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Ausgabe:

März/2005

Spalte:

268 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Fenske, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Paulus lesen und verstehen. Ein Leitfaden zur Biographie und Theologie des Apostels.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2003. 288 S. gr.8. Kart. Euro 20,00. ISBN 3-17-017817-2.

Rezensent:

Matthias Rein

Der Vf., 1998 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in München im Neuen Testament habilitiert und derzeit als Privatdozent mit einem Lehrauftrag in München versehen, legt nach seinem "Arbeitsbuch zur Exegese des Neuen Testaments" (Gütersloh 1999) ein weiteres Hilfsbuch zum Studium des Neuen Testaments vor. Es soll Studienanfängern als Leitfaden zur Erschließung von Biographie und Theologie des Apostels dienen und Fortgeschrittenen helfen, Einzelthemen zu Paulus aus verschiedenen Perspektiven unter Berücksichtigung neuerer Forschungsergebnisse zu erarbeiten. Graphisch abgesetzte Exkurse, Arbeitsaufgaben, vertiefende Fragen und rekapitulierende Stichworte an jedem Kapitelende leiten zum eigenen Studium an.

Nach kurzen Vorbemerkungen zu den Deuteropaulinen und der Apg setzt der Leitfaden mit "Anmerkungen zur Biografie des Paulus" ein (19-44). Dann folgen im II. Hauptteil 27 Kapitel, in denen die Paulus-Briefe (2Thess u. Kol rechnet der Vf. nicht dazu) mittels kurzer Inhaltsangabe und Übersicht über wichtige Themen erschlossen werden. Den Briefen werden in 20 Kapiteln Themen zugeordnet, die jeweils betont angesprochen werden (Gal - Gesetz; 1Kor - Ethik, Sakramente, Gottesdienst; 2Kor - Amts- u. Selbstverständnis usw.). Der Vf. greift insgesamt eine Fülle von Themen auf: Lehre über Gott, Christologie, Eschatologie, Ekklesiologie, Evangelium und verkündigtes Wort, Glaube, Altes Testament, Gesetz, Soteriologie, Anthropologie, Aussagen über die Juden und Heiden, der Staat, Pneumatologie, Hermeneutik u. a., wobei thematische Überschneidungen nicht zu vermeiden sind. Jedes Kapitel schließt mit Gedanken zu hermeneutischen Perspektiven des Themas und (unsystematischen) Blicken in die Gegenwart. Zu jedem Kapitel findet sich eine Literaturliste, wobei man Hinweise auf wichtige aktuelle Kommentare zu den Paulus-Briefen vermisst.

Zu offenen Fragen der historischen Rekonstruktion des paulinischen Wirkens sowie seiner Theologie bezieht der Vf. folgendermaßen Stellung: Phil, Tränenbrief (= 2Kor 10-13) und Gal sind im Zusammenhang mit Kämpfen in Korinth entstanden: "Die Auseinandersetzung mit den Korinthern wie den Galatern erregte ihn (sc. Paulus) so sehr, daß er auch die Philipper, seine Lieblingsgemeinde, warnen muß." (162) Der 2Kor setzt sich aus verschiedenen Briefen zusammen, die an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten entstanden sind: 2Kor 8 in Mazedonien, 2Kor 9 auf dem Weg durch Mazedonien, Tränenbrief nach dem Eklat in Korinth, zuletzt der Versöhnungsbrief (1,1-7,16), wobei der Vf. 2Kor 6,14-7,1 nicht Paulus zurechnet. Leider fehlen bei der Darstellung dieser Rekonstruktionen Hinweise auf andere Positionen in der Debatte (vgl. z. B. Gnilka, Haacker, Wolff, Schnelle).

Der Vf. entfaltet die Vielschichtigkeit der paulinischen Aussagen zum Gesetz und urteilt: "Paulus ist nicht einfach, nicht eindeutig ... Er schaut ganz auf Christus, doch kann er auf Christus nicht schauen, ohne das Gesetz in Hintergrund zu haben." (196) Klar scheint aber doch, dass Paulus das Gesetz als Heilsweg ablehnt, es in dieser Hinsicht nicht mehr "im Hintergrund" hat und dies in den Kontroversen mit verschiedenen Gegnern und zu verschiedenen Fragestellungen vertritt. Die paulinische Schriftauslegung rechnet der Vf. einer judenchristlichen Strömung zu, die die Schrift pneumatisch, d. h. vom Heiligen Geist geführt, auslegt, und unterscheidet sie von einer judenchristlichen Gruppe, "die stärker an die Tradition anknüpft" (190). Sollte hier nicht eher von einer Christus-zentrierten Schriftauslegung die Rede sein? Das Ziel des paulinischen Wirkens sei, so der Vf., "dass Menschen Gott die ihm gebührende Ehre erweisen" (144 u. ö.). Mir scheint hier der Rückgriff auf die paulinischen Aussagen zu Evangeliumsverkündigung und Glaube sachlich angemessener (vgl. z. B. Phil 1,3-30; Röm 1,16 f.). So ließen sich Rückfragen zu einer Reihe von Urteilen, Unterscheidungen und Formulierungen des Vf.s stellen.

Die Anleitung zur Texterschließung der Briefe ist äußerst knapp (3 allgemeine Fragen, 79). Von einem Hilfsbuch zum Studium der Paulus-Briefe ist an dieser Stelle mehr Textbezug und Verstehenshilfe zu erwarten. Aufgabenformulierungen wie "Analysieren Sie den Abschnitt Röm 1,16 f.-5,21 mit Hilfe von Kommentaren!" (213) lassen Studierende eher ratlos zurück, als dass sie helfen. Der Vf. präsentiert Zusammenstellungen von Aussagen einzelner Exegeten zu verschiedenen Themen (z. B. zu "Gesetz", 194 f.; "Gerechtigkeit", 214-216) zum Teil im direkten Zitat. Der Ertrag dieser Überblicke bleibt fraglich. Hilfreicher wäre eine auf Sachfragen konzentrierte Auseinandersetzung mit den Argumenten, die anhand einschlägiger Kommentare exemplarisch dargestellt werden.

Das Buch wird sich neben einführenden Hilfsbüchern (vgl. z. B. Niebuhr, K.-W.: Die Paulusbriefsammlung, in ders. [Hrsg.]: Grundinformation Neues Testament, 2. durchgesehene u. überarbeitete Aufl., Göttingen 2003, 196-293), aktuellen Lexikon-Artikeln (Vollenweider, S.: Paulus, RGG4, Bd. 6 [2003], 1035- 1066) und Monographien (Gnilka, Schnelle u. a) behaupten müssen. Möglicherweise kann es auch Pfarrerinnen und Pfarrern helfen, sich einen Überblick über Themenzusammenhänge der paulinischen Theologie zu verschaffen. Sein Ziel erfüllt es, wenn mit seiner Hilfe das paulinische Werk eingehend studiert und ein erster Zugang zur paulinischen Theologie gefunden wird.