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Ausgabe:

Juli/August/2005

Spalte:

848–850

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Weß, Paul

Titel/Untertitel:

Papstamt jenseits von Hierarchie und Demokratie. Ökumenische Suche nach einem bibelgemäßen Petrusdienst. M. Beiträgen v. U. H. J. Körtner u. G. Larentzakis.

Verlag:

Münster-Hamburg-London: LIT 2003. 208 S. m. Abb. gr.8 = Studien zur systematischen Theologie und Ethik, 35. Kart. Euro 19,90. ISBN 3-8258-6590-8.

Rezensent:

Reinhard Frieling

Der Innsbrucker römisch-katholische Theologe Paul Weß (Jg. 1936) legt zunächst seine kurze Studie "Zeichen und Werkzeug der Einheit. Zu einer kollegialen Gestalt des Papstamtes" vor (15-26). Dazu nehmen würdigend und kritisch der Grazer orthodoxe Theologe G. Larentzakis und der Wiener evangelische Dogmatiker U. Körtner Stellung (27-42). Im dritten Teil "Communio jenseits von Hierarchie und Demokratie. Ein Weg zu einer ökumenischen Kirchengemeinschaft?" (43-204) setzt W. die Diskussion fort, wobei er neben seiner ursprünglichen Auseinandersetzung mit Hermann J. Pottmeyer sich vor allem mit zwei römisch-katholischen Autoren befasst: Rudolph Peschs Untersuchungen zu den biblischen Grundlagen des Primats und John R. Quinns Analysen zur Reform des Papsttums in Anlehnung an die Enzyklika "Ut unum sint" (1995).

W. bewegt zunächst die innerkatholische Diskussion über das Leitbild einer Communio-Kirche auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens und einer "hierarchischen Ekklesiologie", welche weder den biblischen Vorrang des "gemeinsamen Priestertums" noch das alte Gegenüber von Papalismus und Konziliarismus (Episkopalismus) sachgemäß löst. W. ist überzeugt: "Ohne eine inhaltliche - nicht nur verbale - Verbesserung der Dogmen des 1. Vatikanums und ihrer folgerichtigen Auslegung im 2. Vatikanum wird es nicht möglich sein, die Kollegialität mit dem Primat zu versöhnen." (19)

Solche "Verbesserung der Dogmen" bedeutet dann eine kollegiale Leitung der Kirche auf allen Ebenen und "eine kollegiale Gestalt des Papstamtes". Ökumenisch entfaltet W. diesen Gedanken zur Vision einer "Koinonia der christlichen Kirchen als Gemeinschaft von Stammkirchen" (173 ff.). Aus dem urchristlichen Apostelkollegium könne nämlich die Analogie einer Gemeinschaft von Stammkirchen abgeleitet werden, wobei W. an die altkirchliche Patriarchatsstruktur denkt und wobei auch die späteren Spaltungen wie etwa die reformatorischen Kirchen theologisch ähnlich zu werten und als "Schwesterkirchen" anzuerkennen seien. "Die Voraussetzung wäre freilich, dass sie sich untereinander und prinzipiell mit den anderen Kirchen unter den Anspruch der Einmütigkeit stellen, um gemeinsam die geeigneten Strukturen der Einheit zu finden und die dafür nötigen Ämter einzuführen (beziehungsweise ihre bestehenden Ämter dementsprechend neu zu interpretieren)." (182)

Larentzakis nennt aus orthodoxer Sicht dieses Modell "ausbaufähig" (34), während der Protestant Körtner hier nur einen "wichtigen Schritt" für eine innerkatholische Reform des Papstamtes erkennt (41). Körtner bemerkt zu Recht, dass die "Lösung" von W. viele römisch-katholische Fragen beantwortet, die sich aus evangelischer Sicht so überhaupt nicht stellen.

Ein katholischer Theologe, der noch systemimmanent bleiben will, geht stets von einer ökumenischen Anerkennung eines reformierten Papstamtes aus, das der römische Bischof in Gemeinschaft mit den Bischöfen kollegial ausübt. Im Blick auf die evangelischen Kirchen ("Stammkirchen"?) fällt bei dieser "Kollegialität" von Bischöfen ein erheblicher Teil aus dem Blick, so dass nur eine Dreiviertel-Ökumene mit dem Papst das Ergebnis wäre. - Ökumenisch realistisch ist aus verbreiteter evangelischer Sicht nicht das Papstamt "jenseits von Hierarchie und Demokratie", sondern die Frage, ob es eine Lösung jenseits der Alternative von Abschaffung des Papsttums oder Unterwerfung unter den Papst gibt. Die evangelischen Kirchen müssen stärker als bisher ein universales "Amt der Einheit" bedenken, das ist zweifellos richtig. Aber auf Grund der guten jahrhundertelangen Erfahrung, als Kirche ohne Papst das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen, zu glauben und Kirche zu gestalten, ist als ein ökumenisches "Kollegialorgan" wohl nur ein Konzil von ordinierten und nichtordinierten Gliedern des Gottesvolkes realistisch, bei dem der Papst als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche sein dogmatisches Selbstverständnis behält, das aber die Anerkennung seines Primats durch die anderen Christen nicht einfordert, sondern vielmehr eine gleichberechtigte Communio mit den Repräsentanten der anderen Kirchen, eine gegenseitige Anerkennung als Schwesterkirchen und somit eine gewisse sichtbare Einheit der Kirche Christi darstellt.

Das W.-Modell einer "Koinonia von Stammkirchen" weist in sympathischer Weise in diese Richtung als Gemeinschaft "mit" dem Papst, aber es bleibt auch noch dem Modell der Gemeinschaft "unter" einem verbesserten kollegialen Papstamt verhaftet. Inwiefern es angesichts des gegenwärtigen römischen Zentralismus innerkatholisch eine reale Chance hat, mögen katholische Rezensenten klären.