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Ausgabe:

Juli/August/2005

Spalte:

850 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Winkler, Dietmar W.

Titel/Untertitel:

Ostsyrisches Christentum. Untersuchungen zu Christologie, Ekklesiologie und zu den ökumenischen Beziehungen der Assyrischen Kirche des Ostens.

Verlag:

Münster: LIT 2003. 225 S. 8 = Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte, 26. Kart. Euro 29,90. ISBN 3-8258-6796-X.

Rezensent:

Martin Tamcke

Die Habilitationsschrift des zurzeit in Boston lehrenden Patristikers Winkler von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens Universität Graz (Österreich) verdankt sich dem Engagement W.s in der Stiftung Pro Oriente, bei der er seit Jahren begleitend tätig war. Entsprechend den Interessen eines in den gegenwärtigen Diskussionen eingebundenen Ökumenikers zerfällt die Veröffentlichung der Arbeit in zwei Teile: Teil A behandelt "Ekklesiologische und christologische Entwicklungen im Persischen Reich bis zum Ausgang des 6. Jahrhunderts" - zu diesem historisch orientierten Teil gehört auch der bei W. als Teil B bezeichnete Part "Christologische Studien zur ostsyrischen Väterliteratur des 7. Jahrhunderts" -, Teil C, eigentlich der zweite Hauptteil der Arbeit, stellt dann "Die ökumenischen Beziehungen der Kirche des Ostens" dar.

Was nun Teil A anbetrifft, so handelt es sich dabei weithin um eine kritische Relecture des derzeit gültigen Wissensstandes (hin und wieder mit eigenen Pointierungen W.s, etwa bei der Frage, wie der Synodalbeschluss von 424 zu bewerten sei). Teil B enthält vier knappe Einzeluntersuchungen W.s zur Christologie Babai des Großen (+ 628), Ischo'jahb II. (+ 646), Ischo'jahb III. (+ 659) und Giwargis I. (+ 680). Außer Babai sind die untersuchten Theologen Katholikoi der Apostolischen Assyrischen Kirche des Ostens. Die Untersuchungen sind eng gefasst. W. bleibt primär an der Erfassung der christologischen Termini interessiert. Eine mögliche Beeinflussung der ostsyrischen Christologie und Theologie auf Grund des Islams und der Verstärkung monotheistischer Rede- und Denkweise durch den Islam bleibt bei W. außerhalb des Gesichtsfeldes, weil er ganz vom gegenwärtigen innerkirchlichen Interesse an ökumenischer Verständigung herkommt.

Die Erkenntnisse zu Ischo'jahb III. hat er schon einmal auf der patristischen Konferenz in Oxford vorgetragen und in deren Tagungsband veröffentlicht. Auch Aspekte zu den ökumenischen Beziehungen der Apostolischen Assyrischen Kirche des Ostens, die immer noch nicht - auf Grund des Vetos besonders der Koptischen Orthodoxen Kirche - zum Mittelöstlichen Kirchenrat hinzugehört, sind teilweise schon in Veröffentlichungen vorab zugänglich gewesen. Der Teil zur gegenwärtigen Ökumene befasst sich mit der Mitarbeit der Kirche im Ökumenischen Rat der Kirchen (hier weiß W. zu wenig über das Engagement der Kirche in der Frühzeit der ökumenischen Bewegung und über dessen Zusammenhang mit der "Assyrischen Frage", die jahrelang den Völkerbund in Atem hielt auf Grund der schweren Ausschreitungen im Irak gegen die assyrischen Christen), den Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche, den Pro Oriente-Dialogen mit den Kirchen syrischer Tradition, die Beziehungen zu den orientalisch-orthodoxen Kirchen (mit dem traurigen Scheitern der koptisch-assyrischen Verständigung) und den Beziehungen zum mittelöstlichen Kirchenrat (W.: Nahost-Kirchenrat, MECC).

Nur am Rande sei bemerkt, dass bei der Endredaktion offenbar das Literaturverzeichnis nicht mit den Literaturangaben abgeglichen wurde und so einige Fehlstellen entstehen, die nur der Kundige füllen kann.

W., der natürlich die verschiedenen Einigungen etwa im Bereich der Christologie würdigt und der derzeitig der päpstlichen Kommission für die Gespräche mit den orientalisch-orthodoxen Kirchen angehört (seine Dissertation stellte in ähnlichem Aufbau bereits Theologie und ökumenisches Engagement der Kopten dar und machte ihn so für dieses Amt zusätzlich zu seiner Erfahrung in der Dialogökumene geeignet), lässt seine Untersuchungen zu einem zurzeit traurig verminten Feld der Ökumene, bei dem noch immer kein Zeichen der Besserung oder Verständigung zu sehen ist, hoffnungsvoll ausklingen. Er gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Grundlagenarbeit, die im Dialog mit der katholischen Kirche erreicht worden sei (vielleicht eine ein wenig zu einseitige Sicht angesichts der praktischen Bedeutung von Weltkirchenrat und Mittelöstlichem Kirchenrat für die Apostolische Assyrische Kirche des Ostens), auch andere Kirchen motivieren werde, diese Kirche "als eine der ehrwürdigsten und in ihrem Erbe reichsten Kirchen der Christenheit anzuerkennen" und somit "der ostsyrischen Tradition jenen Platz im Konzert christlicher Oikumene zuzuweisen, der ihr ob ihrer Geschichte und Theologie gebührt".

Einstweilen jedoch bleiben die Angehörigen dieser Kirche, die seit Jahrhunderten mit der Fremdbezeichnung "Nestorianer" versehen werden und es doch ihrem Selbstverständnis nach gar nicht sind (Nestorios sei ihnen, nicht aber sie Nestorios gefolgt), in vielen zwischenkirchlichen Kontakten der "Buhmann" (so bezeichnete Dorothea Wendebourg einmal ihre Funktion im gegenwärtigen Verständigungsgeschehen in der Ökumene). Dass das kein akzeptabler Zustand für eine der ältesten christlichen Kirchen auch aus der Sicht etwa der protestantischen Kirchen des Abendlandes sein kann, liegt auf der Hand. Wer sich zur Debatte orientieren möchte, die sich diesbezüglich auf dem Feld der Ökumene entwickelt hat, und sich zudem das für die Gegenwart relevante patristische Erbe dieser Kirche in knapp gehaltenen Skizzen bewusst machen möchte, dem kann das Buch bei seinem Orientierungswunsch wertvolle Dienste leisten.