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Ausgabe:

Mai/2005

Spalte:

550–552

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Werner, Winfried

Titel/Untertitel:

Fundamentaltheologie bei Karl Rahner. Denkwege und Paradigmen.

Verlag:

Tübingen-Basel: Francke 2003. XIV, 470 S. gr.8 = Tübinger Studien zur Theologie und Philosophie, 21. Kart. Euro 59,00. ISBN 3-7720-2589-7.

Rezensent:

Andreas R. Batlogg

An den Universitäten Innsbruck (1937/39, 1948/64) und Münster (1967/71) war Karl Rahner (1904-1984) als Dogmatiker und Dogmenhistoriker tätig, in München (1964/67) konnten seine Vorlesungen auf dem an der Philosophischen Fakultät angesiedelten Romano-Guardini-Lehrstuhl von Hörerinnen und Hörern aller Fakultäten besucht werden. Universalist bzw. "Generalist" (2), der er war, hat der Jesuit jedoch Fächer übergreifend seine Spuren hinterlassen und somit auch der Fundamentaltheologie wertvolle Impulse gegeben - abgesehen davon, dass ordensintern offenbar bis unmittelbar vor Beginn des Wintersemesters 1937/38 nicht klar war, ob er an der Innsbrucker Theologischen Fakultät als Fundamentaltheologe oder als Dogmatiker eingesetzt werden sollte (vgl. 24.31.53 f.56).

Mit den bei den Salzburger Hochschulwochen im August 1937 vorgetragenen Gedanken zum Verhältnis von "Religionsphilosophie und Theologie", die 1941 unter dem Titel "Hörer des Wortes" in Buchform erschienen, und dem "Grundkurs des Glaubens" (1976), welcher Vorlesungen in München und Münster zusammenfasste, hat sich Rahner bleibend in die Standardliteratur fundamentaltheologischen Denkens eingeschrieben. Sie bilden die beiden "Eckpfeiler" der vorliegenden, minutiös konzipierten und ebenso sorgfältig ausgearbeiteten Studie, die auf eine bei Max Seckler an der Universität Tübingen erstellte Doktorarbeit zurückgeht und, wie der Untertitel präzisiert, nicht auf Inhalte Rahnerschen fundamentaltheologischen Denkens abzielt, sondern "Konzeptionstypen" bzw. "Konzeptionen" (2.28) in den Blick nimmt und damit eine "Forschungslücke" (2) zu schließen bestrebt ist. Die beiden genannten Werke sind "Ausdruck und Verdeutlichung für den allgemeinen Übergang vom fundamentaltheologischen Extrinsezismus zu einer intrinsezistischen Fundamentaltheologie im 20. Jahrhundert" (3, vgl. 28). Im Blick auf Rahners Biographie/Bibliographie wird betont: "Die Umstände, unter denen seine fundamentaltheologischen Entwürfe entstehen, sind keine zufälligen Widerfahrnisse. Seine Fundamentaltheologie entspringt zwar Ausnahmesituationen, aber sie ist deshalb keine Rand- oder Ausnahmeerscheinung in seinem Werk." (11)

Umrahmt von einer instruktiven "Einleitung" (1-28: 1-4) und dem kompakten "Schluß" (440-454: 34) gliedert sich die Untersuchung in drei Abschnitte: Teil I "Fundamentaltheologie im Frühwerk Karl Rahners" (29-192: 5-17), Teil II "Fundamentaltheologie in der mittleren Schaffensphase Rahners" (193-360: 18-26) und Teil III "Fundamentaltheologie im Spätwerk Karl Rahners" (361-439: 27-33). Diese Einteilungen werden chronologisch verstanden, müssen aber gelegentlich unter anderen Rücksichten ausgeweitet werden.

Zu Teil I: Rahners literarische Produktion im Zeitraum 1924 bis 1945 weist 127 Veröffentlichungen aus, von denen die Rezensionen (die seinen Übergang von dem ursprünglich vorgesehenen Einsatz in der Philosophie zur Dogmatik widerspiegeln) den größten Teil ausmachen. Lediglich die Salzburger Vorlesungen und "Hörer des Wortes" - zeitlich gesehen das Jahr 1937 bzw. 1941 (die Neubearbeitung durch J. B. Metz 1963 gehört zur zweiten Werkphase und hat die Konzeption der Erstausgabe "grundlegend verändert": 39) - "erfüllen das Kriterium, eine eigene Konzeption von Fundamentaltheologie zu entfalten" (35). Rahner wollte eine "ideale Fundamentaltheologie" ins Werk setzen (58 f.), die er als Religionsphilosophie in Form einer Ontologie der potentia oboedientialis für Offenbarung konzipierte. Der Schlüsselbegriff "potentia oboedientialis" wird einer von der Patristik über die Hochscholastik bis zur Neuscholastik reichenden Analyse unterzogen (69-90). Motivische Verschiebungen zeigen sich in der Theologiegeschichte ebenso wie bei Rahner selbst, was die Frage nach der Originalität dieses in der Folge inflationär verwendeten Motivs bei ihm (96-113 [Fazit: 112 f.].113-124) aufwirft. Bei Rahner findet sich der Begriff nach W. "gnadentheologisch eingeengt" (443). Aufschlussreich sind die detaillierten Abschnitte über die verschiedenen Rezeptionsetappen von "Hörer des Wortes" (138-170) wie auch die Bemerkungen über Rahners fundamentaltheologische Konzeption auf dem Hintergrund der von Henri de Lubac SJ in seiner 1929 gehaltenen Antrittsvorlesung "Apologétique et Théologie" eröffneten Perspektive: "Während de Lubac eine intrinsezistische Fundamentaltheologie durch Aufweis des Bezugs des Offenbarungsinhalts zur Natur, zur Vernunft und zum Intellekt des Menschen entwickelt, bedeutet Rahners Lösungsvorschlag geradezu eine Verfestigung des fundamentaltheologischen Extrinsezismus, da der Inhalt des Offenbarungswortes (wie auch das Gnadenwirken und das Glaubenslicht) bei seinem Ansatz definitiv ausgeklammert sind und lediglich die potentia oboedientialis der Natur des Menschen, das natürliche Empfangsvermögen für Offenbarung untersucht wird." (187)

Teil II beschäftigt sich mit der zeitlich von 1946 bis 1976 angesetzten Schaffensphase Rahners, die 3200 Publikationen ausweist, darunter eine Vielzahl von Lexikon- und Handbuchbeiträgen, die "Schriften zur Theologie" (1954 ff.), die zusammen mit Heinrich Schlier herausgegebene Reihe "Quaestiones disputatae" (1958 ff.) und "Kleinschriften". Eine selbständige, systematisch und umfassend ausgeführte Fundamentaltheologie lässt sich nicht behaupten; als Charakterisierung dient W. das Heidegger-Wort "Wege - nicht Werke" (449). De facto kommt hier die Bibliographie ab 1939 zur Behandlung, womit der "Dispositionstext" (256) "Aufriss einer Dogmatik" mit seiner Konzeption einer formalen und fundamentalen Theologie zum Thema wird. Ausführlich geht W. auf das Wiener Memorandum ein. Differenzierungen in der Neubearbeitung von "Hörer des Wortes" durch Metz, Akzentuierungen im Zusammenhang mit dem Pluralismusproblem und Vorstufen zur Grundkurs-Idee sind die Schwerpunkte dieser Phase, die eine "neue Konzeption" von Fundamentaltheologie erkennen lässt: "eine Form rationaler Glaubensbegründung ..., nun aber nicht mehr im vortheologischen Bereich der praeambula fidei angesiedelt, sondern innerhalb der Dogmatik beheimatet" (360).

Teil III umfasst die literarische Produktion von 1976 bis 1984: 663 Nummern in der Bibliographie (darunter viele Übersetzungen). Detailreich werden Vorgeschichte, Genese und Wirkung des gegenüber "Hörer des Wortes" in der Forschung bisher "stark unterbelichtet" (19) behandelten "Grundkurses" untersucht, dessen fundamentaltheologische Konzeption von M.Seck- ler als "sapientiale Theologie" (14) gewürdigt wurde.

Überrascht es, dass der Dogmatiker Rahner nicht "immer an der vordersten Front der wissenschaftlichen Entwicklung im Begriff der Fundamentaltheologie" (19) anzutreffen ist? W.s materialreiche Studie, die manchmal etwas salopp formuliert ("Drive": 275) oder spekuliert (z. B. H. U. v. Balthasars Ordensaustritt: 150, Anm. 5), die Konzeption der "Sämtlichen Werke" K. Rahners (bes. Bd. 4) wiederholt kritisiert und verdiente Autoren hart angeht, bringt die Rahnerforschung weiter.