Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2005

Spalte:

936 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Janthial, Dominique

Titel/Untertitel:

L'oracle de Nathan et l'unité du livre d'Isaïe.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2004. XIV, 353 S. gr.8 = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 343. Lw. Euro 98,00. ISBN 3-11-018183-5.

Rezensent:

Peter Höffken

Diese Arbeit, eine Dissertation aus Brüssel, bei J.-P. Sonnet geschrieben, gehört in jene Richtung der Interessenahme am Buche Jesaja, die eine Ganzlektüre des Buches favorisiert. Für diese Lektüre soll 2Sam 7 mit dem Miteinander der Motive "Haus" für Familie/Dynastie und Tempel/Haus Jahwes eine Art Schlüssel, "roten Faden" (20 u. ö.) oder auch Hintergrund (23) liefern, der bei der Lektüre des Buches zu beachten ist. Konkret heißt das, dass mit dem Motiv "Haus" in dieser Dopplung von Familie und Gebäude verbundene Aussagen zu beachten sind, die um das Phänomen des (Haus/Familie-)Bauens kreisen. Dies hebt die Einleitung, 1 ff., vor allem 18 ff. (Genèse d'une méthode), hervor. Dabei sind bei dieser "Motiv"-Suche zusätzlich vor allem Arbeiten von R. Lack (La symbolique du livre d'Isaïe, 1973) und F. Rosenzweig (Das Formgeheimnis der biblischen Erzählungen, in: Kleinere Schriften, 1937, 167 ff.) zu beachten.

Das Programm wird in einem gegliederten Durchgang durch das Buch Jes durchgeführt. Dabei gliedert sich das Buch dann in verschiedene Abschnitte, von denen der 1. Abschnitt in 1,1- 2,5- als einleitendes Panorama verstanden (26 ff.) - wenig problematisch ist. Im 2. Abschnitt (betitelt als der König in seinem Haus) in 2,6-6,13 ist die Zuordnung von Kapitel 6 zum Vorangehenden schon auffälliger (56 ff.); dem schließen sich 7-12 als Das Haus Davids und die Tochter Zion an (88 ff.). 13-23 thematisieren den Ansturm der Völker gegen das Haus des Herrn (153 ff.), während 24-33 Reinigung und Heil für die Weltbewohner und die Stadt Davids beinhalten (184 ff.).

Der weitere Großabschnitt 34-46 (erneuerte Hoffnung) umfasst natürlich die Unterabschnitte 34 f.; 36-39 und 40-46 (214 ff.), um dann durch einen letzten Großabschnitt 47-66 abgeschlossen zu werden, wo es um ein Haus des Gebets für alle Völker geht (278 ff.). Dass das aber vielleicht doch alles nicht so stringent gemeint sein muss, zeigt die Auflistung der Textmarkierungen (balisage textuel, 322-328), die wieder teilweise mit anderen Abgrenzungen und thematischen Angaben arbeitet. Mit wieder neuen Akzentuierungen wartet die abschließende Partie "La structuration des parties" auf (329-331), in der z. B. die Kapitel 34-39 nun als eigener Teil abgehoben werden ("La maison de David obstacle au pèlerinage des nations") und in den Kapiteln 40-46 die Finsternis der Idolatrie dem Licht der Völker gegenübergestellt wird. Auf der anderen Seite bedient sich die neue Angabe zu 56-66 stärker der 2Sam-7-Logik: "Maison de notre sainteté ou maison de ta sainteté".

Ich muss sagen, dass mich dieses Vorgehen nicht überzeugt. Was J. zusätzlich zu Kontrastbildungen im Buche Jes (ein ja im Alten Testament öfter verwendetes Mittel) an Stellen aufbietet, die den roten Faden 2Sam 7 dokumentieren sollen (vgl. dazu 314 f.), besteht aus mehr oder weniger wahrscheinlichen Einzeltexten, die J. mit 2Sam 7 in Verbindung sehen will. Das hier verwendete Verfahren bezeichnet J. als décryptage (314 u. ö.). Das ist wohl aufschlussreich, denn es scheint manchmal wirklich um die Entzifferung eines geheimen Codes zu gehen - z. B., wenn 40,22 f. (Stichwort "Zelt") mit 2Sam 7,6 verbunden wird. Nun ist dies ein recht extremes Beispiel. Bei anderen Texten (wie z. B. 55,3) kann man sicherlich unter anderem (!) an eine Nähe zu 2Sam 7 denken.

Ein Problem ist: Wir finden keine Analyse zu 2Sam 7, durch die die Behauptung, das Kapitel bilde einen roten Faden o. Ä., erhärtet würde. Die Paraphrase auf S. 309 versucht vergeblich, für 2Sam 7 einen universalen Bezug des Salomo-Tempels zu behaupten. Das hat Folgen. So wird schon in 2,1-5 (die Wichtigkeit dieses Abschnitts für das Gesamtbuch wird mit einer großen Zahl neuerer Arbeiten völlig richtig erkannt) deutlich, dass die Vorstellungen über den Tempel Jahwes bzw. des Gottes Jakobs völlig jenseits des Rahmens von 2Sam 7 liegen. Denn dort wird der Tempel, wie die Dynastie auch, rein innerisraelitisch gesehen. Der Bezug auf eine Völkerwelt liegt beim Tempel überhaupt nicht vor, bzw. bei David nur abgrenzend, bei seinen Nachkommen strafend eingreifend. Unklar bleibt hier 2Sam 7,19. Ferner taugt 2,1-5 nicht als Kriterium für das Versagen der Könige Ahas (Jes 7) und Hiskia (nach Jes 39). Denn die Einleitung von 2,2 redet ja von einer Zukunft ("am Ende der Tage", Elberfelder Bibel, "in den letzten Tagen", ZB), die (entgegen der Suggestion der Übersetzungen wohl unapokalyptisch gedacht) zeitlich jenseits der in 1,1 genannten Könige liegen muss.

Es wird so kein Kriterium für das Verhalten der Davididen gegeben, sondern von etwas rein zukünftig Eintretendem gesprochen. Entsprechendes gilt für die Auffassung zu Kapitel 39: Nach J. soll Hiskia hier durch die Erzählung einer endgültigen Kritik unterzogen werden, die darin besteht, dass er das Zeichen zum Aufstieg in den Tempel (37,22) mit den Babyloniern als Repräsentanten erwarteter Völkerzuwendung (39; 2,1-5) nicht wahrgenommen habe. Dazu passt wenig die Fragestellung im Munde des Jesaja ("Woher sind die Leute zu dir gekommen?", 39,3 f.). - Das bedeutet nun auch, dass gerade die das Buchganze bestimmenden Partien in Jes über die Zukunft des Tempels mit 2Sam 7 nicht in ein sinnvolles Verhältnis gesetzt werden können.

Dennoch ist zu sehen, dass J. das Gefälle der Verschiebungen zwischen 1-39 und 40-66 durchaus sinnreich in den Blick nimmt, z. B. wenn er mit anderen Autoren registriert, dass in diesem Gefälle auch die Könige aus Davids Geschlecht zunehmend aus dem Textfeld herausfallen und anderen Größen (Knecht Jakob/Israel, leidender Knecht) Platz machen, denen nun Erwartungen beigelegt sind, die einstmals mit dem davidischen Hintergrund messianischer Erwartung verbunden waren. Insofern wird die Erwartung einer dauernden Familie Davids hineingenommen in eine diese überschreitende und umgreifende Erwartung (wie 55,3-5 deutlich markiert), die in die neue Formation der "Knechte Gottes" gegossen wird, die von dem dtrjes "Knecht Gottes" her bestimmt sind.

Trotz der Kritik an der Gesamttheorie muss gesagt werden: In der Arbeit werden, und das betrifft dann charakteristischerweise engmaschigere Zusammenhänge, sehr gute und bedenkenswerte Beobachtungen angestellt. Dies betrifft u. a. die Interpretationen der einleitenden Vision in 1,1-2,5 auf dem Hintergrund von Dtn 32 f., ebenso auch die Wertung der "Wir"-Stimme im Buchganzen (vgl. 310 ff.) und andere mehr. Entsprechendes gilt für die Bezüge zum Psalmenbuch, 316 ff., die J. als von der Endfassung des Jesajabuches mit beeinflusst versteht. Es betrifft aber auch zahlreiche Einzelheiten im Buch, wobei ich hier nur auf die Behandlung der Thematik "Sohn/Söhne" in Jes 36-39 hinweise. Insofern wird man J.s Arbeit durchaus mit Gewinn studieren können, auch wenn man der Hauptthese kritisch gegenübersteht.