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Ausgabe:

April/2005

Spalte:

400–402

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Asterius

Titel/Untertitel:

Psalmenhomilien. Eingeleitet, übers. u. kommentiert von W. Kinzig. 1. u. 2. Halbband.

Verlag:

Stuttgart: Hiersemann 2002. XIII, VII, 625 S. gr.8 = Bibliothek der griechischen Literatur, 56 u. 57. Lw. Je Euro 98,00. ISBN 3-7772-0201-0 u. 3-7772-0202-9.

Rezensent:

Markus Vinzent

Modeerscheinungen gibt es in der patristischen Forschung wie auf den Laufstegen der Welt. Ebenso plötzlich wie Asterius, der Sophist, als Psalmenhomilist entdeckt und schließlich bei der "Ninth International Conference on Patristic Studies" in Oxford 1983 für eine Neudarstellung des frühen heilsgeschichtlich und nizänisch orientierten Arianismus herausstilisiert worden ist, verschwand sein Name wieder von der Liste der Berühmtheiten. Seinen Stern hatte eine Dissertation zu Fall gebracht. Wolfram Kinzig wies in seinem Werk "In Search of Asterius. Studies on the Authorship of the Homilies on the Psalms" (Göttingen 1990, FKDG 47) nach, dass die von Marcel Richard, Eiliv Skard und anderen dem Sophisten zugewiesenen Psalmhomilien nicht diesem Asterius des 4. Jh.s, sondern einem gleichnamigen, orthodoxen, bislang unbekannten Theologen des 5.Jh.s zugeschrieben werden müssen. Auch wenn es die eine oder andere Widerrede gegen Kinzigs These gab, konnte er sie mit weiteren Studien wie "Erbin Kirche. Die Auslegung von Psalm 5,1 in den Psalmenhomilien des Asterius und in der Alten Kirche" (Heidelberg 1990) stützen. Die These erwies sich auch als richtig, als der Rezensent die verfügbaren Textfragmente des Asterius vorlegte: "Asterius von Kappadokien. Die Theologischen Fragmente" (Leiden: Brill 1993: SvigChr 20). Doch gingen mit diesem Befund unberechtigterweise auch die Lichter über den Psalmenhomilien aus. So bleibt es zu hoffen, dass die vorliegende erste Übersetzung der Psalmenhomilien in eine neuzeitliche Sprache das Interesse der Forschung erneut auf diese Zeugnisse der christlich-rhetorischen Theologie richtet.

Denn dass die Texte ihre Wirkung gerade life entfalten, wird selbst derjenige spüren, der sie in der vorgelegten Übersetzung laut deklamiert. Kinzig ist das Verdienst zuzusprechen, dass er sich bemühte, wo möglich sowohl Sprachbilder wie andere rhetorische Mittel zu bewahren, auch wenn dies manchmal zu Härten führt wie bei der unschönen und in diesem Fall auch falschen Psalmübersetzung von Ps 19,3a: "Ein Tag rülpst dem anderen ein Wort heraus" - falsch deshalb, weil mit einem "Aufstoßen" wohl der biologische Vergleich geblieben wäre, auf den Hom. 29,13 verweist, doch wäre damit nicht eine mit einem "Rülpser" durchwegs abstoßende, negative Konnotation verbunden, die schon direkt im Anschluss und auch im folgenden Kapitel (Hom. 29,14) zu folgender widersinniger Übersetzung führt: "Ein Tag rülpst dem anderen ein Wort heraus, denn sie singen Psalmen in Wechselchören ... und ein Apostel [rülpst, Kinzig] stößt [Rezensent] dem anderen die Verkündigung des Evangeliums [an, Rezensent]" (482). Asterius hatte ja wohl das Singen der Psalmen in Wechselchören nicht als Rülpskonzert bezeichnen wollen, sondern auf die (fast) wortlose Harmonie und das Aufeinanderabgestimmtsein der Evangelisten hinweisen wollen, von denen der eine dem anderen die Anregung und den passenden Anstoß gegeben hat.

Bedauerlich ist, dass sich Kinzig nicht systematisch mit der spannungsreichen Thematik "Rhetorik, Systematik, Theologie" in der Einleitung auseinander setzt und überhaupt auf die Theologie der Sammlung (Mystagogik, Christologie, Auferstehungslehre usw.) allenfalls verstreut in den ansonsten sehr ausführlichen Anmerkungen eingeht. Hier hätte gerade ein Theologe, der sonst so großen Wert auf das Proprium evangelischer Kirchenhistorik legt, der "profanen" "Bibliothek der Griechischen Literatur, Abteilung Patristik" seinen Stempel aufdrücken können. Statt dessen wird man m. E. allzu häufig in den Anmerkungen auf die Standardwerke der Lexikawelt verwiesen, die man vermutlich als Erstes selbst zu Rate ziehen würde, wenn man sich für eigentümliche Begriffe und Wendungen - von denen die Homilien strotzen - interessierte.

Insgesamt sind Übersetzung und Anmerkungen - bei diesem großen Unternehmen - verlässlich (erwähnt werden hätte sollen, dass die jeweilige der Übersetzung vorangesetzte Gliederung der Homilie nicht von Asterius, sondern vom Übersetzer stammt), wenn man sich auch gewünscht hätte, dass die Anmerkungen ähnlich sorgfältig wie der Haupttext redigiert worden wären. Während im Haupttext nur selten Fehler begegnen (z. B. 75: "anoymen" statt: "anonymen", 427: "selbt" statt: "selbst", 457: "duch" statt: "durch", 463: "bestrafte" statt: "bestraften", 481: "Herr" statt: "Heer"), wimmelt es in den Anmerkungen (vor allem in griechischen Zitaten) von diesen (nur die Anmerkungen zu 7 von 31 Psalmen sind fehlerfrei, manchmal häufen sich die Unkorrektheiten wie etwa auf S. 353: "auf auf" statt: "auf", "zahreichen" statt: "zahlreichen", "Vgl" statt: "Vgl."). Man fragt sich, warum die sorgsame Übersetzung solche Nachlässigkeiten in den Anmerkungen aufweist.

Noch eine abschließende Bemerkung zu den wertvollen Übersetzungen und Anmerkungen bezüglich der Fragmentstücke, die aus Katenen erhoben wurden (508-530). Manche werden vom Übersetzer und Kommentator mit guten Gründen dem Corpus des Homilisten Asterius zugewiesen. Zu Frg. 2a vermerkt Kinzig: "Das Fragment ist nach Wortschatz und Inhalt wohl kaum von Asterius" (524). Schade, dass er sich nicht gefragt hat, wem dieses Fragment zuzuordnen ist. Äußere Zuschreibung "Von Asterius", Wortschatz und Inhalt machen es zumindest erwägenswert, ob man diesen Text nicht dem Sophisten zuzuschreiben hat. Ähnliches gilt auch von Frg. 11a, das in der äußeren Bezeugung sowohl dem Eusebius wie dem Asterius zugewiesen wird. Vielleicht hat sich in dieser Doppelzuschreibung noch die Erinnerung gehalten, dass es dem eusebianischen Asterius (so könnte man auch die Zuweisung übersetzen) zuzuordnen ist. Der Kommentator schreibt: "Der Text ... stammt vermutlich aus einer verlorenen Homilie" (525), ohne sich auf den Autor festzulegen.

Schwieriger ist Frg. 7a, das ebenfalls Eusebius und Asterius zugewiesen wird und bereits "von Richard - wohl zu Recht - nicht in die Sammlung [des Homilisten, Rezensent] aufgenommen" wurde (524). Während Richard und nach ihm Kinzig das Fragment dem Eusebius zuweisen (524), scheint mir die Rede von der Gottheit des Vaters dies eher problematisch zu machen. Auch wenn Eusebius immer wieder die Gottheit Vater und Sohn zuweist, spricht er doch in der Regel von der väterlichen Gottheit, nicht von der Gottheit des Vaters (vgl. H. Strutwolf, Die Trinitätstheologie und Christologie des Euseb von Caesarea, Göttingen 1999, 357). Wegen der Heraushebung des Sohnes gegenüber der Schöpfung könnte das Fragment in der Tat dem Sophisten Asterius zugeschrieben werden.