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Ausgabe:

Juli/August/2005

Spalte:

795–797

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Woitkowitz, Torsten

Titel/Untertitel:

Die Briefe von Joachim Camerarius d.Ä. an Christoph von Karlowitz bis zum Jahr 1553. Edition, Übersetzung, Kommentar.

Verlag:

Leipzig-Stuttgart: Verlag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig in Kommission bei Steiner 2003. 347 S. gr.8 = Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, 24. Geb. Euro 52,00. ISBN 3-515-08418-5.

Rezensent:

Roxane Wartenberg

Mit der Bearbeitung, Herausgabe und Übersetzung der Briefe des Joachim Camerarius d. Ä. an Christoph von Karlowitz bis zum Jahr 1553 wurde der Vf. an der Universität Leipzig zum Dr.phil. promoviert, inzwischen liegt der Band in leicht bearbeiteter Form vor. Es handelt sich um eine Neuedition mehrheitlich gedruckter Korrespondenzstücke und Widmungsbriefe des Camerarius. Die Auswahl konzentriert sich auf 37 Briefe, die der 1541 an die Universität Leipzig berufene Camerarius bis 1553 an den albertinischen Rat von Karlowitz, Amtmann von Zörbig und zugleich 1543-1547 von Leipzig, richtete. Es war die Regierungszeit des Moritz von Sachsen, in der für das albertinische Sachsen wichtige religions- und machtpolitische Weichen gestellt wurden, vor deren Hintergrund Camerarius schrieb. Verbindendes Element in der Beziehung zwischen dem "politisch interessierten Wissenschaftler und dem wissenschaftlich interessierten Politiker" (67) bildete vor allem die Sorge um die Universität Leipzig. Dies spiegelt die aufgearbeitete Korrespondenz in besonderem Maße wider.

In einer ausführlichen Einleitung gibt der Vf. zunächst einen biographischen und überlieferungsgeschichtlichen Überblick zu beiden Korrespondenzpartnern. Camerarius wie von Karlowitz befanden sich in der für das spätere Kursachsen so wichtigen Zeit in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich an exponierter Stelle. Kernereignisse, wie der Schmalkaldische Krieg (1546/47), der Reichstag zu Augsburg und Interim (1548), Fürstenkrieg und Passauer Vertrag (1552) sowie schließlich der Tod des Kurfürsten Moritz bei Sievershausen (1553) bestimmen den historischen Kontext dieser Briefe. Eine deutlichere Betonung und Reflexion dieser Kontextgebundenheit, in der Absender wie Empfänger standen, hätten die sorgfältig zusammengetragenen biographischen Angaben gewiss klarer konzentriert und dem Verständnis und der Bewertung der nachfolgenden Texte nachhaltiger dienen können.

Andererseits hat der Vf. zweifellos mit der Durchdringung und Systematisierung der keineswegs geradlinig verlaufenden Überlieferung einen gewichtigen Beitrag zur Erschließung einer Schlüsselfigur der Leipziger Universitätsgeschichte des 16. Jh.s geleistet. Er will in erster Linie Anregungen und Anstöße zur weiteren Beschäftigung mit Camerarius und seiner Zeit geben. Vor allem aber bemüht sich der Vf., den nicht immer eindeutig, sehr vorsichtig und vielfach verschlüsselt artikulierten Briefstil des Camerarius durch Übersetzung zu erschließen und charakteristische neulateinische Orthographie- und Interpunktionsvarianten aufzuzeigen.

Der editorische Apparat teilt sich daher in zwei Abschnitte. Zum einen erfolgt der Nachweis des Leittextes und dessen textkritische Bearbeitung, zum andern schließt sich an die nachfolgende Übersetzung ein Kommentar an, der die Datierung der einzelnen Stücke, Textnachweise und inhaltliche Zusammenhänge erläutert. Alle genannten Personen sind in einem entsprechenden Register am Ende des Bandes zusammengefasst und stichwortartig beschrieben. Ein besonderes Anliegen ist es dem Vf. in diesem Zusammenhang, die Überlieferungsgeschichte der einzelnen Stücke und ihre wechselseitige Verknüpfung mit weiteren Textzeugnissen aufzuzeigen. Bei den Editionskriterien wie im Aufbau des Textes nimmt der Vf. in weiten Teilen auf die für die Herausgabe des Melanchthon-Briefwechsels festgelegten Grundsätze Bezug (68-75). - Der Inhalt der einzelnen Briefe ist zu Beginn in Regestform zusammengefasst und bietet damit dem Benutzer die Möglichkeit, den nachfolgenden Text inhaltlich zu überblicken und einzuschätzen.

Übersetzung wie Kommentar zeigen ein hohes Maß an Einarbeitung und an philologisch-historischer Sachkenntnis. Nicht hoch genug kann die Leistung des Vf.s im Blick auf die Aufarbeitung der epistologischen Camerariusüberlieferung geschätzt werden. Die Korrespondenz mit von Karlowitz wird in ihrem Gesamtzusammenhang erstmalig fassbar und umfassend in ihrem Überlieferungszusammenhang bearbeitet (vgl. die instruktive Auflistung der Bibliotheken und Archive, die entsprechende Stücke aufweisen, 301 f.).

Mit seiner Arbeit gibt der Vf. wichtige Impulse für die historische und prosopographische Forschung der Frühen Neuzeit und liefert damit einen unverzichtbaren Baustein für eine erneute Würdigung und biographische Aufarbeitung der Person des Joachim Camerarius d. Ä. Der Vf. öffnet mit seiner sorgfältig und strukturiert konzipierten Edition darüber hinaus den Blick auf eine oft in den Hintergrund tretende, sehr spezifische neulateinische Schreib- und Briefkultur und gibt zugleich Einblick in Denken und Handeln einer Elite, die den Aufbau des neuen Kursachsen nach 1547 maßgeblich gestaltete.