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Ausgabe:

Juli/August/2005

Spalte:

853–858

Kategorie:

Literatur- und Forschungsberichte

Autor/Hrsg.:

Otto, Eckart

Titel/Untertitel:

Altorientalische und biblische Rechtsgeschichte*

1964 erschien erstmals im renommierten "Handbuch für Orientalistik" ein Band zum orientalische Recht, der auf knapp 500 Seiten das Recht des antiken Ägyptens und das Keilschriftrecht unter Einschluss des hethitischen Rechts, aber auch das klassische islamische und das moderne Recht des "Orients" von der Türkei bis Marokko abhandelte.1 40 Jahre später erscheint erneut ein Band im "Handbuch für Orientalistik" zum orientalischen Recht mit einem Umfang von über 1200 Seiten, obwohl er sich im Gegensatz zu dem Band von 1964 nur auf das Recht des antiken Nahen Ostens beschränkt. Die Verzehnfachung des Umfanges der Darstellung des altorientalischen Rechts, in das allerdings erstmals das biblische Recht integriert wird, ist ein deutlicher Hinweis auf den Aufschwung, den die Beschäftigung mit der altorientalischen und biblischen Rechtsgeschichte, die sich zu eigenständigen Wissenschaftsprovinzen innerhalb der Rechtsgeschichte, der Altorientalistik und biblischen Exegetik emanzipieren konnten, gewonnen hat. Und wer dürfte als Herausgeber eines solchen Werkes international besser geeignet sein als Raymond Westbrook, der als Jurist und Keilschriftkundler mit zahlreichen Veröffentlichungen auch zum biblischen Recht eine eigens auf das altorientalische Recht spezialisierte Professur an der Johns Hopkins University in Baltimore wahrnimmt. Mit über 20 Autoren einen Überblick über drei Jahrtausende der Rechtsgeschichte des Fruchtbaren Halbmondes zu geben, stellt gegenüber der von den nur zwei Autoren E.Seidl und V. Korosec verfassten Zusammenfassung des altorientalischen Rechts von 1964 eine große Herausforderung für den Herausgeber dar, die zunächst nach seinem Verständnis der altorientalischen Rechtsgeschichte und der sich daraus ableitenden Konzeption des Bandes fragen lässt. Nur jemand, der das Augenmerk seiner Forschungsarbeit auf das den unterschiedlichen Rechtsgestalten des Alten Orients in ihrer Geschichte Gemeinsame richtet, ohne sich vorweg in den komplexen Alternativen von Rechtstransfer und unabhängigen Parallelentwicklungen zu verhaken, konnte eine derartige Aufgabe als Herausgeber übernehmen.

Der Herausgeber spricht von einer die gesamte Rechtsgeschichte des Fruchtbaren Halbmondes des Orients bis in das 1. Jt. v. Chr. umfassenden "common legal culture", die erst in den letzten Jahrhunderten dieses Jt.s durch griechische Einflüsse aufgelöst worden sei. Er gebraucht in diesem Zusammenhang auch den Begriff einer altorientalischen "Rechtsontologie", die in einem dem Alten Orient gemeinsamen Weltbild verankert sei.2

Davon ausgehend entwickelt der Herausgeber in einer umfangreichen Einleitung die Rubriken, unter denen die altorientalische Rechtsgeschichte der verschiedenen geographischen Räume und Zeiten dargestellt werden soll. Auf die Darlegung der Rechtsquellen sollen die unterschiedlichen Rechtsgebiete von Verfassungs- und Verwaltungsrecht ("constitutional and administrative law"), Prozessrecht ("litigation"), Personenrecht ("personal status"), Familienrecht ("family law"), Besitzrecht ("property"), Vertragsrecht ("contracts") und Strafrecht ("crime and delicts") folgen. Einen noch gesonderten Abschnitt erhält das Völkerrecht ("international law"). Der Herausgeber sucht in der Einleitung jeweils diese Rubriken zusammenfassend für den gesamten Alten Orient in ihrer "rechtsontologischen" Eigenart zu charakterisieren und auf diese Weise eine Summe des altorientalischen "common law" der Darstellung der einzelnen Epochen voranzustellen. Der Vorteil dieses Aufbaus des Handbuches ist es, dass er durch die Epochen hindurch den Rechtsvergleich erleichtert. Wer den Thesen des Herausgebers vom "common law" im Alten Orient nicht folgen will, kann sich auf diese Weise selbständig einen Überblick über Rechtsentwicklungen in den diachron durch die Zeiten und Räume quer gelesenen Epochen verschaffen. In diesem Sinne liefert das Handbuch aber keine Rechtsgeschichte, sondern nur eine Material- sammlung, auf die eine Rechtsgeschichte aufbauen kann.

Die Einleitung des Herausgebers zeigt, dass es nur unter Zusammenordnung disparater Quellen gelingen will, eine statische Summe des altorientalischen Rechts fast dreier Jahrtausende zu erheben. So ordnet er z. B. als Rechtsquelle die keilschriftlichen Rechtssammlungen mit und ohne Rahmung religiöser Legitimation undifferenziert zusammen und diese wiederum mit den biblischen Rechtssammlungen von Bundesbuch und Deuteronomium. Da aber das Kultrecht von vorneherein in diesem Handbuch als nicht zur altorientalischen Rechtsgeschichte gehörig von der Darstellung ausgeschlossen sein soll, wird das Bundesbuch auf Ex 21-22 und das Deuteronomium auf die Kapitel 15-25 mit Zentrum in Dtn 21-22 beschränkt, ohne dass dies trotz komplexer Forschungslage exegetisch begründet wird. Der ursprüngliche Kontext der Abfassung dieser biblischen "Kodizes" vor Einfügung in die Erzählkontexte sei, so der Herausgeber, unbekannt, wogegen er die altorientalische Rechtssammlung pauschal der Rechtsgelehrsamkeit zuschreibt. Hier wird ein Grundproblem des Handbuches sichtbar, das auf die Darstellungen der einzelnen Epochen durchschlägt. So richtig es ist, dass der Ausgangspunkt der Literaturgeschichte der keilschriftlichen Rechtssammlungen die Aneignung juristischer Kenntnisse im Rahmen der Schreiberausbildung ist,3 was auch für das vorexilische Juda gilt, erhalten die Rechtssammlungen, die mit einem königsideologischen Rahmen versehen wurden, unter ihnen die altbabylonische Rechtssammlung des Hammurapi, als Gliedgattung innerhalb der Rahmengattung der Königsinschriften die neue Funktion, die Durchsetzung des Rechts durch den König als von den Göttern beauftragte Quelle des Rechts in Gestalt der Rechtssätze darzustellen. Während diese gerahmten keilschriftlichen Rechtssammlungen als Königsinschriften also der vom Herausgeber modernistisch als "constitutional law" bezeichneten Rubrik zuzuordnen wären, sind in Juda die aus der weisheitlichen Ausbildung stammenden Rechtssammlungen charakteristisch darin vom Keilschriftrecht geschieden, dass sie von Priestern rezipiert und kultrechtlich gerahmt wurden.4 An Stelle des Königs wird JHWH selbst als Rechtsquelle eingeführt. Derartige Differenzen kommen in dem Handbuch nicht in den Blick, weil nicht nur das Kultrecht, sondern mit ihm die religiösen Kontexte der altorientalischen Rechtsgeschichte insgesamt ausgeblendet sein sollen. Die Konsequenz ist eine Darstellung der altorientalischen Rechtsgeschichte analog zu einer solchen des religionsfernen römischen Rechts,5 das für den Herausgeber offensichtlich den Maßstab für dieses Handbuch abgegeben hat. Zu welchem Problem diese Verengung der Darstellung auf die Fiktion eines säkularen Rechts im Alten Orient6 führt, wird an der vom Herausgeber als "Staatsrecht" klassifizierten Rubrik besonders deutlich, wenn er feststellt, dass die staatsrechtliche Funktion des Königs im Alten Orient nicht durch die Idee göttlichen Königtums beeinflusst sei.

Dass dem die mesopotamische Königsideologie7 ebenso wie die ägyptische Ma'at-Konzeption widerspricht, macht nicht zuletzt die Darstellung der ägyptischen Rechtsgeschichte durch R. Jasnow deutlich.8 Erst unter Einbeziehung des Einflusses religiöser Ideen auf die Rechtslegitimation wird eine erstaunliche Inkonsistenz in Bezug auf die Quellenlage von Rechtssammlungen im Alten Orient, die im Handbuch unerklärt bleibt, verständlich. Weder im vordemotischen Ägypten noch im achämenidischen Iran gibt es im Gegensatz zu Mesopotamien, dem hethitischen Kleinasien und Juda, verschriftete Rechtssatzsammlungen,9 was seinen Grund in den unterschiedlichen For-men der religiösen Rechtslegitimation hat, die ihrerseits in unterschiedlichen Ausformungen religiöser Herrscherlegitimation verankert sind. Wird der König wie in Ägypten als Inkarnation des Rechts (ma'at) verstanden, steht dies der Exkarnation des Rechts in Rechtssatzsammlungen entgegen, die aber dort, wie in Mesopotamien, befördert wird, wo Recht und Gerechtigkeit (kittu[m] u misaru[m]) noch die den König zur Durchsetzung des Rechts beauftragenden Götter transzendieren. Dienen die als Königsinschrift gestalteten Rechtssammlungen wie der "Kodex" Hammurapi der Propagierung der Rechtsdurchsetzungsfunktion des Königs und haben mit einem positiven Recht, das Funktion für die Gerichtsentscheide hat, nichts gemein, so ändert sich das in Juda grundlegend mit der Einsetzung JHWHs als Rechtsquelle. Dort, wo das Recht königsfern wie in Griechenland10 und Juda bleibt, übernimmt das verschriftete Recht die Königsfunktion der Rechtsdurchsetzung und entwickelt sich zu einem "positiven" Recht, das den Rechtssätzen Rechtskraft verleiht.11 Diese für die Rechtsgeschichte zentralen Differenzierungen der Funktionen der Rechtssammlungen im Alten Orient kommen nicht in den Blick.

Die strikte vorgegebene Rubrizierung der Darstellung der Rechtsprovinzen in dem Handbuch führt in Bezug auf die von T. Frymer-Kensky verantwortete Darstellung des Rechts in der Hebräischen Bibel (Bd. II, 975-1046), für das, wie die Verfasserin einräumt, die Bibel als religiöse Überlieferung die einzige Quelle der israelitischen Rechtsgeschichte sei, zu Inkonsequenzen. Ein Ausschluss des Kultrechts war hier wie auch in der Darstellung des ägyptischen Rechts unmöglich. Unter der Rubrik der Quellen werden darüber hinaus knapp die Rechtssammlungen der Hebräischen Bibel in diachroner Perspektive vorgestellt, wobei die Autorin Frühdatierungen, so insbesondere in Bezug auf den Dekalog wie auch das Bundesbuch, das vorstaatlich sein soll, aber auch das Deuteronomium und die priesterlichen Kultgesetze, favorisiert.

In der Darstellung der übrigen Rubriken verzichtet die Autorin dann aber auf eine literaturhistorisch begründete Diachronie einer Geschichte der Rechtsinstitute zu Gunsten eines synchronen Nebeneinanders. So sei es Aufgabe der Priester und Leviten, Rechtsauseinandersetzungen und Urteile zu überwachen (Dtn 21,5), wobei Priester Mitglieder eines Zentralgerichts gewesen seien, das Josaphat eingerichtet habe (2Chr 19,8). Sehr unterschiedliche Überlieferungen werden hier zusammengeführt, was aus der Konzeption des Handbuches, das auf eine Darstellung der Geschichte von Recht sowohl für die einzelnen geographischen Räume wie für den Alten Orient insgesamt verzichtet, resultiert.

Was also wird dem Leser geboten? Eine zurzeit unübertroffene Materialsammlung des Rechts der einzelnen Epochen der geographischen Räume des Alten Orients vom 3. bis zum 1. Jt. Die Fülle des ausgebreiteten Materials macht dieses Handbuch zu einem wertvollen Handwerkszeug für jeden, der auf dem Gebiet


des altorientalischen Rechts arbeitet. Die ausführlichen Bibliographien zu jeder Epoche erhöhen den Wert des Handbuches als Arbeitsmittel. Wünschenswert wären allerdings knappe forschungsgeschichtliche Einführungen gewesen, die den Leser, sofern er nicht selbst Spezialist der altorientalischen Rechtsgeschichte ist, in die Lage versetzt hätten, die jeweiligen Darstellungen einzuordnen. So wird der Eindruck erweckt, als werde eine unstreitige Funktionsbeschreibung altorientalischen Rechts geliefert, zumal abweichende Meinungen von den Autoren des Handbuches nur sehr selten anmerkungsweise dokumentiert werden. Die eigentliche Leistung, die historische Entwicklung des altorientalischen Rechts zu erfassen, bleibt dem Leser des Handbuches aufgegeben. Die Darstellung eines statischen Zustandes des Rechts in den einzelnen Epochen und geographischen Räumen der überwiegend unterschiedlichen Autoren hat es verhindert, dass die Rechtsentwicklung etwa des mesopotamischen oder ägyptischen Rechts Thema wird. Für die Geschichte des mesopotamischen und ägyptischen Rechts geben die Beiträge von H. Neumann12 und S. Allam13 in dem von U. Manthe herausgegebenen Sammelband zur Rechtsgeschichte der Antike wichtige weiterführende Hinweise. So liegen zwei Aufgaben noch vor uns: Zum einen gilt es, die weiterhin offenen Fragen aufzuarbeiten, welchen Einfluss die Religionsgeschichte des Alten Orients auf die Geschichte des altorientalischen Rechts gehabt hat und - so ist zu ergänzen - welche Funktion Rechtsvorstellungen in der Geschichte der altorientalischen Religionen übernommen haben. Um diese Horizonte der Interaktion von Recht und Religion erweitert, ist es eine Zukunftsaufgabe, die Entwicklung des altorientalischen Rechts in der Interaktion seiner spezifischen Ausformungen mit der Religionsgeschichte in den geographischen Räumen darzustellen. Das hier vorgestellte Handbuch versucht der Spezialisierung der Altorientalischen Rechtsgeschichte in einzelne Rechtsprovinzen des Alten Orients durch das Programm eines über fast drei Jahrtausende unverändert bleibenden Rechts im gesamten Alten Orient zu wehren. Der angemessenere, aber angesichts der wachsenden Spezialisierung auch sehr viel schwerer zu beschreitende Weg ist der einer historischen Synthese der Rechtsentwicklungen im Alten Orient. Gerade dem Alttestamentler liegt diese Perspektive für die zukünftige Forschung am Herzen, ist doch das biblische Recht allen rechtshistorischen Vernetzungen14 zum Trotz ein Fremdkörper in der altorientalischen Rechtsgeschichte, der sich keinem "common law" des Alten Orients fügt, in seiner Eigenart vielmehr erst in einer geschichtlichen Darstellung des altorientalischen Rechts verständlich wird. Die Disziplin der Altorientalischen Rechtsgeschichte wird nicht dadurch gestärkt, dass ihr Handbuchwissen dem des römischen Rechts angepasst wird, sondern indem sie in ihrer kulturhistorischen Besonderheit, die die einer spezifischen Interaktion von Recht und Religion ist, erfasst wird. Nur deshalb ist sie es wert, Teil des kulturellen Gedächtnisses in der Moderne zu bleiben oder - so ist angemessener zu formulieren - angesichts des Aufschwungs dieser Disziplin der Rechtsgeschichte erst zu werden.

Fussnoten:

*) Westbrook, Raymond [Ed.]: A History of Ancient Near Eastern Law. Editorial Board: G. Beckman, R. Jasnow, B. Levine, and M. Roth. 2 Vols. Leiden-Boston: Brill 2003. Vol. 1: XX, 774 S.; Vol. 2: VIII, S. 775-1209. gr.8 = Handbook of Oriental Studies, 72. Geb. Euro 269,00. ISBN 90-04-12995-2.

1) Cf. B. Spuler (Hrsg.), Orientalisches Recht, HO I/3, Leiden 1964.

2) Als Begründung für den statischen Charakter des altorientalischen Rechts führt der Herausgeber ein vom 3. bis zum 1. Jt. stabiles Weltbild
und ebenso unverändert bleibende Stadtgesellschaften im gesamten Alten Orient an. Dem wird jede differenziertere Religions- wie Sozialgeschichte des Alten Orients widersprechen.

3) Zur Rechtsgelehrsamkeit im mesopotamischen "Tafelhaus" der Schreiberausbildung cf. jetzt vor allem H. Neumann, Prozeßführung im Edubba'a. Zu einigen Aspekten der Aneignung juristischer Kenntnisse im Rahmen des Curriculums babylonischer Schreiberausbildung, ZAR 10, 2004, 71-93, mit weiterer Literatur.

4) Cf. E. Otto, Kodifizierung und Kanonisierung von Rechtssätzen in keilschriftlichen und biblischen Rechtssammlungen, in: É. Lévy (Éd.), La codification des lois dans l'antiquité. Actes du colloque de Strasbourg 27-29 novembre 1997, Université Marc Bloch de Strasbourg. Traveaux du Centre de recherche sur le Proche-Orient et la Grèce antiques 16, Paris 2000, 77-124.

5) Zur Unabhängigkeit des Römischen Rechts von der Religion siehe M. Th. Fögen, Römische Rechtsgeschichte. Über Ursprung und Evolution eines sozialen Systems, Göttingen 2002, 85-88.

6) Die überlieferungsgeschichtliche Kategorie der Theologisierung des Rechts, die vor allem Max Weber in die rechtshistorische Debatte des biblischen Rechts eingeführt hat (cf. M. Weber, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. Schriften und Reden 1911-1920, hrsg. von E. Otto unter Mitwirkung von J. Offermann, MWG I/21.1-2, 2 Bde., Tübingen 2005, Bd. I, 366 ff. u. ö.), besagt in keiner Weise, dass das theologisierte Recht vorher als säkulares ohne religiösen Kontext zu verstehen sei. Vielmehr geht es der Kategorie der Theologisierung, die sich keineswegs, wie der Herausgeber voraussetzt, westlichem Einfluss auf die altorientalische Rechtsgeschichte in der zweiten Hälfte des 1. Jt.s verdankt, nur um die explizite Rechtslegitimation, die naturwüchsige Rechtsbegründungen in ihren impliziten religiösen Gehalten theologisch expliziert. Die Kategorie der Theologisierung von Recht hat ihre Spitze gegen rechtshistorische Evolutionsmodelle, die in der Nachfolge von H. S. Maine (Ancient Law. Its Connection with the Early History of Society and its Relation to Modern Ideas, London [1861] 101906) das religiöse Kultrecht für rechtshistorisch primär halten und die altorientalische Rechtsgeschichte als großen Säkularisierungsprozess beschreiben. Derartig einlinige Beschreibungsmodelle sind durch sozialhistorisch differenziertere Beschreibungen abzulösen, die nach den Ursachen der zum Teil parallel verlaufenden Säkularisierungs- und Theologisierungsprozesse des Rechts fragen; cf. dazu E. Otto, Theologische Ethik des Alten Testaments, ThW 3/2, Stuttgart 1994, 81 ff.175 ff. sowie bereits ders., Wandel der Rechtsbegründungen in der Gesellschaftsgeschichte des antiken Israel. Eine Rechtsgeschichte des "Bundesbuches" Ex XX 22-XXIII 13, StB 3, Leiden-New York 1988, 38 ff.69 ff.

7) Als nach wie vor einschlägig siehe dazu H. Frankfort, Kingship and the Gods. A Study of Ancient Near Eastern Religion as the Interpretation of Society and Nature, Chigaco-London 21978, 215 ff., sowie jüngst S.W. Holloway, Assur is King! Religion and the Exercise of Power in the Neo-Assyrian Empire, CHANE 10, Leiden-Boston 2002, bes. 178 ff.320 ff.

8) Der Herausgeber räumt ein, dass seine die Anlage des Handbuches bestimmende Konzeption nicht von allen Autoren geteilt werde. Eine Darstellung des ägyptischen Rechts unter Verzicht auf die religiöse Legitimation des Rechts wäre auch unmöglich.

9) Cf. J. Assmann, Zur Verschriftlichung rechtlicher und sozialer Normen im Alten Ägypten, in: H.-J. Gehrke (Hrsg.), Rechtskodifizierung und soziale Normen im interkulturellen Vergleich, ScriptOralia 66, Tübingen 1994, 61-86. Der Verzicht auf die Einbeziehung des Iran in das Handbuch ist eine der negativen Folgen der Prämisse des "common law" im Alten Orient bis zur Mitte des 1. Jt.s. Unter dieser Voraussetzung allerdings fällt das Achämenidenrecht aus dem Zeitrahmen des Handbuches heraus, was nicht nur angesichts der Kontinuität zwischen dem neubabylonischen und achämenidischen Recht in Mesopotamien und seiner Bedeutung auch für die Erfassung des rezipierten Rechts im Spiegel des rezipierenden bedauerlich ist, sondern auch angesichts der Tatsache, dass die nachexilische Rechtsgeschichte der Hebräischen Bibel einschließlich der Formierung des Pentateuch erst in ihrem achämenidischen Kontext verständlich wird; cf. dazu E. Otto, Die Rechtshermeneutik des Pentateuch und die achämenidische Rechtsideologie in ihren altorientalischen Kontexten, in: M. Th. Fögen/M. Witte (Hrsg.), Die Kodifizierung und Legitimierung des Rechts in der Antike und im Alten Orient, BZAR 5, Wiesbaden 2005, 70-106.

10) Cf. dazu H.-J. Gehrke, Verschriftung und Verschriftlichung sozialer Normen im archaischen und klassischen Griechenland, in: É. Lévy (Éd.), Codification (Anm. 4), 141-159.

11) Cf. dazu E. Otto, Recht im antiken Israel, in: U. Manthe (Hrsg.), Die Rechtskulturen der Antike. Vom Alten Orient bis zum Römischen Reich, München 2003, 151-190.328-329 (Lit.).

12) Cf. H. Neumann, Recht im antiken Mesopotamien, in: U. Manthe (Hrsg.), Rechtskulturen (Anm. 11), 55-122.322-327 (Lit).

13) Cf. S. Allam, Recht im pharaonischen Ägypten, a. a. O., 15-54.321 (Lit.).

14) Unter dem Gesichtspunkt der Vernetzung des biblischen Rechts mit dem zeitgenössischen Recht Mesopotamiens sind die Abschnitte zum neuassyrischen Recht von K. Radner (Bd. II, 883-910) und zum neubabylonischen Recht von J. Oelsner, B. Wells und C. Wunsch (Bd. II, 911-974) von herausgehobener Bedeutung. Gerade die neubabylonische Urkundenüberlieferung erweist sich gegenwärtig als besonders ertragreich für rechtshistorische Vergleiche mit der Hebräischen Bibel; cf. zuletzt B. Wells, The Law of Testimony in the Pentateuchal Codes, Beihefte zur Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte 4, Wiesbaden 2005, sowie F. R. Magdalene, Who is Job's Redeemer? Job 19:25 in the Light of Neo-Babylonian Law, Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte 10, 2004, 292-316. Als weniger erfolgversprechend dürften sich jüngste Versuche erweisen, das Bundesbuch als direkte Übersetzung der Rechtssammlung des Hammurapi aus der ersten Hälfte des 2.Jt.s in neuassyrischer Zeit (cf. D. P. Wright, The Laws of Hammurabi as a Source for the Covenant Collection [Exodus 20:12-23:19], Maarav 10, 2003, 11-87) zu interpretieren. Für derartige Forschungsdiskurse stellt das Handbuch hilfreiches Material zur Verfügung, enthält sich aber nicht nur der Stellungnahme, sondern schon der Fragestellung.