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Ausgabe:

Mai/2005

Spalte:

505–507

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Oeming, Manfred, u. Konrad Schmid [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Der eine Gott und die Götter. Polytheismus und Monotheismus im antiken Israel.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2003. VIII, 275 S. m. Abb. gr.8 = Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments, 82. Geb. Euro 36,00. ISBN 3-290-17273-2.

Rezensent:

Werner H. Schmidt

Ein Sammelband ist schwer anzuzeigen - auch dieser weist mit seinen verschiedenen Aufsätzen viele Nuancen auf. Der Band ist aus Heidelberger Vorlesungen hervorgegangen und enthält Beiträge von zwölf Autoren (G. Ahn, K. Schmid, E. A. Knauf, C. Frevel, B. A. Levine, B. Lang, M. Köckert, A. Aurelius, M. Albani, B. Becking, H. Niehr, F. Maciejewski). Durch diese Vielfalt lässt er Tendenzen der Forschung erkennen. Soll man dem Inhaltsverzeichnis folgen? Die kurze Besprechung kann nicht die einzelnen Beiträge darstellen und würdigen, vielmehr nur (meist mit der Nennung von Autor und Seitenzahl) auf einige Tendenzen und Probleme hinweisen und sich so am Gespräch über das Thema beteiligen.

Angesichts der heutigen allgemeinen Situation - mit "einer äußerst facettenreichen Konstellation religiöser Strömungen und Traditionen" (G. Ahn, 2) - ist die Fragestellung nicht ohne Gegenwartsbezug, der gelegentlich auch durchscheint. Das Neue Testament und das Christentum haben den Gottesnamen JHWH nicht übernommen, wohl aber mit ihm verbundene Einsichten des Glaubens. Auch insofern hat das Thema Gewicht. Beide im Untertitel genannten Begriffe sind, worauf eigens verwiesen wird, mehrdeutig, umfassen verschiedene Phänomene und lassen sich differenzieren: Polytheismus (5 f.16 f.) wie Monotheismus (17 f.).

Den Terminus "Monotheimus" sollte man im Anschluss an A. Bertholet - etwa gegenüber Monolatrie - einer Aussage vorbehalten, die zwei Aspekte bzw. Elemente enthält, Affirmation und Negation: ausschließliche Hinwendung zu dem einen Gott und grundsätzliche Leugnung der Existenz anderer Götter (vgl. ThLZ 122 [1997], 1081-1092). Eine solche Doppelaussage findet sich bei dem Exilspropheten Deuterojesaja (44,6; vgl. 43,10): "Ich bin der Erste und Letzte, und außer mir ist kein Gott"; sie begegnet, worin trotz weit abweichender Auffassungen bei den Exegeten eine gewisse Einigkeit besteht (vgl. 13), erst seit der Exilszeit. Von diesem expliziten könnte man einen "impliziten Monotheismus" unterscheiden, wenn wie in der Schöpfungsgeschichte Gen 1 für andere göttliche Mächte kein Wirkraum bleibt.

G. v. Rad (TheolAT I, 41962, 224) hatte mit seinem Gespür für Texte unterschieden: Am Monotheismus als solchem hat sich Israel "nicht gemessen und geprüft, so wie es sich am ersten Gebot gemessen und geprüft hat". In der Tat ist die Forderung der Ausschließlichkeit des Glaubens älter (vgl. Ex 22,19), wie vor allem die Propheten mit ihrer Kritik bezeugen - wie alt, entscheidet sich an der Beurteilung der Traditionen Elias, Hoseas, auch Jesajas (2,17) und Jeremias. Ihre Intention wird eher später zugespitzt im Ersten Gebot im Dekalog ausgesprochen; es stellt kaum "den ersten Ausdruck der Fremdgötterpolemik" (E. Aurelius, 157) dar.

Im Mittelpunkt kritischer Bewertung steht durchweg die Erzählung vom Karmel, die ohnehin wegen ihres Wunder-Charakters neuzeitlichem Bewusstsein Schwierigkeiten bereitet und in der nicht eine Einzelperson, vielmehr das Volk aufgerufen wird. M. Köckert (111 ff., bes. 140) kommt zu dem Ergebnis: "Der Elia von 1Kön 17-18 ist Monotheist durch und durch ... Dieser Elia ist ein literarisches Produkt wohl nicht vor dem 6./5. Jh. v. Chr.". Verdient bei der Rückfrage nach Elia der Kern der Überlieferung von 2Kön 1 mit der Wendung an den König nicht mehr Beachtung? Hier finden sich die Eigenarten der Schriftprophetie mit der Anklage des Volksganzen (noch) nicht, und die Rede vom "Gott in Israel" (2Kön 1,6 u. a.) spricht nicht für einen Monotheismus.

Eingehend mit vielfältigen Belegen aus dem Marduk- und Sin-Kult ist der Beitrag von M. Albani zu "Deuterojesajas Monotheismus" (171 ff., bes. 200): "Die Situation im babylonischen Exil während der Herrschaft des letzten neubabylonischen Königs Nabonid ist ... am besten als historischer und religionsgeschichtlicher Hintergrund des monotheistischen Weissagungenbeweises DtJes' denkbar." Allerdings kann man bei Nabonids Verehrung des Mondgottes Sin "nicht von Monotheismus im biblischen Sinne sprechen, da ja die Leugnung der Existenz anderer Götter ... nirgendwo explizit belegt ist" (181).

Wird bei der Darstellung (171 ff.) aber nicht der innerprophetische Zusammenhang übergangen? Der Exilsprophet Deuterojesaja bezieht sich vielfältig auf Einsichten der vorexilischen Schriftpropheten, etwa mit der Gestaltung der Szene Jes 40,1-8, der Opferkritik (43,22 f.), dem Verständnis des Volkes als "taub, blind" (42,18 f.; 43,8) oder auch der Hervorhebung des Wortes Gottes (Jer 1,9.11 f.; Jes 40,8). Im bildhaften Kontrast "lebendige Quelle - selbst gemachte, rissige Zisternen" bereitet Jeremia (2,13) jene monotheistischen Aussagen des Exilspropheten vor (vgl. kein anderer "Helfer" Hos 13,4 mit Jes 43,11 u. a.). Klingt in der Zukunftsansage als Kriterium (Jes 41,22 f.; 42,9) nicht die Bedeutung und Erfüllung der Botschaft seiner prophetischen Vorgänger (vgl. 44,26) nach?

Die innerprophetische Wirkungsgeschichte ist gerade heute angesichts der vielfältigen Datierung der Texte in die Spätzeit wichtig. Die Propheten stehen in einem - die eigene Situation übergreifenden - Zusammenhang der Glaubensgeschichte und wissen darum. Greift der Exilsprophet Deuterojesaja nicht selbst ausdrücklich auf ein Basiswissen vom Glauben zurück (40,28 u. a.): "Weißt du nicht, hast du nicht gehört?"

B. A. Levine bedenkt das Thema "im Rahmen der altorientalischen Religionsgeschichte ... aus politischem Blickwinkel" (77) und kommt zu der Schlussfolgerung (95): "Ein Hauptthema biblischer Prophetie war die Aussage, daß es verheerende Folgen mit sich bringt, sich auf militärische Macht oder ausländische Verbündete zu verlassen." Für Israel galt es zu lernen, "als Volk ohne Land, ohne auch nur ein Minimum an irdischer Macht, zu existieren".

Wieweit ist überhaupt eine Besonderheit zu erkennen und anzunehmen? "Die neuere religionsgeschichtliche Forschung muss heute damit rechnen, dass das historische königszeitliche Israel in den üblichen Orientierungskoordinaten einer vorderorientalischen Nationalreligion gedacht hat" (K. Schmid, 15). "Als Arbeitshypothese ist davon auszugehen, dass der Tempel in Jerusalem während der Königszeit ... einen normalen altorientalischen Kult aufwies, der sich grundsätzlich nicht unterschied von zeitgenössischen Kulten" (H. Niehr, 230).

So regen manche Ausführungen zu - eher grundsätzlichen - Fragen an, die immer wieder neu der Diskussion bedürfen, etwa: Wieweit können altorientalische Parallelen als beweiskräftige Analogien gelten? Wieweit wird das Allgemeine, Gemeinsame und Übernommene individuell umgeformt? Im Zusammenhang mit der Datierung alttestamentlicher Überlieferungen wird die Bedeutung der politischen Lage für die Struktur des Glaubens gelegentlich recht hoch veranschlagt. Werden nicht eher Ansätze älterer Überlieferung weitergeführt, jeweils situationsbezogen-aktuell ausgestaltet?

B. Lang (110) formuliert eindeutig: "Das Erfinden von Traditionen ist nicht so schwierig, wie es uns erscheinen mag, denn mündliche Überlieferungen lassen sich leicht manipulieren ... Der Jahwe-allein-Bewegung gelang es, die traditionelle judäische Religion in ihrem Sinn zu definieren ...". Abgesehen von der Frage, wie man eine solche Auffassung begründet: Wäre nicht zu erwarten, dass die konstruierte Vergangenheit einheitlicher, schematischer entworfen wäre? Tatsächlich ist sie - gerade in älteren Partien - vielgestaltig, gelegentlich sogar widersprüchlich. Lässt sich die Eigenart dieser Überlieferung noch verstehen, wenn man sie aus dem Rückblick der Spätzeit erklärt?

In dem Sammelband werden noch manche andere Themen berührt, wie der Dekalog mit einer vermuteten Vorform, Götterbild und Bilderverbot, Kultzentralisation, Beschneidung oder Elephantine. Auf S. 64 f. scheinen die Zählung der Abbildungen und der Text durcheinander geraten zu sein, oder eine Abbildung fehlt (256: "nachexilische Zeit").

Jeder Versuch einer Antwort auf die Fragestellung des Bandes hängt in erheblichem Ausmaß damit zusammen, ob und wieweit man biblischen Traditionen aus vorexilischer Zeit mit einem gewissen Vertrauen oder mit Misstrauen begegnet - Erzählungen wie Rechtssammlungen, insbesondere den verschiedenen, ja eigengeprägten Worten der so genannten Schriftpropheten. Hier gilt es, Voraussetzungen der Auslegung mit der Vielfalt der Überlieferung ins Gespräch zu bringen: Wie erklärt sie sich leichter? Bei Abhängigkeit der Schriftpropheten untereinander ist oft ein Gefälle erkennbar, das schwerlich umkehrbar ist.

Die Propheten, zumal die so genannten Schriftpropheten, vertreten nach ihrem Selbstverständnis nicht die allgemeine Meinung, nicht die Auffassung des Volkes. Einerseits bestätigen sie so, dass die Wirklichkeit in Israel anders aussah (Hos 4,10 ff.; Jer 2,23 ff.; 3,2 u. a.), andererseits zeigen sie, dass es Kritik an der vielleicht vorherrschenden Ansicht gab. Dabei wissen sie um einen Maßstab, der das Urteil ermöglicht. Zugleich setzt die prophetische Botschaft voraus, dass die Hörer bzw. Zeitgenossen von der Abweichung ihres "Wegs" (Jer 2,23.33 u. a.) wissen konnten. Tritt das selbst-kritische Potential des alttestamentlichen Glaubens in der Darstellung zurück, so verzichtet man auf Wesentliches. Müsste es nicht gerade heute - in einer Zeit, in der Religionskritik weit verbreitet ist - bedacht werden?

Manche Datierungen alttestamentlicher Texte muten erstaunlich sicher an. Theorien werden entwickelt, die kaum mehr allgemeine Geltung erlangen und sich ablösen. Gewiss hat die Rückfrage nach der Situation ihr Recht, ja ihre Notwendigkeit. Allerdings ist die - heute vielfach so beherrschend hervortretende - Frage nach der Datierung, den Entstehungsbedingungen, nur vorläufig, kann nicht das Ziel der Auslegung sein. Vielmehr ist nach den Intentionen oder Aussage-Absichten des Textes zu fragen: Was will er- eventuell in seinen verschiedenen Stadien - sagen?

Die gegenwärtige allgemeine kulturelle Situation verlangt in besonderer Weise das Verstehen des anderen, des Fremden - eben dies ist die ureigene Aufgabe des Exegeten. Geht es im ersten Fall um das Verstehen einer anderen Person, die widersprechen, sich gegenüber Missverständnis wehren kann, so bleibt der Text weit stärker der Interpretation ausgeliefert. Der Exeget hat (nur) die Methoden und die Gründe, die für andere- auch aus anderen Traditionen und Kulturen - nachvollziehbar sein müssen, so dass man bei verschiedener Herkunft und trotz unterschiedlicher Interessen zu gemeinsamen Einsichten kommen kann.