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Ausgabe:

März/2005

Spalte:

300 f

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

[Haendler, Gert]

Titel/Untertitel:

Die Theologische Fakultät Rostock unter zwei Diktaturen. Studien zur Geschichte 1933-1989. Festschrift für Gert Haendler zum 80. Geburtstag. Hrsg. v. H. Holze.

Verlag:

Münster: LIT 2004. 394 S. m. 1 Porträt. 8 = Rostocker Theologische Studien, 13. Kart. Euro 24,90. ISBN 3-8258-6887-7.

Rezensent:

Reinhart Staats

Die Häufung von Festschriften in den letzten Jahrzehnten lässt nach dem Ursprung dieser akademischen Sitte womöglich bei deutschen evangelischen Theologen gegen Ende des 19. Jh.s fragen. Festschriften sind inzwischen zu einer Konkurrenz der wissenschaftlichen Zeitschriften geworden. Sie haben aber Zukunft, wenn, wie im anzuzeigenden Titel für Gert Haendler, ein eigenes Thema, hier die Rostocker Theologische Fakultät 1933- 1989, rundum erörtert wird und wenn dazu eine Mischform gewählt wird, die Relevantes zum Thema auch aus der Arbeit des Jubilars beinhaltet und überdies zugleich das Zeugnis einer theologischen Freundschaft ist, so wie diese Festschrift dem Andenken an Ernst-Rüdiger Kiesow (1927-2003) gewidmet ist. Das Buch enthält im Kern eine beachtliche Quellensammlung zur Zeitgeschichte der Rostocker Fakultät.

Nur einiges sei hervorgehoben: aus Haendlers bisher meist unpublizierten Aufsätzen seine Erinnerungen an Friedrich Brunstädt und Johannes von Walter; sie sind eine Ergänzung zu Ernst Wolfs "in memoriam" von 1940 an seinen Schwiegervater, welches merkwürdig aktuell wirkt, weil von Walters zu seiner Zeit origineller Begriff von Kirchengeschichte als "Frömmigkeitsgeschichte" heute als Geschichte kirchlicher "Mentalität" gelten könnte. Ferner: eine Edition von Dokumenten zum Wiederaufbau der Fakultät 1945-1948 und von solchen Dokumenten von 1958-1963, die der unerschrockene Neutestamentler und Eckhart-Forscher Konrad Weiß gesammelt hatte (u. a. Proteste gegen die Sprengung der Wismarer Marienkirche und gegen den Namen "Wilhelm-Pieck-Universität"). Zu Weiß s. auch den Beitrag seines Schülers P. Heidrich. - Altbischof Heinrich Rathke (unvergessen bleibt seine Rostocker Dissertation über Ignatius und Paulus) erinnert an die dunkle Zeit nach 1950, mit einem kleinen Seitenhieb auf den unpolitischen Kieler Studentenpastor Heinz Zahrnt. - Über Rostock hinaus bekannte Namen werden gewürdigt: von K. Nowak Helmuth Schreiner, Mitbegründer der jungreformatorischen Bewegung, im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, der Alttestamentler Gottfried Quell von K. Weiß, der Neutestamentler Gottfried Holtz wiederum von G. Haendler.

Das Buch schließt mit drei Aufsätzen zu Ernst-Rüdiger Kiesow, dem "Mann mit Eigenschaften" (H. K. Niemann), der stets ein kritischer Theologe blieb, auch gegenüber einer "empirischen Wende" nach 1968 in der Praktischen Theologie (E. Winkler). Kiesows eigene Dokumentation über das Ende der "Sektion Theologie" und den Übergang zur Theologischen Fakultät 1988-1999 ist ein bewegendes Zeugnis für die den meisten "westlichen" Theologen immer noch unvorstellbaren Konflikte, denen die Kollegen auf dem Weg von der DDR in die Bundesrepublik ausgesetzt waren.

Gert Haendler, bekanntlich unserer Zeitschrift (Mitherausgeber der ThLZ von 1979-1995) und bis heute unserem Verlag treu und fleißig verbunden, erhielt eine ihn und seine Fakultät ehrende Festschrift, die über Rostock hinaus nicht nur ein Stück deutscher Theologiegeschichte, sondern auch deutscher Zeitgeschichte ist.