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Ausgabe:

Juni/2005

Spalte:

635 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kessler, Martin

Titel/Untertitel:

Battle of the Gods. The God of Israel Versus Marduk of Babylon. A Literary/Theological Interpretation of Jeremiah 50-51.

Verlag:

Assen: Royal Van Gorcum 2003. X, 259 S. gr.8 = Studia Semitica Neerlandica, 42. Geb. Euro 69,50. ISBN 90-232-3909-1.

Rezensent:

Peter Höffken

Die Arbeit ordnet sich in die kanonisch orientierte Propheteninterpretation ein, wie die "Introduction" (7 ff.) besagt. Ein erster Teil ist die Forschungsgeschichte (13-35), die in unbewältigten Fragen mündet. Das Fortschreiten der Forschung von Gattungen zu literarischen Motiven behandelt Kapitel 2 (37- 52), während Kapitel 3 (53-68) die Prämissen des "Literary Commentary" entfaltet, was dann für Jer 50-51 in den anschließenden zwei Kapiteln (69-102.103-145) konkretisiert und breit entfaltet wird. Kapitel 6 summiert die Befunde (147- 161). Kapitel 7 zeichnet die beiden Kapitel aus Jer in den Kontext der jeremianischen Völkerworte, den des Jer-Buches insgesamt und in den der Völkerworte des Jes-Buches ein (163-189), während Kapitel 8 Jer 50 f. gegen den Hintergrund der "realen" babylonischen Geschichte stellt (191-198, ein sehr knappes Kapitel also). Endlich summiert Kapitel 9 unter thematisch orientiertem Aspekt (199-222). Eine Bibliographie schließt an (223-240). Das Buch endet mit Registern (Autoren, Altes Testament). Soweit in Kürze der Aufbau.

Es werden also nach den Regeln rhetorischer bzw. literarisch-analytischer Kunst die Worte gegen Babel behandelt, ein Gliederungsvorschlag zu den Abschnitten der beiden Kapitel wird gemacht und versucht, den beiden Kapiteln einen steigernden Aspekt abzugewinnen. Diese Worte werden in den Kontext der Völkerworte (46-49) und in den des Jer-Buches insgesamt eingeordnet. Dazu kommt noch der Bezug auf die Babelworte des Jes-Buches. Im Kontext von Jer 46-51 wird vor allem die Eckstellung der Ägyptenworte und der Babelworte herausgearbeitet. Weniger einleuchtend scheinen mir die Überlegungen zur Reihenfolge (165 ff., optiert wird für ein geographisches Schema), einfach schon deswegen, weil die alttestamentlichen Daten nur sehr auswahlhaft (Amos-Worte und Gen 14) diskutiert werden. Das Ergebnis läuft darauf hinaus, dass sich die Ausformung von Jer 50 f. nicht nur auf die Anti-Juda-Botschaft des Buches bezieht (die umgeschrieben wird: z. B. in der Erneuerung der Botschaft vom Feind aus dem Norden, der nun nicht mehr Jerusalem, sondern Babel bedroht), sondern auch Motive aus den Völkerworten verwendet, vor allem aus dem gegen Edom gerichteten, was eher die Atmosphäre beider Völkerworte betrifft. D. h. in buchbezogener Interpretation, dass der Strafagent Babel in Zukunft dasselbe Geschick erleiden wird, das Juda-Jerusalem traf, ein Vorgang, der als "great reversal" (65) verstanden werden kann. Diese Umkehrung, die den (wie Kapitel 25, aber auch 46-49 zeigen) universalen Strafagenten Nebukadnezar/Babel zum Opfer macht, wird in das Buch eingezeichnet, so dass die Anti-Babel-Worte kein Fremdkörper darin sind.

Ein Desiderat kann hier sein: Ab wann kann man in der Entwicklung des Buches, diachron verstanden, mit einer solchen antibabylonischen Ausformulierung rechnen? Die Frage stellt sich nicht nur als Frage nach dem historischen Jeremia und seiner Botschaft, wie K. 202 f. meint, sie stellt sich schon schlicht auf dem Hintergrund der teilweise sehr probabylonischen Aussagen des Buches selbst an anderer Stelle. Die kanonische Ausrichtung bringt es mit sich, dass Fragen der LXX-Form des Jer-Buches nur ganz am Rande eine Rolle spielen. Ist das so einfach? Auch wenn für uns (d. h. Protestanten und Juden) die LXX kein kanonischer Text ist, ist er es doch für andere ... Man hätte also Grund gehabt, die Problematik aufzunehmen.

Das theologische Profil der Kapitel 50 f. wird von K. so bestimmt, dass die Vernichtungsbotschaft gegen Babel einen funktionalen Stellenwert für die Rückkehrforderungen an Israeliten und Judäer gewinnt: Darauf soll das entscheidende Gewicht liegen (vgl. abschließend 222). Zweifel daran sind erlaubt, wie die von K. als einleitender "Fokus" bestimmte Subeinheit 50,2-3 ebenso zeigt wie die abschließende Erzählung 51,59-64, die beide rein auf das Ende Babels "fokussieren". In dieser Auffassung K.s könnte sich freilich eine Art theologischer Sachkritik an den Worten verbergen, die den wichtigsten Nebenaspekt zur Hauptsache macht.

Wichtig ist, dass K. versucht, auf das Verhältnis von "wirklicher" Geschichte und Texterwartung einzugehen, und in diesem Zusammenhang auch die Geschichte Babels bis zur Zeitenwende in groben Zügen behandelt. Mit großer Klarheit wird gesehen, dass die Geschichte sehr anders verlief als der Text wollte. Babel verödete ohne kriegerischen Eingriff langsam. Ob man freilich mit der Auskunft zufrieden sein kann: "Only if we are willing to view the Jeremian prophecies as trajectories instead of predictions of imminent events, can we ascribe any sort of (historical!) credibility to these prophecies" (197)? Denn dies hängt wohl nicht nur von unserem Wollen ab, sondern kanonisch auch von dem, was die Texte selber sagen (vgl. 51,33) ... Ein Aspekt der Sache ist, dass die Worte Jer 50 f. eine Frühdatierung (vor dem Auftreten des Kyros) finden (196.206).

Das Problematischste scheint mir der Titel des Buches zu sein: Ein Götterkampf findet nicht statt. Marduk/Bel figuriert von vornherein als Verlierer, wie die Stadt Babel auch. Irgendwie kommt das auch auf S. 217 bei K. zur Sprache. Der Versuch, Jahwe und Marduk gegenseitig abzugrenzen (besonders 216), stützt sich vielleicht zu einseitig auf das Enuma elisch. Über Marduk lässt sich mehr sagen. Im Übrigen lässt Jahwe kämpfen, sei es durch irdisch-politische Größen oder auch solche mit stärker mythischem Rückhalt (z. B. 50,25). Man kann auch fragen, ob die Charakterisierunf babylonischer Götter ("Selfishness, hatred, violence, with the resultant killing and bloodshed", 216) nicht auch weithin für den Gott von Jer 50 f. zutrifft. - Die Bibliographie hätte umfassender sein können: Es fehlen etliche der im Werk genannten Autoren (Beispiel: J. Hill).