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Ausgabe:

März/2005

Spalte:

292–294

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Hausberger, Karl

Titel/Untertitel:

Franz Xaver Kiefl (1869-1928). Schell-Verteidiger, Antimodernist und Rechtskatholik.

Verlag:

Regensburg: Pustet 2003. XII, 402 S. m. 1 Porträt. gr.8 = Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte, 6. Kart. Euro 44,00. ISBN 3-7917-1845-2.

Rezensent:

Klaus Fitschen

Karl Hausberger nennt Kiefl und seinen Einfluss auf das Geistesleben mit Recht "heute weithin vergessen" (VII). Immerhin aber gehört Kiefl, worauf H. schon im Untertitel seines Buches hinweist, mitten hinein in die spannungsreiche Phase der Geschichte des Katholizismus in Deutschland zwischen dem Kulturkampf und der Bewährungsprobe des Dritten Reiches, die vom Kampf gegen den "Modernismus" geprägt war. H. hatte schon 1999 im 3. Band der von ihm selbst herausgegebenen Reihe einen Protagonisten des Modernismus vorgestellt, nämlich den Würzburger Theologen Herman Schell. Mit Kiefl widmet er sich nun einer Persönlichkeit, die im Laufe ihres Lebens die Fronten vom Modernismus zum Antimodernismus wechselte.

In seiner Einleitung führt H. die schon im Vorwort anklingende persönliche Charakterisierung Kiefls durch die Anführung von Zeitzeugen weiter aus. Die Tatsache, dass Kiefls literarisches uvre vorwiegend aus Gelegenheitsschriften zu aktuellen Fragen besteht, zeugt wie sein Verhalten in diesen Kontroversen von einer streitbaren Persönlichkeit.

H. zeichnet in einem ersten Hauptteil (A) den Lebensweg nach. Das I. Kapitel ist dem beruflichen Werdegang und dem Beginn der akademischen Laufbahn gewidmet. Die 1895 fertiggestellte Dissertation über die Reunionsverhandlungen zwischen Leipzig und Bossuet, 1903 veröffentlicht und 1925 in zweiter Auflage erschienen, ist Kiefls einziges wissenschaftliches Opus mit nachhaltiger Wirkung.

Das II. Kapitel des ersten Hauptteils befasst sich mit Kiefls Wirken als Professor für Dogmatik in Würzburg in den Jahren 1905-1911. Schon kurz nach seiner Berufung wurde Kiefl zusammen mit seinem Fakultätskollegen Schell der Ketzerei bezichtigt. Sofort nach Schells Tod (1906) erhob Kiefl schwere Vorwürfe gegen dessen Gegner und wurde nun selbst zur Zielscheibe der Kritik. In kürzester Zeit entwickelte sich der Streit um das Andenken Schells zu einem Grundsatzkonflikt, ja (so ist man versucht zu sagen) zu einer Art innerkatholischem Kulturkampf. Mit der päpstlichen Verurteilung des "Modernismus" 1907 war das Schlagwort gefunden, das Schell und seine Anhänger dem Konstrukt einer größeren Bewegung zuordnete. An der Würzburger Fakultät selbst führte dies zu Parteikämpfen, die öffentlich und ungeniert ausgetragen wurden und weder vom Kultusministerium noch von den mit Verleumdungsklagen befassten Gerichten beendet werden konnten. Damit wurde Kiefls Stellung an der Fakultät immer exponierter. 1911 gelang es endlich, ihn auf eigenen Wunsch und kirchliches Drängen hin auf eine Stelle als Domkapitular in Regensburg wegzuloben.

Das III. Kapitel des ersten Hauptteils behandelt Kiefls Zeit als Domdekan in Regensburg. Dieses Amt, in das er 1914 aufrückte und das er bis zu seinem Tod innehatte, bildete bald die Plattform für Streitigkeiten mit anderen Mitgliedern des Domkapitels. Mit dem Beginn des I. Weltkrieges widmete sich Kiefl ganz im Geist der Zeit der Rechtfertigung der als gerecht erachteten deutschen Sache. Wie Faulhaber und andere sah er den Krieg als Erziehungsmittel an und polemisierte gegen die Vorwürfe französischer Katholiken. Der Krieg führte bei Kiefl unter den Vorzeichen des "Burgfriedens" auch zu einer positiveren Sicht des Protestantismus, nicht zuletzt des liberalen. Nach dem Krieg stellte sich Kiefl gegen die Weimarer Verfassung und somit gegen Republikanismus und Demokratie; H. führt als Parallele die Position Faulhabers an, dessen Sympathie Kiefl in dieser Sache auch genoss. In den 20er Jahren blieb Kiefl bei seiner fundamentalen Kritik, die er mit Angriffen auf Freimaurertum, Sozialismus, Pazifismus und das Judentum flankierte.

Der zweite Hauptteil (B) stellt die Schwerpunkte des literarischen Schaffens vor. Kiefls selbständig erschienene Schriften werden im Einzelnen in Zusammenfassungen und Zitaten und unter vorrangiger Auswertung ihres Zeitbezuges vorgestellt. Das I. Kapitel des zweiten Hauptteils ist den "Philosophisch-Theologischen Positionen" gewidmet; hierunter fallen exegetische Studien und seine Arbeiten zu Leibniz. Hauptsächlich aber war Kiefl Dogmatiker und Apologet, wie sich an seinem Kampf gegen die Dogmenkritik Harnacks und Loisys und gegen Darwins Evolutionstheorie sowie Haeckels Monismus zeigt. In seiner Auseinandersetzung mit dem römischen Antimodernismus kritisierte Kiefl einerseits den Neuthomismus und verteidigte die deutsche Universitätstheologie, andererseits spielte er in einem Gutachten für das bayerische Kultusministerium die Bedeutung des Antimodernisteneides für die Freiheit dieser Universitätstheologie herunter. Zugleich blieb Kiefl bei seiner irenischen, nun theologisch auf Möhler gegründeten Tendenz und lieferte 1917 zum Reformationsjubiläum auch einen Artikel für die Zeitschrift "Hochland", in der er häufiger publizierte. Kiefl distanzierte sich vom Lutherbild Denifles und Grisars und wurde dafür von evangelischer Seite (bis hin zu Heinrich Bornkamm) als Ireniker wahrgenommen.

Das II. Kapitel des zweiten Hauptteils stellt die weltanschaulichen Kontroversen dar, in die Kiefl verwickelt war. Kiefl suchte die Auseinandersetzung mit den Freireligiösen um die Frage eines alternativen konfessionslosen Moralunterrichts. Er griff nicht nur das sozialistische Religionsverständnis an, sondern bestritt auch ein genuines, aus dem Neuen Testament ableitbares Interesse des Christentums an sozialen Fragen. Andererseits würdigte Kiefl 1919 in seinem Buch "Sozialismus und Religion" den "Arbeiteridealismus" (281); nach dem verlorenen Krieg hoffte er auf missionarische Einbrüche in das Arbeitermilieu. Den Pädagogen Friedrich Wilhelm Foerster überzog er mit Angriffen, die sich gegen dessen Pazifismus, seine demokratischen Ideale und seine undogmatische Religionsauffassung richteten. Ein weiteres Feld für Kiefls Aktivitäten war die Kritik am Bayernkonkordat von 1924, an dessen Vorbereitung er mitgewirkt hatte. Dass das Konkordat im Folgejahr durch ein einseitiges Staatsgesetz relativiert wurde, enttäuschte ihn wie auch Faulhaber und andere Kirchenvertreter. In diesem Zusammenhang fiel eine Äußerung, in der Kiefl der Kirche "eine providentielle Aufgabe gegenüber dem demokratischen Elend der Zeit" zuwies (328). Von hier aus ergab sich Kiefls letzte, aus monarchistischem Geist geborene publizistische Kampagne, die gegen die Weimarer Verfassung und den Gedanken der Volkssouveränität gerichtet war. Kiefl nahm dabei Faulhabers berühmte Wendung von der Revolution als "Meineid und Hochverrat" auf (349).

Ein Resümee fasst die Ergebnisse zusammen und ordnet Kiefl unter dem Vorzeichen des "antimodernistischen Syndroms" (370) in den Katholizismus seiner Zeit ein.

Die katholische Theologie in der Zeit der Weimarer Zeit ist zunehmend, aber immer noch zu wenig im Blickfeld der kirchenhistorischen Forschung. Das Buch von H. ist durch die Vernetzung von Kiefls Biographie mit den zentralen, den Katholizismus dieser Zeit theologisch, politisch und mental bewegenden Themen ein wichtiger Einzelbeitrag zur Erschließung dieser Teilepoche.