten Instrument für Augustin-Forscher.

In ihrer Einleitung hebt Schlapbach das Verhältnis zwischen Augustins Contra Academicos I und Ciceros Hortensius hervor. (In seinen Confessiones erzählt Augustin, wie er durch das Lesen dieses Werkes zur Philosophie bekehrt wurde: Conf. III.7.) Schlapbach zeigt in Tabellen, wie Augustin in Contra Academicos I den Auftrag zur Philosophie Ciceros zitiert und in seinem Text verwendet. Sie macht deutlich, das Contra Academicos I durch diese Thematik auch im Genre des Auftrages zur Philosophie steht.

Nach Schlapbach ist der Dialog vor allem auch eine Übung für die Teilnehmer der Diskussion (9), wobei Ciceros Hortensius "die Diskussionsgrundlage von Licentius und Trygetius bildet" (14). Dieses Element der Übung ist vor allem interessant, weil dadurch Contra Academicos I in die philosophische Tradition der "geistlichen Übung" eingereiht wird. Philosophie wird auf diese Weise ein konkreter, zum Glück führender Lebensvollzug (124).

Wie Schlapbach auch in ihrem Kommentar zu I.22 erwähnt, ist solche geistliche Übung mit dem antiken Begriff der Selbsterkenntnis verbunden, wobei Selbsterkenntnis Voraussetzung für die Wahrheitserkenntnis ist (192). Ihre Kommentare umfassen teils theologisch-philosophische Anmerkungen, aber auch oft detaillierte philologische Erwägungen und Hinweise. Damit wird der Band nicht nur für Patristiker interessant, sondern auch für diejenigen, die an Sprache und Philologie interessiert sind.

Obwohl die Einleitung mit Kommentar für Augustin-Forscher, vor allem für diejenigen, die sich mit den Frühschriften Augustins beschäftigen, sehr wertvoll oder sogar unentbehrlich ist, ist der Kommentar nicht nur wegen des speziellen Inhalts, sondern auch wegen der gewählten Struktur etwas hermetisch. Es wäre zum Beispiel eine große Hilfe für den Leser gewesen, mindestens einen integralen (lateinischen) Text des ersten Buchs Contra Academicos im Band zu finden. Das wäre umso wünschenswerter, weil Schlapbach im Kommentarteil nur mit Zeilenzahlen und (lateinischen) Stichwörtern an den Augustin-Text erinnert.

Gegenüber diesem kleinen Manko steht, dass die jedem Textabschnitt vorangestellte Einleitung sehr inhaltsreich und zutreffend ist und dem Leser wirklich hilft, sich innerhalb von Text und Kontext Augustins zu orientieren. Hoffentlich folgen nach diesem Beispiel auch Kommentare der anderen Cassiciacum-Dialoge Augustins!