Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2005

Spalte:

463 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schröder, Bernd

Titel/Untertitel:

Evangelische Kontaktstunde an Grundschulen. Modell gelingender Nachbarschaft von Schule und Gemeinde.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2003. VIII, 184 S. m. Abb. u. Tab. 8. Kart. Euro 19,90. ISBN 3-7887-2020-4.

Rezensent:

Günter Ruddat

Mit diesem Buch des Professors für Religionspädagogik Bernd Schröder (früher Münster, jetzt Saarbrücken) wird dankenswerterweise ein in Deutschland einmaliges regionales religions- und gemeindepädagogisches Projekt vorgestellt, das (abgesehen von meinem Beitrag: Vom Kontakt zur Begegnung. Religionspädagogische Perspektiven einer Nachbarschaft von Schule und Gemeinde am Beispiel der "Ev. Kontaktstunde" in Nordrhein-Westfalen, in: G. Fermor/G. Ruddat/H. Schroeter-Wittke [Hrsg.]: Gemeindekulturpädagogik [FS H. Schröer], Rheinbach 2001, 276-309) bisher im Wesentlichen nur in der grauen Literatur der Pädagogischen Institute und Schulreferate in Nordrhein-Westfalen zugänglich war: die Evangelische Kontaktstunde, ein "kirchlich verantworteter Baustein in der staatlichen Grundschule" (3).

"Mit Beginn des Schuljahres 1998/1999 wurde den evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen erstmals die Möglichkeit eröffnet, in den dritten und vierten Klassen der Grundschule ein sogenanntes Kirchliches Angebot (Evangelische Kontaktstunde) durchzuführen. Für die katholische Kirche bestand eine solche Option, die dort bis heute unter der Bezeichnung Seelsorgestunde firmiert, schon seit längerem." (1) Die von den beteiligten Landeskirchen unterschiedlich vorstrukturierte Ausgestaltung ist weitgehend von den vor Ort verantwortlichen Personen abhängig, ebenso die Entscheidung, ob- in Abstimmung mit den Grundschulen - überhaupt eine Kontaktstunde durch die Kirchengemeinde durchgeführt werden soll. Diese angedeuteten Spiel- und Freiräume im Umfeld der Kooperation von Schule und Gemeinde waren Anlass und Horizont (1-2) der quantitativen Untersuchung, nicht nur die Akzeptanz und die Verbreitung des Modells nach drei bzw. fünf Jahren zu erfassen, sondern auch die grundlegenden Gestaltungsoptionen in der Phase der Konstituierung des Modells zu beschreiben, um differenziert die Chancen und die Schwierigkeiten der Kontaktstunde wahrzunehmen und Anregungen zu ihrer konzeptionellen Weiterentwicklung zu geben.

Auf dem Hintergrund der vielschichtig nachgezeichneten, problematischen Entstehungsgeschichte dieses Modells zwischen "verlässlicher Grundschule" und "kinderfreundlicher Gemeinde" und der damit jeweils verbundenen Rahmenbedingungen (Teil 1, 3-60) werden die Ergebnisse einer empirischen Erhebung (leider nur!) im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen (Teil 2, 61-128) vorgestellt. Für die ebenfalls - von diesem im Grunde staatlich verordneten "Angebot": Ersatz für die Kürzung der dritten Stunde Religionsunterricht im 3.und 4. Schuljahr - betroffene Evangelische Kirche im Rheinland und für die Lippische Landeskirche legt Sch. immerhin akzentuiert anders gelagerte "elementare Daten zur Situation der Kontaktstunde" in einem knappen Exkurs (132-134) vor. Wichtige Ergebnisse der Umfrage werden noch einmal in 21 Punkten zusammengefasst (128-132).

In einem dritten Teil der Untersuchung entwickelt Sch. religionspädagogische Überlegungen zur Zukunft der Kontaktstunde (Teil 3, 135-166): Zehn "Motive und Gründe" für die Kontaktstunde werden angeführt (136-150), gefolgt von sieben "Maximen zur Gestaltung" (150-154) und sechs möglichen "Optionen zur Profilierung" (158-161), bevor drei unterschiedliche "Szenarien für die Zukunft" vorgestellt werden (162-163: "Die Kontaktstunde bleibt ... weiterhin mehr oder weniger sich selbst überlassen, ... erfährt ... eine zweite Phase der Belebung und konzeptionellen Profilierung mit allen Mitteln; ... ihr wird durch die verdichtete interkonfessionelle Kooperation bzw. die Ökumenisierung des Religionsunterrichts eine neue, qualitativ andere Bedeutung zugespielt" (nämlich: die "konfessionelle Ergänzung"). Abschließend erscheinen "sieben (bildungsstrategische) Schritte zur Intensivierung des Nachdenkens sowie Handelns vor Ort" (164-166) vordringlich, die vor allem darauf zielen, "exemplarisch eine Spielart der Nachbarschaft von Schule und Gemeinde" und "Formen christlicher Präsenz in der Schule jenseits des Religionsunterrichts" weiter umzusetzen.

Ein ausführliches Literaturverzeichnis (167-176) zum Thema, inklusive der parallelen katholischen "Seelsorgestunde" (vgl. Exkurs, 9-21), und ein Anhang (177-184) mit den wichtigsten staatlichen und kirchlichen Dokumenten zur Kontakt- und Seelsorgestunde runden das informative Buch ab.

Sch. hat mit seiner Untersuchung nicht nur einen neuen "Typus der Nachbarschaftspflege zwischen Kirche(ngemeinde) und Schule" und einen besonderen "Baustein christlich-religiöser Begleitung von Kindern" vorgestellt (166), sondern gleichzeitig selbst einen anregenden Beitrag zur nachbarschaftlichen Weiterentwicklung der Kontaktstunde vorgelegt, der zum einen in Nordrhein-Westfalen zur Pflichtlektüre aller im Kontext von Schule und Gemeinde tätigen Professionen gehören sollte, zum anderen zur bundesweit angesagten Aufklärungsliteratur über ein auch in anderen Bundesländern und Landeskirchen denkbares Modell.