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Ausgabe:

Juli/August/2005

Spalte:

823 f

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Buber, Martin

Titel/Untertitel:

Werkausgabe. Bd. 6: Sprachphilosophische Schriften. Bearbeitet, eingeleitet u. kommentiert v. A. Biemann.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2003. 229 S. gr.8. Geb. Euro 68,00. ISBN 3-579-02681-X.

Rezensent:

Martin Leiner

Nach den frühen kulturkritischen und philosophischen Schriften ist 2003 in der Buber-Werkausgabe etwas überraschend der sechste Band erschienen: die sprachphilosophischen Schriften. Die ausgewählten Texte erstrecken sich von Jugenderinnerungen Bubers bis zu späten Bemerkungen aus den 1960er Jahren. Asher Biemann, Lecturer an der Harvard-Universität für jüdische Philosophie und Geistesgeschichte, erschließt in seiner Einleitung (9-68) und in seinem Kommentar (149-186) interessante Gesprächszusammenhänge, in denen Buber seine Gedanken über Sprache entwickelt hat.

Besonders eingehend untersucht werden die frühen Einflüsse, die Buber in Wien durch Fritz Mauthner, Ernst Mach und Hugo von Hofmannsthal erfahren hat. Hier arbeitet Biemann ein Thema auf, das bisher in der Forschung noch wenig Beachtung fand. Sein Ergebnis ist vorwiegend negativ. "Inwieweit der Wiener Empiriokritizismus und Positivismus [sc. vor allem Machs, M. L.] Bubers Denken letztlich beeinflusst hat, ist schwierig zu beurteilen. Die kritische Hinwendung zur Sprache, die Auflösung des Ichs in eine empirische Beziehungshaftigkeit zur Welt, der psychophysische Erkenntnismonismus, sie könnten allerdings als Nachhall dieser Schule in seiner späteren Philosophie betrachtet werden." (38) Was Mauthner anbelangt, so weist Biemann auf einen Brief hin, der belegt, dass Buber seine Schriften gut kannte und dass auch umgekehrt Mauthner von Bubers Schrift über Rabbi Nachmann bei einer persönlichen Begegnung sehr beeindruckt war. Deutlich wird durch Biemanns Untersuchungen ebenfalls, dass Hugo von Hofmannsthals Stil Buber tief beeindruckte. Bubers Stil ist am ehesten von dem großen österreichischen Dichter beeinflusst; ein Ansinnen, sich an Nietzsches Stil anzulehnen, weist Buber ausdrücklich zurück. Ferdinand Ebner lernte Buber nicht persönlich kennen. Bis zur "Abfassung von Ich und Du war Bubers Auseinandersetzung mit der Sprache eher sporadisch als gezielt" (44). Diese Beobachtungen Biemanns sind wertvoll, weil sie es ermöglichen, eine These der Buberforschung zu widerlegen, die immer noch in der Sekundärliteratur zu finden ist, die These, Ich und Du sei von der Sprachphilosophie her konzipiert. Bernhard Casper hat in seiner Habilitationsschrift Das dialogische Denken (erschienen Freiburg i. Brsg. 1967; z. B. 300) bereits gezeigt, dass Buber viel mehr von der Transzendentalphilosophie Kants her zu verstehen ist als von sprachphilosophischen Überlegungen.

Seit seiner Begegnung mit Rosenzweig und seit seiner Lektüre von Ebner, Rosenstock-Huessy und Heidegger suchte Buber immer intensiver seine dialogische Philosophie mit den Fragen der Sprache zu verbinden. Mit Recht schreibt Biemann über diese, eine eigene Monographie erfordernde Zusammenhänge nur noch wenig. Die nach dem 2. Weltkrieg verfassten Texte Bubers sind die reifsten Überlegungen, die sich in diesem Band zum Thema der Sprache finden. Sie ermöglichen es, an einem Punkt die Beziehung zwischen Buber und Rosenstock-Huessy oder Heidegger zu klären. Zum Vergleich mit Heidegger laden zum Beispiel Bubers Heraklit- und Hölderlininterpretationen in den Schriften "Dem Gemeinschaftlichen folgen" (1963) und "Seit ein Gespräch wir sind" (1952) ein. Der Band enthält auch einiges Interessante zum Thema der Mehrsprachigkeit und zu zeitkritischen Themen. Unter ihnen ist Bubers Hamburger Goethe-Preis-Rede "Das echte Gespräch und die Möglichkeiten des Friedens" (1953) besonders hervorzuheben. Diese Rede enthält eine der - erstaunlich seltenen - Ausführungen Bubers zur Schoah. Bubers Schriften zur Bibelübersetzung sollen in einem eigenen Band der Werkausgabe erscheinen.