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Ausgabe:

September/2005

Spalte:

958 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schlosser, Jacques [Ed.]

Titel/Untertitel:

The Catholic Epistles and the Tradition.

Verlag:

Leuven: University Press; Peeters 2004. XXIV, 569 S. gr.8 = Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium, 176. Kart. Euro 60,00. ISBN 90-5867-410-X (University Press); 90-429-1477-7 (Peeters).

Rezensent:

Karl-Wilhelm Niebuhr

In Anbetracht ihrer weit gehenden Vernachlässigung durch die exegetische Forschung im 20. Jh. erscheint es bemerkenswert, wenn die Katholischen Briefe am Beginn des 21. Jh.s innerhalb weniger Jahre zum Gegenstand institutionell verankerter Forschung in den drei derzeit wohl bedeutendsten internationalen bibelwissenschaftlichen Organisationen geworden sind. Seit 2001 gibt es im Rahmen der jährlichen Kongresse der Studiorum Novi Testamenti Societas ein Forschungsseminar "Katholische Briefe und Aposteltraditionen" (Leitung: E. Baasland, K.-W. Niebuhr, R. W. Wall). Mit dem Annual Meeting der Society of Biblical Literature in Philadelphia nimmt im Jahr 2005 eine neue Programmeinheit der SBL unter dem Titel "Methodological Reassessment of the Letters of James, Peter, and Jude" ihre Arbeit auf (Leitung: J. S. Kloppenborg, R. L. Webb). Und im Jahr 2003 stand das traditionsreiche Colloquium Biblicum Lovaniense unter dem Thema "The Catholic Epistles and the Tradition" (Leitung: J. Schlosser).

Der vorliegende Band präsentiert in gewohnt kompakter Gestalt die Arbeitsergebnisse des 52. Löwener Kolloquiums. Indizes der modernen Autoren und der antiken Quellen erleichtern deren Erschließung (537-569). Auf eine Einführung des Präsidenten und Herausgebers, der die folgenden Beiträge knapp charakterisiert (XIII-XXIV), folgt sein Präsidialvortrag als umfassende Darlegung der Fragestellungen, die nach seiner Sicht die Erforschung der Katholischen Briefe künftig bestimmen sollten (J. Schlosser, Le corpus des Épîtres catholiques, 3-41). Als bemerkenswert hatte er schon im Vorwort notiert: "une nouvelle manière de voir est en train de se développer, qui considère ces petites lettres dans le groupe qu'elles constituent de facto" (VII). In seinem Vortrag entfaltet er dies nach zwei Richtungen: Zuerst stellt er unter Berücksichtigung der jüngsten Diskussion die Herausbildung eines Corpus von sieben Katholischen Briefen bis zum 4. Jh. n. Chr. dar. Anschließend fragt er nach literarischen und theologischen Verbindungslinien, die dieser Schriftengruppe ein eigenständiges Profil innerhalb des neutestamentlichen Kanons geben.

Noch stärker betont solche theologischen Verbindungslinien zwischen den Katholischen Briefen der zweite den Einzelbeiträgen vorangestellte umfassende Aufsatz von R. W. Wall (A Unifying Theology of the Catholic Epistles. A Canonical Approach, 43-71). Wall betrachtet das Korpus der sieben Briefe als eine im Rahmen der "Endredaktion" des neutestamentlichen Kanons im 4. Jh. bewusst zusammengestellte Einheit, an deren Spitze der Jakobusbrief gestellt worden sei, um mit ihm gewissermaßen die theologische Tiefenstruktur für das gesamte Korpus vorzugeben und damit zugleich innerhalb des Kanons ein theologisches Gegengewicht zum paulinischen Briefkorpus zu schaffen. Durch Verbindung mit der Apostelgeschichte, die zu gleicher Zeit ihren kanonischen Platz fand, erhielten zudem die Katholischen Briefe einen narrativen Kontext in der Gesamtgestalt des Kanons. Anhand zentraler theologischer Themen, die er jeweils ausgehend vom Jakobusbrief durch das Korpus der Katholischen Briefe hindurch verfolgt, versucht Wall schließlich in durchaus differenzierter Weise, die theologische Tiefenstruktur ("a grammar for a unifying theology of the CE collection", 60-71) der Briefsammlung als ganzer darzustellen.

Angesichts dieser starken Herausstellung der Sammlung der Katholischen Briefe als einer profilierten Einheit innerhalb des Neuen Testaments in den einleitenden Hauptbeiträgen fällt freilich auf, dass die folgenden 23 Einzelstudien diese Vorgaben kaum aufnehmen. Angeordnet sind sie ganz konventionell nach kanonischer Reihenfolge: neun Beiträge zum Jak (R. J. Bauckham, J. S. Kloppenborg, W. Popkes, M. Konradt, B. T. Viviano, P. Keith, P.-A. Bernheim, C. Marucci, J. P. Yates), sechs zum 1Petr (R. Feldmeier, F. Vouga, E. Norelli, S. A. Fagbemi, F. J. van Rensburg, D. Rudman), drei zum 1Joh (M. Morgen, H.-J. Schmid, S.Witetschek; 2/3Joh fehlen), und ebenso konventionell im Sinne der bisher üblichen exegetischen Ansätze erscheint die Zusammenfassung von 2Petr und Jud zu einer einzigen Rubrik mit fünf Beiträgen (P. H. Davids, R. Hoppe, L. Thurén, V. Koperski, M. Trimaille). Der reichhaltige exegetische und theologische Ertrag all dieser Studien kann hier nicht einmal angedeutet werden. Er wird auf jeden Fall den Schwung, den die Erforschung der Katholischen Briefe derzeit aufnimmt, verstärken.