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Ausgabe:

Mai/2005

Spalte:

575–577

Kategorie:

Kirchenrecht

Titel/Untertitel:

Ausschuß für Religionsrecht. Nachtrag zu Bd. XIV (Völkerrecht). Hrsg. u. m. e. Einleitung versehen v. W. Schubert.

Verlag:

Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2003. XXXVI, 666 S. gr.8 = Akademie für Deutsches Recht. 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse, 15. Lw. Euro 115,00. ISBN 3-631-39411-X.

Rezensent:

Helmut Goerlich

Der voluminöse Band bringt die Edition der Protokolle der Ausschüsse der Akademie für Deutsches Recht zum Abschluss, die in zwei Verlagen erschienen ist - zunächst bei de Gruyter mit den Bänden 1 bis 4, dann bei Peter Lang. Der letzte Band nun enthält eine umfassende Einleitung samt Auflistung der verhandelten Gegenstände über das Inhaltsverzeichnis hinaus (XXI ff.) mit biographischen Notizen (XXVIII ff.) zu den Ministerialbeamten, Theologen und Kirchenrechtlern, die an den Debatten beteiligt waren; ihre Äußerungen sind in Wortlautprotokollen festgehalten. Die Themen sind durch Fragen der Rechtsverhältnisse der Kirchen veranlasst - vor allem in den durch das Reich annektierten und besetzten Gebieten, die jedoch weiter unter dem bisherigen Rechtsregime standen, so dass auch ihre Verträge und sonstigen Rechtsquellen in Kraft blieben.

Typischerweise ging es um Fragen der Konkordate, des Nihil obstat, der politischen Klauseln, des Körperschaftsstatus, der Bestellung eines Amtsverwesers eines Bischofssitzes durch die Kurie, des Doyennats des Nuntius, um ältere Einzelleistungen an Religionsgesellschaften, die Widmung für kirchliche Zwecke im Rechtssinne, die Lage im Sudetenland und im Memelgebiet und um das Verbot der Aufnahme von Geistlichen in die NSDAP, während offenbar ein Referat über Föderalismus und Einheitskirchentum in der Deutschen Evangelischen Kirche im Blick auf das Wartheland nur vorgesehen blieb. Auch sollte über die Lage im Elsass, in Elsass-Lothringen und Luxemburg referiert werden, ebenso über das Kirchenbeitragswesen und über dingliche Sicherungen von Dotationsleistungen nach dem preußischen Konkordat.

Die wissenschaftliche Würdigung der Beratungen durch die Einleitung geht offenbar von einer geringen praktischen Relevanz bei gleichzeitig relativ hoher wissenschaftlicher Qualität der Referate wie der Erörterungen aus. Allerdings dienten die Mitglieder der Ausschüsse ersichtlich dem Reichskirchenministerium, waren also ein Gegenüber zu den "Kurialjuristen", das den Zielen des damaligen Staates diente. Hingegen fanden teils prominente Juristen wie Werner Weber und Ernst Forsthoff in diesem Kreis nach dem Krieg auch Verteidiger, die den wissenschaftlichen Ausgangspunkt der Referate betonten. Von diesen Autoren sind Referate abgedruckt (etwa die auch anderenorts auffindbaren und anerkannten Arbeiten von Weber zum Nihil obstat, 497 ff., und von Forsthoff zur Widmung, 549 ff.), die sicher einen Standard der wissenschaftlichen Arbeit spiegeln, während jedoch andere Arbeiten, die ebenfalls schon während des Dritten Reiches publiziert wurden, nur genannt werden.

Des Weiteren enthält der Band einen Nachtrag zu den Beratungen des Ausschusses für Völkerrecht (595 ff.), der sich vor allem mit Deutschlands Stellung zum Völkerbund, zu Fragen der kollektiven Sicherheit, der Freiheit der Meere und der Vereinigten Staaten von Amerika - vor allem im Blick auf die Neutralität - befasst. Hauptteil und hier interessierendes Gebiet ist die Arbeit des Ausschusses für Religionsrecht.

Es wird durch die Einleitung auch deutlich, dass eine Sicherstellung der Wahrung kirchlicher Interessen von katholischer Seite, die zugleich in der NSDAP einen Fuß hatte, zu der Einrichtung des Ausschusses für Religionsrecht führte, wobei Eugen Graf Quadt-Isny, ein Mann ursprünglich nur des Zentrums, seit 1937 aber auch der NSDAP, eine wichtige Rolle spielte. Angestrebt wurde für den Ausschuss dann jedoch ein neutraler Vorsitz, wobei aber zugleich die zu behandelnden Fragen weitgehend vorgegeben und zunächst auch dem katholischen Bereich näher waren. Die Arbeit des Ausschusses wurde allerdings auf Hitlers Entscheidung hin beendet, nachdem der frühere Nuntius in Berlin, Pacelli, Papst und die religionspolitische Lage unklar geworden war, zumal auch das Konzept einer Reichskirche unter dem Regime Müllers scheiterte.

Kennzeichnend ist sowohl für das Interesse an der Einrichtung des Ausschusses als auch für seine Erörterungen jene Grundhaltung, Wasser auf beiden Schultern zu tragen - um der Erhaltung der kirchlichen Einrichtungen, ihres Personalbestandes und auch der Kirche als Ganzes willen -, eine Grundhaltung, die sehr häufig kirchlich engagierte Persönlichkeiten zeigten. Sie ist sicher nicht unverständlich und ebenso im protestantisch-lutherisch-evangelischen Kontext anzutreffen (vgl. etwa R. Lächele u. J. Thierfelder, Wir konnten uns nicht entziehen - 30 Biographien zu Kirche und Nationalsozialismus in Württemberg, 1998).

Die Schwierigkeit im Umgang mit derartigen Dokumenten liegt vielmehr in der Reichweite der heute möglichen Vorverständnisse gegenüber solchen Perspektiven. Denn es wird für die Kirchen sicher das Zeugnis derer, die eindeutig Stellung bezogen und den Preis dafür gezahlt haben, wichtiger sein als jene Diplomatie der befleckten Hände, der Öffnung für einen Zeitgeist, an dem teilzuhaben sich bitter gerächt hat. Auch Wortlautprotokolle, wie sie hier vorliegen, ändern nichts an der Schwierigkeit der Bewertung der Äußerungen der Teilnehmer der Diskussionen, gerade wenn sie so prominent sind wie Hans Barion, Erich Ruppel oder Johannes Heckel im religionsrechtlichen oder wie Hermann Jahrreiss, Axel Frhr. von Freytag-Loringhoven oder Ernst Wolgast im völkerrechtlichen Zusammenhang, wobei die Distanz des Fachs, dort durch das Medium der diplomatischen Welt verstärkt, ohnehin die Dinge erleichtert hat (zu den Juristen des öffentlichen Rechts empfiehlt sich: M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3, 1914-1945, 1999, zu konsultieren).

Insgesamt ist die Publikation zur Vervollständigung des Bildes der Akademie für Deutsches Recht zu begrüßen. Nach ihren frühen Phasen, die besonderen Formen des Antisemitismus Raum gegeben haben und zu den unrühmlichsten Wandlungen des Fachs nicht nur der öffentlich-rechtlichen Disziplinen gehören, erscheint der Band allerdings mehr als Echo des Abgesangs der anfänglichen Bedeutung jener fatalen Einrichtung, die sicher viele junge Leute jener Zeit in die Irre geführt hat, gerade weil sich die Fachprominenz dort tummelte, die irrtümlich als fortschrittlich, aufgeschlossen und zeitgemäß erschien, während sie in Wahrheit "einem großen Vollstrecker des Bösen" gedient hat.