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Ausgabe:

Mai/1998

Spalte:

471 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schmitz-Kahmen, Florian

Titel/Untertitel:

Geschöpfe Gottes unter der Obhut des Menschen. Die Wertung der Tiere im Alten Testament.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1997. XIII, 161 S. 8 = Neukirchener Theologische Dissertationen und Habilitationen, 10. Kart. DM 58,-. ISBN 3-7887-1620-7.

Rezensent:

Annette Krüger

Die Monographie stellt die leicht überarbeitete Fassung einer 1996 an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal angenommenen Dissertation dar. Wie der Vf. einleitend formuliert, möchte er anhand ausgewählter Texte ermitteln, welche Mensch-Tier-Verhältnisse und welche Gott-Tier-Verhältnisse das Alte Testament kennt und wie sie gewertet werden. Es soll "eine Zoologie des Alten Testament", verstanden als Lehre vom Lebendigen, erarbeitet werden.

Die Arbeit gliedert sich in die zwei Hauptteile A. Tiere in Schöpfungstexten (17-85) und B. Tiere in Rechtstexten (89-142). Teil A beinhaltet die Untersuchung der Texte Gen 1,26.28; Gen 2,18-20; Hi 38,1-39,30; Ps 104 und Gen 9,1-17. Das Ergebnis der Betrachtung der beiden Schöpfungsberichte ergibt bezüglich des Tier-Mensch-Verhältnisses folgende Gemeinsamkeiten: In beiden Texten sind Tiere und Menschen "hps"-Träger, weshalb man von einer "wesenhaften Zusammengehörigkeit" (31;38 f.) von Mensch und Tier sprechen kann. Weiterhin nimmt der Mensch in beiden Texten eine Vorrangstellung gegenüber dem Tier ein (der Mensch ist Abbild Gottes und mit besonderem geistigen Vermögen begabt). Entscheidend für P wie für J (darf man diese Begriffe heute noch in einer so unkritischen Weise verwenden?) ist die Verantwortung des Menschen für seine Mitgeschöpfe. Für das im Herrschaftsauftrag Gen 1,26 verwendete Verb "rdh" sucht der Vf. ein deutsches Äquivalent, das sowohl das fürsorgliche Handeln wie das schonungslose Unterjochen gleichermaßen zum Ausdruck bringt. Er übersetzt die Stelle in V. 26 mit "die (sc. Menschen) sollen in ihre Obhut nehmen ..." (17). Auch für den Dichter der ersten Gottesrede Hi 38 f. sind, so S.-K., die drei Bereiche (die wesenhafte Zusammengehörigkeit von Mensch und Tier, die herausgehobene Stellung des Menschen in der Schöpfung und die "Herrschaft" des Menschen über die Tiere) die entscheidenden bei seiner Wertung der Tiere. Hi unterscheidet sich gegenüber P und J nur darin, daß hier nicht der Mensch, sondern Jahwe der Herr der Tiere ist und der Herrschaftsauftrag des Menschen darin liegt "die ihm fremden Schöpfungsbereiche samt den darin lebenden Tieren zu schützen, indem er sie Jahwes Fürsorge überläßt" (64). In Ps 104 macht der Vf. die höchste Wertung der Tiere im Alten Testament aus, u. a. weil Mensch und Tier hier gleiche Lebensrechte besitzen. Die "erneu(er)te Wertung der Tiere in der priesterlichen Flutgeschichte" (75) sieht der Vf. in der verstärkten Vorrangstellung des Menschen, die sich besonders aus der freien Nahrungswahl (Gen 9,3) ergibt. Am Mensch-Tier-Verhältnis hat sich nach der Flut aber nichts geändert.

Im zweiten Hauptteil der Arbeit werden zum einen Texte mit speziellen Schutzbestimmungen für Tiere, zum anderen die Stellung des Tiers in der Sabbatgesetzgebung sowie seine Stellung als Rechtssubjekt untersucht. In Ex 23,19b parr.; Dtn 22,6f. geht es nach S.-K. vorrangig um den Respekt vor der göttlichen Schöpfungsordnung - Mutter und Jungtier dürfen nicht zugleich in den Bereich der Nutzung kommen. Dtn 25,4 hat das natürliche Freßbedürfnis des Rindes im Blick, dem nicht zuwidergehandelt werden soll. Bei der im Gebot des Sabbatjahres (Ex 23,10 f.; Lev 25,1-7) enthaltenen Bestimmung, den Ertrag des Sabbatjahres wilden Tieren und Armen zu geben, wird ebenso wie bei der Forderung nach Ruhe und Erholung am Sabbat für alle Kreaturen wieder deutlich, daß Jahwe Herr des Landes ist und seine Geschöpfe auf einer Stufe stehen. Qualitative Unterschiede werden hauptsächlich im Bereich des Rechtslebens festgestellt. S.-K. resümiert: "In nahezu jedem der bisher analysierten Texte konnte festgehalten werden, daß Menschen und Tiere in der Relation zu Gott in erster Linie unterschiedslos als ... Geschöpfe Jahwes angesehen werden und erst in zweiter Linie als sich in Art und sozialer Stellung unterscheidende Wesen ... Der Mensch begreift sein besonderes, sich im Bekenntnis manifestierendes Verhältnis zu Jahwe nur dann richtig, wenn er sich zugleich darüber bewußt ist, daß er selbst nur ein Teil von Jahwes (belebter) Schöpfung und also mit den Tieren wesenhaft zusammengehörig ist" (130).

Besonders auffällig ist die starke Abhängigkeit des Vf.s von Sekundärliteratur, die die gesamte Arbeit durchzieht. An vielen Stellen hätten eingehende exegetische Untersuchungen umfassendere und differenziertere Ergebnisse ermöglicht. Leider findet eine Beschäftigung mit dem Alten Orient bis auf eine Ausnahme nicht statt.

Auch wenn das Büchlein keine "Zoologie" darstellt - dem interessierten Laien bietet es einen Einstieg in das Thema und einen Überblick über den Stand der Diskussion.