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Ausgabe:

April/2005

Spalte:

378–380

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Lupieri, Edmondo

Titel/Untertitel:

The Mandaeans. The Last Gnostics. Transl. by Ch. Hindley.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2002. XX, 273 S. m. Abb. gr.8 = Italian Texts & Studies on Religion & Society. Geb. US$ 25,00. ISBN 0-8028-3924-X.

Rezensent:

Kurt Rudolph

Die vorliegende Publikation des italienischen Kirchen- und Religionshistorikers an der Universität Udine ist eine englisch-amerikanische Übersetzung der italienischen Originalausgabe von 1993 (Brescia: Paidea editrice) mit nur wenigen Ergänzungen. Die Idee dazu kam dem Autor, als er 1999 anlässlich einer Tagung in Boston eine mandäische Taufe im Charles River beobachten (vgl. Abb. am Ende von Part I) konnte und feststellte, dass es keine neuere Darstellung über die Mandäer für Nicht-Spezialisten gibt, womit er Recht hat. Durch diesen Umstand hat das Buch jetzt zwei Vorworte, das italienische und das amerikanische (XIII-XV), sowie einen Prolog (XVI-XIX), der u. a. über den Besuch einer mandäischen Delegation im Vatikan 1990 und die auch vom Papst thematisierte Beziehung zwischen Christen und Mandäern über den Täufer Johannes als Vetter Christi (eine erst jüngere Tradition) berichtet.

Das Buch zerfällt in zwei Teile: Im ersten Teil (3-172) wird unter dem Titel "History" in drei Kapiteln über Leben, Sitten und Rituale, das Verhältnis zum Westen (Europa) und über Legende und Geschichte gehandelt; der zweite Teil liefert eine Anthologie von mandäischen "Texten" zu einzelnen Themen (175-260), bringt also verdienstvollerweise eine Auswahl von Quellen zur Kenntnis.

L. hat sich bemüht, im 1. Kapitel (3-60) eine Zusammenfassung über das Leben der Mandäer gestern und heute zu geben, allerdings lässt sich das "heute" nur schwer erfassen, da dazu die Informationen über die Situation der über vier Kontinente verstreuten Gläubigen nur sehr lückenhaft sind. Die gnostische Ideologie, die den überlieferten Texten zu Grunde liegt, wird kurz geschildert, aber auch ihr uneinheitlicher Zustand hervorgehoben (38 ff.), der noch durch die Heranziehung der legendären Berichte aus dem 19. und 20. Jh. (Siouffi, Drower) erweitert wird. Was die Herkunft des Namens "Mandäer" anbelangt, so hat das Ausgangswort manda-, madda- "Wissen" sicherlich damit zu tun, aber es ist auch bei Heranziehung des Namens für die Kulthütte (Tempel) mandi daran zu erinnern, dass hier offenbar das iranische man- "Wohnsitz, Haus" (zu 8 f.) vorliegt. Das Kapitel schließt mit einer ausgewählten Bibliographie zu den Quellen und der Sekundärliteratur, bei der man die Namen von S. A. Pallis, W. Brandt u. a. vermisst. Zeitgleich mit dem Buch erschien das von J. J. Buckley, The Mandaeans. Ancient Texts and Modern People, Oxford 2002.

Das umfangreichste 2. Kapitel befasst sich mit "The Mandaeans and the West. A History of Interaction" (61-126). Das älteste Zeugnis über die Mandäer in Europa bietet offenbar Ricoldo da Montecroce (1266-1320) in seinem (erst im 19. Jh. gedruckten) Itinerarium, wo er unter den "seltsamen Dingen" (monstra) eine Bemerkung über die "Sabier" bei Bagdad macht, die eindeutig die mandäischen Täufer sind (65 f.). Leider fehlen hier, wie auch an anderen Stellen, die Literatur- und Quellennachweise. Erst mit den portugiesischen Eroberungen (1498 ff.) beginnt eine längere Kontaktaufnahme mit den so genannten "St. Johanneschristen" durch jesuitische Missionare, die versuchen, sie als verfolgte Minderheit unter christliche Herrschaft in Goa (Indien) zu bringen, was ihnen nur teilweise gelingt. Die Schwierigkeiten, die vielfach aus mangelnder Kenntnis resultierten, aber auch der verkappten Abwehr der Betroffenen geschuldet sind (die Mandäer suchten natürlich Schutz vor den Muslimen, aber kannten die reservatio mentalis), führten zu langwierigen Prozessen, die L. wohl erstmalig für westliche Leser näher schildert, es sei denn man kennt das spanische Werk darüber von Carlos Alonso (1967).

Aus den Reiseberichten geht immer wieder hervor, dass man sich nur selten über den tatsächlichen Charakter der mandäischen Religion klar war; entweder identifizierte man sie mit den aus muslimischen Quellen (schon der Koran kennt sie) bekannten Sabiern (sabi`un) oder hielt sie für abgefallene bzw. verkappte Christen. Ihr verehrter Johannes wurde zunächst für den Evangelisten gehalten, bis man erkannte, dass es sich um den Täufer handelt (73 ff.). Auch die seit 1623 von Basra einsetzende Mission der Karmeliter führt nicht zu den ersehnten Erfolgen (87 ff.). Die von ihnen dokumentierten Berichte (besonders von Basilio di St. Francesco und Ignatius à Jesu) geben einen Einblick in das Leben und Denken der Mandäer dieser Zeit, zeigen aber auch wieder die Grenzen der Kenntnis (94 ff.). Der dadurch in Gang gekommene Austausch bzw. Diskurs zwischen den katholischen Missionaren und den Mandäern, die schließlich als Nachkommen des Täufers Johannes galten, hat seine Spuren auf beiden Seiten hinterlassen. L sieht hier einen bisher zu wenig beachteten Vorgang, der in der jüngeren mandäischen Überlieferung (besonders in der Legendenbildung) seinen Niederschlag fand (verstärkte Rolle des Täufers Johannes und des palästinischen Ursprungs). Dazu gehören aber auch die kritische Haltung zu den Missionaren und die Bemühung um wissenschaftliche Erkenntnisse, wie sie von den Maroniten Abraham Ecchellensis und J. S. Assemani unternommen wurden (111 ff.), in deren Fußstapfen dann europäische Gelehrte und Diplomaten folgten, die das Gebiet für die weitere Forschung im 19. Jh. vorbereiteten (114-122).

Neben M. Norberg werden H. Petermann und N. Souffi genannt, aber nicht Th. Nöldeke, der die bis heute nicht ersetzte Grammatik des Mandäischen schuf (1875, repr. 1964), und W. Brandt, der auf dieser Grundlage die erste größere Auswahl aus dem Ginza und Johannesbuch ins Deutsche übersetzte (Mandäische Schriften, 1893, repr. 1973) und eine erste Monographie über "Die mandäische Religion" (1889, repr. 1973).

Auch in der Behandlung der "Mandäischen Frage" (122 ff.) wird R. Reitzenstein als vergleichender Religionshistoriker hingestellt, er war aber von Haus aus klassischer Philologe, und Mark Lidzbarski (so korrekt S. 54 und im italienischen Original, nicht Lidsbarski) ist bereits 1928 verstorben, hat also die NS-Zeit nicht mehr erlebt (zu 123!); R. Bultmann war noch nach dem 2. Weltkrieg sehr bekannt, ja sein Einfluss kam erst dann zur Wirkung. Für L. bleibt die Ursprungsfrage offen (125), da eine palästinische Herkunft nicht nachweisbar sei (Josephus schweigt dazu) und Johannes der Täufer der christlichen Überlieferung entstammt (s. u.). Über die Herkunft von Taufe und Jordan spricht sich L. nicht weiter aus. Ausführlich hat sich L. in seinem älteren Buch Giovanni Battista fra storia e leggenda, Brescia 1988, 195-395, über den mandäischen Täufer Johannes geäußert.

Die Probleme der mandäischen Geschichte werden im 3. Kapitel ("Legends and History") diskutiert (127-172), wobei L. neue Wege zu gehen versucht, indem er legendäre, meist nur mündliche Überlieferung (z. B. bei Siouffi, Petermann, Lady Drower kolportierte) mit der in den klassischen Texten (Ginza, Johannesbuch, Haran Gawaita etc.) konfrontiert und daraus gewisse Schlussfolgerungen für den Einfluss der politisch-religiösen Umwelt und der oft nicht einfachen Lage der Mandäer als geduldete, aber auch verfolgte Minderheit (wie bis heute sichtbar) auf die Gestaltung und den Ausbau der Tradition zu ziehen. So sieht L. in dem Einbruch ("watershed") des Islams einen Anlass für den Ausbau der Exodusgeschichte, in der sich verschiedene Elemente mischen (Auszug aus Ägypten und Jerusalem, Sintflut, Leben unter einem persischen König Artban). Ein Thema dominiert dabei immer wieder: die Rettung der Gemeinde aus Katastrophen, die das Fortleben sicherte. Auch die Gestalt des Täufers Johannes hat daran Anteil (144 ff.), in dem sich jüdische, christliche und islamische Traditionen vereinen (153 ff.).

Die Taufe wird auf Adam zurückgeführt, aber Johannes ist einer ihrer dominanten Priester, was gegenüber Christen und Muslimen hervorgehoben wird. Die Aufnahme des persischen Gottes Bihram (Verethragna, griechisch Herakles) in die Taufformel kann auf die mesenischen Herrscher, die so genannten Hyspaosiden, zurückgehen, die in ihm ihren Hausgott verehrten und dementsprechend auf Münzen abbildeten (163; vgl. M. Schuon, Die Charakene, Stuttgart 2000, 297). Die gnostischen Züge speisen sich aus jüdischen und christlichen Quellen, dienen aber auch der Absetzung von diesen Vorbildern (165 f.). Zum Abschluss wirft L. noch einen Blick auf die so genannten Kolophone, d. h. die in den Handschriften enthaltenen Abschreiberlisten ("Genealogies of Scribes", 165-172), die sowohl für das Alter der Manuskripte als auch für die Lokalgeschichte wichtig sind. So lässt sich als bisher älteste Gestalt ein gewisser Zazai d-Gawazta (2/3. Jh.?) nachweisen, der für die Schrifttradition eine bedeutende Rolle gespielt hat (170 f.). Die anschließenden nicht paginierten acht Seiten bringen zehn Abbildungen, von denen acht in der italienischen Ausgabe über das Buch verteilt waren.

Der 2. Teil enthält Auszüge aus der Literatur (175-260): zur Theologie, zur Anthropogonie, Kosmogonie und Sintflut, über andere Religionen, über Juden, Jerusalem und Mirjai (Maria), den Täufer Johannes, Jesus als falscher Messias, Mohammed ("Sohn des arabischen Schlächters"). Die Texte sind aus dem Ginza und dem Johannesbuch entnommen und folgen der Übersetzung von Lidzbarski mit Berücksichtigung der mandäischen Ausgaben von Petermann (Ginza) und Lidzbarski (Johannesbuch), im 1. Abschnitt meiner Ausgabe bei W. Foerster (Ed.), Gnosis II: Coptic and Mandaic Sources, Oxford 1974. Anmerkungen und Kommentare begleiten die Wiedergabe. Man vermisst Auszüge aus den liturgischen Texten (Gebete, Hymnen, z. B. aus dem Linken Ginza), die eine stärkere Rolle spielen für die Mandäer als die ihnen oft nicht zugänglichen theologisch-mythologischen Überlieferungen.

Trotz der zu einzelnen Abschnitten gemachten kritischen Bemerkungen, die sich natürlich bei mehr Platz noch vermehren ließen (z. B. zu den Texten oder den leider nicht behandelten orientalischen Zeugnissen über die Mandäer), ist das Buch ein Gewinn für die Verbreitung der Kenntnisse über die Mandäer, die leider zurzeit bei allen Berichten aus dem Irak (neben den Christen) überhaupt nicht genannt werden. L. ist sehr zu danken, dass er sich zu einer Übersetzung seiner italienischen Fassung entschloss und einen Verlag fand, der den Druck übernahm und damit dem Buch eine hoffentlich weite Verbreitung ermöglicht.