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Ausgabe:

Juni/2005

Spalte:

706–708

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Lachmann, Rainer, Gutschera, Herbert, u. Jörg Thierfelder:

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichtliche Grundthemen. Historisch - systematisch - didaktisch. Unter Mitarbeit v. Th. Breuer, H. Dierk, M. L. Pirner u. G. Ruppert.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003. 360 S. m. 25 Abb. 8 = Theologie für Lehrerinnen und Lehrer, 3. Kart. Euro 24,90. ISBN 3-525-61422-5.

Rezensent:

Gury Schneider-Ludorff

Nach den "Theologischen Schlüsselbegriffen" (1999) und den "Elementaren Bibeltexten" (2001) liegt nun der dritte Band der Reihe "Theologie für Lehrerinnen und Lehrer" vor, der sich diesmal mit "Kirchengeschichtlichen Grundthemen" befasst. Damit gerät eine Disziplin der Theologie in den Blick, die in didaktischer Hinsicht bislang eher am Rande behandelt wurde. Anhand von 17 Grundthemen wird hier ein kirchengeschichtlicher Mindestkanon vorgestellt, der sich an entscheidenden Schaltstellen der Kirchengeschichte orientiert. Die Kriterien der Themenauswahl gehen zurück auf den Ansatz Peter Biehls, der unter Berücksichtigung der beiden von Wolfgang Klafki vorgeschlagenen didaktischen Gesichtspunkte der "Stellvertretung" und des "Vergegenwärtigens" die Kirchengeschichte auf im genannten Sinne repräsentative Themen befragt hat, also Themen, "in denen sich kirchengeschichtliche Zusammenhänge zu einer überschaubaren Einheit verdichten (markante Knoten- und Wendepunkte der Kirchengeschichte) und die sich im Blick auf die Fragen der Schüler vergegenwärtigen lassen ..." (26 f.). Daraus haben die Autoren folgende Themen erhoben: Entstehung und Ausbreitung des Christentums (Herbert Gutschera), die Konstantinische Wende (Herbert Gutschera), das Mönchtum (Jörg Thierfelder), Reformation (Jörg Thierfelder), Gegenreformation (Herbert Gutschera), Aufklärung (Rainer Lachmann), Pietismus (Jörg Thierfelder), Kirche und Soziale Frage im 19. Jahrhundert (Thomas Breuer), Weltmission in der Neuzeit (Herbert Gutschera/Jörg Thierfelder), Ökumenische Bewegung im 19. und 20. Jahrhundert (Rainer Lachmann), Kirche und Nationalsozialismus (Thomas Breuer/Manfred L. Pirner), Kirche im Sozialismus (Manfred L. Pirner).

Handelt es sich bei diesen Themen um solche, die bereits in den von Herbert Gutschera und Jörg Thierfelder herausgegebenen Bänden "Brennpunkte der Kirchengeschichte" Beachtung fanden, bietet dieser neue Band darüber hinaus weitere Themen, die auch die "dunklen Stellen" der Kirchengeschichte in den Blick nehmen und zu einem kritischen Umgang mit der Kirchengeschichte anregen, wie z. B. Kreuzzüge (Jörg Thierfelder), Christliche Judenfeindschaft und Judenverfolgung (Jörg Thierfelder) und Hexenverfolgungen (Herbert Gutschera), Kirche und Nationalsozialismus (Thomas Breuer/Manfred L. Pirner).

Neu und instruktiv ist die Behandlung der Mystik (Heidrun Dierk) und des Papsttums im Mittelalter (Herbert Gutschera), womit hier die Epoche des Mittelalters deutlich gegenüber gängigen Unterrichtsentwürfen evangelischer Provenienz gestärkt wird und gerade auch Bereiche integriert werden, die sonst eher in katholischen Entwürfen von Kirchengeschichte thematisiert wurden: Neben der Stärkung des Mittelalters wird die ökumenische Ausrichtung des gesamten Projektes auch an dem Umgang mit der Reformationsgeschichte und ihren Folgen deutlich. Konzentrierte sich der evangelische Religionsunterricht in der Regel bei der Behandlung von Reformation und nachreformatorischer Kirchengeschichte nahezu ausschließlich auf die Entwicklung der evangelischen Kirche und diente vielfach der konfessionellen Legitimierung, geht es hier stärker um ökumenisches Lernen. Auch wird versucht, die in den herkömmlichen Lehrbüchern übliche Zentrierung auf Deutschland aufzubrechen, was sich beispielsweise im Bereich der Reformationsgeschichte an der Einbeziehung der Reformation in Zürich und Genf zeigt, wodurch auch die reformierte Tradition zum Zuge kommt. Erfreulich ist auch die stärkere Berücksichtigung der Neueren Kirchengeschichte, die auf die neueren Lehrpläne reagiert und hier neben der Ökumenischen Bewegung auch die Zeit der Kirche im Nationalsozialismus und die Kirche in der DDR als repräsentative Themen aufnimmt. Letzteres ist insofern aufschlussreich, als die kirchengeschichtliche Forschung dies erst seit wenigen Jahren zu ihrem Forschungsgegenstand erklärt hat und der Band mit dieser Thematik in besonderem Maße auch für die neuen Bundesländer an Attraktivität gewinnt.

Neben den inhaltlichen Akzentsetzungen überzeugen die didaktische Elementarisierung und die Vorschläge der methodischen Umsetzung, die durch den einheitlichen Aufbau der einzelnen Kapitel sinnvoll unterstützt wird. Jedem Kapitel ist ein Bild oder eine Graphik zum Thema vorangestellt. Zunächst erfolgt eine Einführung in den historischen Kontext, in einem zweiten Schritt wird der systematischen Relevanz der Fragestellungen nachgegangen und in einem dritten Teil folgen die didaktischen Überlegungen sowie die Vorschläge zur methodischen Umsetzung. Insgesamt bieten die Kapitel solide und verständliche Basisinformationen zu den ausgewählten Themenschwerpunkten. Am Ende jeden Kapitels ist weiterführende Literatur aufgeführt, die eine rasche Erarbeitung und Vertiefung des Themas ermöglicht. Der Band wendet sich an Lehrer und Lehrerinnen, Religionspädagogen und Religionspädagoginnen, die in Grundschule und Sekundarstufe I unterrichten und daher einen schnellen Zugriff benötigen. Allerdings bezieht er auch die Sekundarstufe II mit ein, weil in ihr viele der kirchengeschichtlichen Grundthemen curricular angesiedelt sind. Gerade für die Sekundarstufe II und für Lehramtsstudierende, für die dieser Band auch instruktiv sein dürfte, könnten die Literaturhinweise ausführlicher ausfallen.

Nicht immer wird der Band den in der Einführung (11-42) genannten Kriterien gerecht. Das gilt insbesondere für das Kriterium "Beseitigung geschlechtsspezifischer Defizite". So wird auch hier bei den meisten Themen ein traditionell an den männlichen Persönlichkeiten der Kirchengeschichte orientiertes Bild vermittelt. Die derzeitige Forderung von Religionslehrerinnen und Religionslehrern nach der Thematisierung der Rolle von Frauen im Religionsunterricht wäre auch bei diesen ausgewählten Grundthemen künftig stärker im integrativen Sinne zu berücksichtigen. Zusätzlich zu den inzwischen vorliegenden Unterrichtsentwürfen zu einzelnen Frauengestalten stellt es für die Kirchengeschichte und ihre pädagogische Vermittlung eine Herausforderung dar, die strukturellen Auswirkungen der Geschlechterdifferenz zu thematisieren und Frauen und Männer in ihrem Interaktionsrahmen stärker zu berücksichtigen.

Dessen ungeachtet lässt sich das Projekt der "Kirchengeschichtlichen Grundthemen" als gelungener Beitrag zur Vermittlung der Kirchengeschichte im Religionsunterricht beschreiben, der eine wissenschaftlich fundierte religionsdidak- tische Hilfe darstellt, pädagogisch und theologisch verantwortet ist und zum Weiterdenken und -konzeptionieren motiviert.