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Ausgabe:

April/2005

Spalte:

448–452

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

1) Bründl, Jürgen 2) Kruhöffer, Bettina

Titel/Untertitel:

1) Masken des Bösen. Eine Theologie des Teufels.

2) Reflexionen über das Böse. Sprachliche Differenzierungen in Auseinandersetzung mit der Theologie Wolfhart Pannenbergs.

Verlag:

1) Würzburg: Echter 2002. 431 S. gr.8 = Bonner dogmatische Studien, 34. Kart. Euro 28,80. ISBN 3-429-02369-6.

2) Münster-Hamburg-Berlin-London: LIT 2002. XIII, 288 S. gr.8 = Studien zur systematischen Theologie und Ethik, 31. Kart. Euro 25,90. ISBN 3-8258-5936-3.

Rezensent:

Carsten Rentzing

Die beiden vorliegenden Dissertationen handeln letztlich vom Nutzen der theologischen Rede vom Bösen, die gegenüber profanem Sprachgebrauch einen realen Gewinn erbringen soll.

Für Bründl konkretisiert sich die Fragestellung im Thema des Teufels. Weit entfernt vom naiven Teufelsglauben kirchlicher Traditionalisten möchte B. auch denen nicht folgen, die die Person des Teufels für theologisch erledigt halten. B. argumentiert dabei vor dem Hintergrund römisch-katholischer Lehrstreitigkeiten, die er mit seinem Ansatz zu überwinden sucht. Anders als die "halboffizielle Stellungnahme von Christlicher Glaube und Dämonologie" (97) möchte sich B. nicht an der "Behauptung der Existenz der dämonischen beziehungsweise diabolischen Wesenheit" (91) beteiligen, allerdings ebenso wenig am programmatischen Abschied vom Teufel, den Herbert Haag mit seinem gleichnamigen Werk zelebriert.

Produktive Potentiale erkennt B. in der Wiederentdeckung der Lehre von der Apokatastase, die den Teufel schließlich als Erlösten kennt und das Böse damit zur egoistischen "Selbstverschließung vor der erbarmenden Liebe Gottes" macht. Mit entsprechenden schöpfungstheologischen Ansätzen betont er die Bedeutung des Menschen für das Drama des Bösen. Der Mensch muss sich "in einer Weltwirklichkeit, die von der Realität des Bösen diskreditiert zu sein scheint, sinnvoll zurechtfinden" (66).

B. will "einen hermeneutisch gangbaren Weg ... finden, der zwischen den Klippen von Ideologie und Häresie die überlieferten Bilder des Teufels sachgemäß zum Sprechen bringt und damit einen argumentativen Beitrag zur Problematisierung des Bösen leistet" (19). Das II. Kapitel seiner Arbeit widmet sich daher auf den folgenden 100 Seiten der Entfaltung eines hermeneutischen Ansatzes. Eigentlich handelt es sich dabei um einen Rückblick auf hermeneutische Klassiker von Gadamer über Bultmann und Heidegger, Fuchs bis hin zu Ricur. Verständlich wird diese breite Darstellung, wenn man sich nochmals verdeutlicht, dass B. römisch-katholischer Theologe ist. In seiner Aufnahme hermeneutischer Erkenntnisse steht B. zwar nicht allein da, zu den Selbstverständlichkeiten gehört die entsprechende Sichtweise vor dem Hintergrund römisch-katholischer Theologie dennoch keineswegs.

Vor allem drei Erkenntnisse der Hermeneutik greift B. für sein Thema auf. Erstens: Bei der Frage nach dem Teufel geht es um Interpretation und Deutung von Wirklichkeit und nicht um empirische Beweise für seine Existenz. Zweitens: Das Bild ist die ursprüngliche Form, "in der sich die Wahrheit des Seins dem Verstehen erschließt, da seine metaphorische Uneindeutigkeit zum produktiven Bedeutungsraum wird" (136). Drittens: Eine Aufspaltung von Form und Inhalt ist unzulässig. Nicht hinter dem Bild, sondern nur im Bild ist die Wirklichkeit, die es aussagen soll, zu finden. Jenseits von der Frage nach Existenz bzw. nach Substitution des Teufels beschreitet B. somit einen dritten Weg. Durch die Figur des Teufels wird das Böse für B. eigenständig und anschaulich. Gegenüber der Hamartologie besitzt die Rede vom Teufel keine soteriologische Ausrichtung. "Es geht ihr ausschließlich um das böse Geheimnis des Bösen und nicht um das gute seiner Überwindung." (291)

Im letzten Teil seiner Ausführungen findet schließlich eine Darstellung der Rechtfertigungslehre Luthers Platz. Sie wird nötig, da B. hermeneutische Ansätze seiner Arbeit zu Grunde legt, die aus dem evangelischen Raum entstammen. Irritationen ruft sie vor allem hervor, wo B. eine soteriologische Funktionalisierung des Teufels bei Luther erblickt. Die existentielle Unterscheidung von deus revelatus, deus absconditus und deus nudus bei Luther kommt nicht recht in den Blick.

Auch die Wiederholung des römischen Vorbehaltes, eine Rede von der totalen Verderbnis des Menschen führe zur Annahme eines bösen Gottes (so 342), redet letztlich an dieser wichtigen Unterscheidung vorbei. B. argumentiert hier vor dem Hintergrund der römisch-katholischen Ontologie, die Natur, Gnade und Herrlichkeit in einen stetigen Zusammenhang setzt, während für Luther gerade die Diastase derselben konstitutiv bleibt. Ohne den Glauben an den deus revelatus, der uns gnädig ist, müsste uns Gott tatsächlich auf der Ebene der natürlichen Erfahrungswelt zum Teufel werden. Der Gott der Herrlichkeit wiederum geht uns (noch) nichts an (quod supra nos nihil ad nos). Daraus aber kann keine differierende Wesensaussage über Gott gemacht werden, da es um die gar nicht geht. Für B. jedenfalls liegt die Stärke der (römisch-katholischen) Tradition mit Blick auf den Teufel darin, dass die entsprechende Rede das Böse an sich zum Thema hat und nicht nur seine Überwundenheit.

Im Teufel wird das böse Geheimnis dargestellt. Er wird zu einer Reflexionsgestalt des Glaubens, "die das Böse personal in der theologischen Kategorie der Apostasie zu denken gibt" (389) und somit die Begriffe Versuchung, Verstockung und Verdammnis versinnbildlicht. Der Teufel macht das Böse hinsichtlich seiner Bösartigkeit erkennbar, seine Inszenierung erklärt aber das Böse nicht. Im Teufel ist keine metaphysische causa der Weltübel zu sehen, sondern eine Figuration, "die das Unaussprechliche der bösen Wirklichkeit ... zur Anschauung bringt" (393).

"Diesen Teufel zu kennen - und nicht etwa an ihn zu glauben- ist der vordergründige Zweck der diabolischen Inszenierung." (396) Solches Kennen hat für B. eminent praktische Wirkung, wenngleich keine Handlungsanweisungen im konkreten Sinne daraus zu gewinnen sind. In der Selbstherrlichkeit seiner Tat und in der Verurteilung der Welt (und damit seiner selbst) gipfelt das böse Geheimnis und erhält seine Maske den letzten Farbtupfer. Die Frage nach der Existenz des Bösen wird von B. hermeneutisch gelöst und zur Frage nach der Bedeutung des Bösen umformuliert. Sein Auftritt wird analog dem antiken Theater als Inszenierung einer Larve betrachtet. Gerade hier hätte sich übrigens ein Hinweis auf Luther angeboten, der den Teufel gewissermaßen als Larve des deus absconditus bezeichnet. B. legt eine tiefsinnige Arbeit vor, die zur Lektüre ausdrücklich empfohlen sei.

Kruhöffers Arbeit schlägt einen anderen Weg ein. Sie schreibt vor dem Hintergrund evangelischer Theologie über das Böse. Ihr geht es nicht um das personifizierte Böse, sondern um die Erfahrungsrealität des Bösen. Humanwissenschaftlichen Ansätzen wird dabei das theologische Deutungsmodell gegenübergestellt. Dabei wird nicht das Ziel der Abgrenzung verfolgt, sondern vor dem Hintergrund der Perspektivität allen Redens eine Ergänzung erhofft und erwartet.

Angesichts der Vielfalt theologischer Aussagen wählt K. mit Pannenbergs Dogmatik einen spezifischen theologischen Ansatz als Ausgangspunkt der Betrachtung, der den Anspruch auf Universalität in sich birgt. Davon erhofft sie sich einen besonderen Erkenntnisgewinn. Immer wieder treten daneben als Ergänzung bzw. Korrektiv Aussagen von Dalferth, dem K. inhaltlich in mancher Hinsicht näher steht. Es ist kein Zufall, dass das Literaturverzeichnis bei Dalferth nach Pannenberg die meisten Nennungen enthält. Vor allem der Gedanke der spezifischen Perspektive der theologischen Rede vom Bösen wird von Dalferth her aufgegriffen und damit eine "Metatheorie" abgelehnt (58). Gleichzeitig bemüht sich K. um eine Aufnahme der Gedanken Pannenbergs, sofern sie die allgemeine Sprachfähigkeit der Theologie hinsichtlich des Bösen sichern können, ohne der metatheoretischen Gefahr zu erliegen (59).

Für Pannenberg ist das Böse die Konsequenz der Sünde. Das personifizierte Böse spielt für ihn deshalb auch keine Rolle. Sünde ist für Pannenberg dabei die Verfehlung der menschlichen Bestimmung. Das Böse wird so zum menschlichen Prädikat und also ethisch gedeutet (123). Bis hierher gibt es weithin Übereinstimmung mit philosophischen Ansätzen. Der Erkenntnisgewinn der Theologie liegt dann darin, dass in der Ablehnung aller ethischer Schranken, in der maßlosen Selbstliebe und damit letztlich in der Auflehnung gegen Gott die Ursache moralischer Verfehlung gesehen wird (124). Die Sünde geht dabei dem einzelnen Menschen bereits voraus, insofern sie in die Naturbedingungen menschlicher Existenz (d. h. seine Unvollkommenheit) verstrickt ist. K. will an dieser Stelle ergänzen, insofern sie mit feministischen Ansätzen nicht nur den Hochmut, sondern auch die Unterentwicklung des Ich als Sünde betrachtet und mit der Befreiungstheologie nicht nur die natürliche Unvollkommenheit, sondern auch die "strukturelle Sünde" hervorheben möchte (145). K. schlägt vor, zwischen der Rede von der "Macht der Sünde" und der "Macht des Bösen" zu unterscheiden. Ersteres bezeichnet dann den Bereich der superbia des Menschen, während das Zweite eine äußere Macht darstellt (Strukturen des Bösen), in die der Mensch allzu oft einwilligt. Hier treten Dinge nebeneinander, die ineinander gehören. Immerhin ist K. sich dieser Gefahr durchaus bewusst (152). K. sieht bei der Befreiungstheologie ein Ernstnehmen des Schmerzes und Leides der Menschen, dem sie unbedingt Rechnung tragen will. Allerdings wäre zu fragen, ob die faktische Abtrennung des strukturell Bösen von der individuellen menschlichen Sünde tatsächlich zum gewünschten Ergebnis führen kann.

Bei der Frage nach der Überwindung des Bösen geht Pannenberg vom "Dreischritt" Entfremdung, Versöhnung und Vollendung aus. Versöhnung heißt dabei Befreiung von Todesangst, wodurch eine Quelle des Bösen versiegt. Versöhnung ist Tat Gottes und findet ihren Realgrund im Kreuzesgeschehen Christi. Wiederum mit Dalferth will K. hier ergänzen, dass die Inkarnation in ihrer Heilsbedeutung nicht vernachlässigt werden darf: "Hier offenbart sich die Liebe Gottes, die dort, wo sie wirksam ist, keinen Raum gibt für lebenszerstörende, böse Handlungen." (174) Nicht die Sündenvergebung, sondern die (ethische) Neuorientierung am Leben Jesu wird zum eigentlichen Heilsgeschehen. Das hat Auswirkungen bis ins Verständnis des Abendmahls hinein. Und es droht die Auflösung des Glaubens in Ethik. Da hilft dann auch nicht mehr der Hinweis auf den eschatologischen Vorbehalt der Überwindung des Bösen, der mit der Vollendung Gottes rechnen muss und rechnet, denn auch diese kann als bloße Projektion menschlicher Hoffnung verstanden und angefragt werden (176).

Im letzten Teil ihrer Arbeit stellt K. die Aussagen Dalferths über die ontologische, ontische und eschatologische Differenz mit den Aussagen Pannenbergs zusammen. Ontologisch verdankt sich diese Welt Gott, was Pannenberg als ihre Defizienz ansieht; ontisch wird von Pannenberg das Auseinanderfallen von Sein und Bestimmung als Nichtidentität hervorgehoben. K. sieht an dieser Stelle den entscheidenden theologischen Erkenntnisgewinn: "In eschatologischer Perspektive wird das Böse deshalb auch zum Kennzeichen der Differenz zwischen gegenwärtigem Zustand der Schöpfung und gottgewollter Vollendung. Theologisches Reden vom Bösen hat die Aufgabe, geschlossenen Wirklichkeitsdeutungen, die das Böse bereits als das Normale und nicht mehr zu Verändernde integriert haben, aufzubrechen und auf die Differenz zwischen gegenwärtigem und gottgewollten vollendeten Zustand der Schöpfung hinzuweisen und so der Hoffnung auf ein Ende des Bösen durch das Wirken des dreieinigen Gottes Raum zu geben." (260) Ohne sich in eine Haltung der Passivität zu flüchten, bestehe die Aufgabe theologischen Redens vom Bösen darin, die genannte Differenz offen zu halten und menschlichen Urteilen entgegenzutreten, die aus der vermeintlichen Perspektive Jenseits von Gut und Böse das Böse in bestimmten Personen und Gruppierungen verortet sehen.

Der idealistische Ansatz, der der Rede von der dreifachen Differenz letztlich zu Grunde liegt, birgt ohne Frage die große Möglichkeit, von der Welt verstanden zu werden. Damit aber wird die biblisch-reformatorische Erkenntnis außer Acht gelassen, die im Unglauben und nicht in der Unvollkommenheit die primäre Wurzel des Bösen sieht. Aus dem Ersten wird so das Zweite und umgekehrt. Es ist keine taktische Frage, um Gesprächsfähigkeit zu erhalten, um die es geht, sondern eine theologische Grundentscheidung. K. geht (mit Pannenberg und Dalferth) gezielt in die eine Richtung. Zu welchem Preis mag der Leser selbst entscheiden. Insoweit sei die durch häufige Zusammenfassungen sehr lesbar gehaltene Arbeit zur Lektüre empfohlen.