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Ausgabe:

Juli/August/2005

Spalte:

845 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Emlek, Idris

Titel/Untertitel:

Mysterienfeier der Ostsyrischen Kirche im 9.Jahrhundert. Die Deutung der göttlichen Liturgie nach dem 4. Traktat einer anonymen Liturgieerklärung.

Verlag:

Münster: LIT 2004. 254 S. m. 1 Abb. gr.8 = Ästhetik - Theologie - Liturgik, 30. Kart. Euro 24,90. ISBN 3-8258-7342-0.

Rezensent:

Karl Pinggéra

Die Eigenart ostsyrischer Liturgietradition trat neu in das Bewusstsein der ökumenisch interessierten Öffentlichkeit, als die Assyrische Kirche des Ostens und die mit Rom unierte Chaldäische Kirche am 20. Juli 2001 vereinbarten, die Gläubigen der je anderen Kirche zur Kommunion zuzulassen (promulgiert am 26.Oktober 2001). In den vorangegangenen Gesprächen spielte nicht zuletzt die Tatsache eine Rolle, dass die bei den Assyrern gebräuchliche Anaphora der heiligen Addai und Mari keine Rezitation der Einsetzungsworte kennt. Nach Auswertung liturgiewissenschaftlicher Studien hatte sich Rom dazu entschlosen, dennoch diese assyrische Anaphora als gültiges Eucharistiegebet anzuerkennen, da die Einsetzungsworte immerhin in Elementen betender Vergegenwärtigung des eucharistischen Mysteriums vorhanden seien.

Die Arbeit von Idris Emlek ist der Frage gewidmet, wie die Liturgie in der ostsyrischen Überlieferung selbst gedeutet wurde. Es handelt sich um eine bei Reiner Kaczynski (München) angefertigte Dissertation im Fach Liturgiewissenschaft. Darin wird der vierte, die Eucharistiefeier betreffende Traktat der so genannten "Exposition officiorum ecclesiae" erstmals ins Deutsche übersetzt (114-246). Der Text bietet das ausführlichste Zeugnis dafür, wie sich das liturgische Leben der Ostsyrer nach der Vereinheitlichung unter Katholikos Isoya(h)b III. (649- 659) gestaltet hat. In 30 Fragen und Antworten beinhaltet der Traktat eine systematische Erklärung der Liturgie.

Nachdem man das Werk früher dem Metropoliten Georg von Arbela (gest. nach 987) zugeschrieben hatte, vertrat Connolly, einer der Herausgeber, die Auffassung, der Kommentar müsse noch vor dem 10. Jh. entstanden sein. E. sammelt im historischen Teil seiner Einleitung nun bedenkenswerte Argumente für die Annahme, dass der Metropolit Abdisobar bar Bahriz aus der ersten Hälfte des 9. Jh.s als Verfasser der "Expositio" in An-spruch zu nehmen sei (mit Verweis auf H. Kaufhold, Die Rechtssammlung des Gabriel von Ba.sra und ihr Verhältnis zu den anderen Sammelwerken der Nestorianer, Berlin 1976, 44- 50).

Neben einer Inhaltsangabe der gesamten "Expositio" fasst der erste Teil der Einleitung ansonsten zusammen, was sich zur Textüberlieferung sagen lässt. Für die Übersetzung hat E. neben der Edition von Connolly auch Cod. Vat. syr. 148 (AD 1267) eingesehen (vgl. 23).

Es sind freilich weniger die im engeren Sinne historischen Fragen, denen das Interesse der Arbeit gilt. Der zweite Teil (59-109) versucht auf einfühlsame Weise, die Grundgedanken des Traktats und sein Verständnis der sakramentalen Wirklichkeit nachzuzeichnen. Dabei geht es E. um eine gebührende Würdigung der "allegorisch" genannten Liturgieerklärung, die in der westlichen Forschung gelegentlich etwas in Misskredit geraten ist. Die Liturgiedeutung der "Expositio" wird gleichsam reformuliert unter Verwendung moderner Verstehenskategorien des Gottesdienstes als "heiligem Spiel" bzw. als mimetisch-darstellendem Handeln. Auch die verschiedenen Interpretationsebenen im Text werden herausgearbeitet (Bezüge zum Heilshandeln Gottes im Ersten Bund, zum Heilshandeln Christi, zur eschatologischen Vollendung). Die "rememorative", an den Stationen des Lebens Christi entlanggehende Deutungsschicht wird ebenso gut erkennbar wie die Symbolik des Kirchenraums (der Altarraum als Abbild des Himmels, das Bema in der Mitte des Kirchenschiffs als irdisches Jerusalem etc.). Bei alldem unterbleibt weithin eine vergleichende, traditions- bzw. theologiegeschichtliche Einordnung des Textes; worin sein eigentliches "proprium" besteht, kommt kaum zur Geltung (interessant wären Vergleiche gewesen etwa zu den eucharistischen Katechesen Theodors von Mopsuestia, Narsais des Großen, aber auch zu den Liturgiekommentaren von Gabriel Qatraya und Abraham bar Lipeh).

Auf alle Fälle ist es E. jedoch gelungen, den Liturgiekommentar einem heutigen Leser geistlich zu erschließen und darüber hinaus zu einer vertieften Mitfeier der ostsyrischen Liturgie anzuleiten.