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Ausgabe:

März/2005

Spalte:

260–262

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Park, Kyung-Chul

Titel/Untertitel:

Die Gerechtigkeit Israels und das Heil der Völker. Kultus, Tempel, Eschatologie und Gerechtigkeit in der Endgestalt des Jesajabuches (Jes 56,1-8; 58,1-14; 65,17-66,24).

Verlag:

Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2003. 408 S. 8 = Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments und des Antiken Judentums, 52. Kart. Euro 60,30. ISBN 3-631-50707-0.

Rezensent:

Judith Gärtner

Mit dieser von der Kirchlichen Hochschule Bethel 2001 zugelassenen Dissertation liegt eine eingehende Untersuchung zur Endgestalt des Jesajabuches vor. Programmatisch tritt der Vf. für eine synchrone Bearbeitung seines Textmaterials ein, um anhand der das Anfangs- (Jes 1,1-2,4) und das Schlusskapitel (Jes 56, 1-8; 58,1-14; 65,17-66,24) prägenden Themen Kultus, Tempel, Eschatologie und soziale Gerechtigkeit Komposition und theologische Intention des gesamten Jesajabuches herauszustellen.

Die Arbeit ist in vier große Kapitel unterteilt. Das einführende erste Kapitel (15-55) bietet neben einem forschungsgeschichtlichen Überblick die hermeneutische und methodische Grundlegung der folgenden exegetischen Untersuchungen. Methodisch wird die synchrone Betrachtung des Textmaterials festgeschrieben. Hermeneutisch kommt dem Anfangsteil des Jesajabuches, der auf Jes 1,1-2,4 festgelegt wird, eine herausragende Position zu, da sich nach Ansicht des Vf.s die dort behandelten Themen Kultus, Eschatologie und soziale Gerechtigkeit durch das gesamte Jesajabuch ziehen und am Schluss des Buches mit den Texten Jes 56,1-8; Jes 58,1-14 und Jes 65,17-66,24 eine erneute Bündelung erfahren.

Inspiriert von Ulrich Berges: Das Buch Jesaja. Komposition und Endgestalt (HBS 16). Freiburg u. a. 1998, bieten die folgenden drei Kapitel jeweils Analysen zu Jes 56,1-8 (57-197); Jes 58,1-14 (199-286) und Jes 65,17-66,24 (287-360), die zunächst auf die Komposition der Textkomplexe zielen. Entsprechendes findet sich für den Anfangsteil (Jes 1,1-2,4) nicht, obwohl dieser maßgeblich für die Themen- und Textauswahl herangezogen wird. So wird die Textabgrenzung des Anfangsteils Jes 1,1-2,4 formal nicht begründet und die Frage nach der Funktion von Jes 2,5, wodurch parallel zu Mi 4,4 f. die Perspektive des Gottesvolkes in den Blick kommt, bleibt sowohl unter synchroner als auch unter diachroner Fragestellung offen.

Im zweiten Kapitel wird ausgehend von einer Analyse der Komposition von Jes 56,1-8 die Frage nach Bund und Sabbat erörtert (105-197). Um die beiden hoch komplexen Themen in einen größeren Vorstellungszusammenhang einzuordnen, wird dem Leser zunächst eine traditionsgeschichtliche Diskussion geboten. Entzündet sich im Folgenden am Thema Bund unter Berücksichtigung weiterer Jesajabelege, wie 24,5 f.; 42,6 f.; 49,8f.; 54,10; 55,3 f.; 59,21; 61,8, die Frage nach Israel und den Völkern, so am Thema Sabbat die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit. Dabei stehe hinter Jes 56,1-8 eine soziale Solidaritätsbewegung für die unterdrückten Armen, die am Sabbat zur Arbeit gezwungen würden, und damit gegen diejenigen, die die Unterschicht am Sabbat zur Arbeit zwingen (181-190). So sei über die Vorstellungen von Sabbat und sozialer Gerechtigkeit einerseits und Bund und Völker andererseits eine Verbindungslinie von Jes 56,1-8 zu Jes 1,1-2,4 zu ziehen.

Das dritte Kapitel (199-286) steht mit Jes 58,1-14 ganz unter der Fragestellung des Verhältnisses von Kult und sozialer Gerechtigkeit, indem soziale Gerechtigkeit zum Maßstab rechten kultischen Handelns wird. Hinsichtlich der Textauswahl fällt Jes 58,1-14 der Leserin besonders auf, weil es im Unterschied zu Jes 1,1-2,4; Jes 56,1-8 und Jes 65,17-66,24 auf das Gottesvolk beschränkt bleibt, d. h. die Völkerfrage nicht thematisiert und damit die für die anderen Texte markante universale Ausrichtung fehlt. Zunächst findet der Leser eine Erörterung der literarkritischen Problematik des Textes. Ihr wird anhand von kompositionellen Bezügen eine um Kohärenz bemühte Lesung von Jes 58,1-14 entgegengestellt (205-228). Die thematische Untersuchung ist nach dem Vf. wieder an den Adressaten, d. h. an der Oberschicht, interessiert. Die Bezüge zu dem frühnachexilisch angesetzten Text Sach 7, in dem Fastenkritik und soziale Gerechtigkeit ohne Erwähnung des Sabbats verbunden sind, lassen auf eine spätere Entstehung von Jes 58,1-14 schließen. Wie schon Jes 56,1-8 setzt der Vf. auch Jes 58,1-14 in der Esra-Nehemia-Zeit an (241-249). Ausgehend von Jes 58,6-12 findet die Leserin am Schluss des Kapitels eine eingehende Diskussion zu sozialer Gerechtigkeit und eschatologischem Heil. Hierbei kommen über die Vorstellungen von kabod und 'or für die Komposition des Gesamtbuches entscheidende Bezüge zu Jes 6; Jes 40; Jes 60 in den Blick. Da diese über die im Anfangsteil (Jes 1,1-2,4) festgelegten Themen hinausgehen, werden sie trotz ihrer auch vom Vf. zuerkannten konzeptionellen Bedeutung nicht in die auswertenden Überlegungen am Ende des Kapitels einbezogen.

Im vierten Kapitel (287-360) werden die Vorstellungen von Tempel und Neuschöpfung einerseits und Völkerwallfahrt zum Zion andererseits entfaltet. Die in der Neuschöpfung (Jes 65,17 ff.) enthaltenen Dimensionen sozialer Gerechtigkeit gelten nach Ansicht des Vf.s all denen, die zerbrochenen Geistes sind (Jes 66,2), d. h. den Frommen, die deutlich von der Gruppe der Frevler (Jes 66,3 f.) bzw. von den Feinden Jhwhs (66,5.14) abgehoben sind. Darüber hinaus hat die neue Zionsgemeinde (Jes 66,7-17) eine universale Ausrichtung. In ihr sind die Frommen aus allem Fleisch (Jes 66,23) - auch aus den Völkern, wie es die Vision der Völkerwallfahrt zum Zion beschreibt (Jes 66,18 ff.)- zur neuen Gottesknechtsgemeinde vereint. So münden nach Ansicht des Vf.s Anfang und Ende des Jesajabuches in die zentrale Vorstellung des Heils für die Völker (Jes 2,1-4; Jes 66, 18-24), die aber ihrerseits die Durchsetzung der sozialen Gerechtigkeit Israels zur Voraussetzung habe.

Abschließend sei angemerkt, dass die Textauswahl, die sich einer formal nicht begründeten Abgrenzung des Anfangsteils (Jes 1,1-2,4) und den thematisch bestimmten Bezugstexten am Ende des Jesajabuches (Jes 56, 1-8; Jes 58,1-14; Jes 65,17-66,24) verdankt, weitere Fragen aufwirft. So blendet die synchrone Vorgehensweise des Vf.s, die ausschließlich an dem kompositionellen Zusammenhang der ausgewählten Texte interessiert ist, konzeptionelle Differenzen aus, wie sie z. B. hinsichtlich der Völker in Jes 2,1-4; Jes 56,1-8 und Jes 66,18-24 entfaltet werden. Gleiches gilt für die Sabbatthematik. Entscheidender noch ist aber die Tatsache, dass bei der Analyse zu Jes 58,1 ff. und Jes 65,17 ff. über das Leitwort kabod auf der Ebene der Komposition Verbindungen zu Jes 6, Jes 40 und Jes 60 gezogen werden müssten, die thematisch über den Anfangsteil in Jes 1,1-2,4 hinausgehen. Diese Beobachtungen stellen die hermeneutische Grundannahme des Vf.s, nach der alle konzeptionell wichtigen Fragestellungen bereits am Anfang eines Buches anklingen (50-55), in Frage und kommen deswegen bei ihm nicht in den Blick. Schließlich ist die Textauswahl von den Untersuchungen zu Jes 58,1-14 her anzufragen, da in Jes 58,1 ff. die Perspektive auf das Gottesvolk beschränkt bleibt und die Völker, und damit eine universale Ausrichtung des Gerichts- und Heilshandelns Jhwhs wie in Jes 65,17 ff. und Jes 56,1-8, nicht entfaltet wird. Auch die an sozialer Gerechtigkeit ausgerichtete Vision des endzeitlichen Heils (Jes 58,6 f.) hat weder in Jes 56,1-8 noch in Jes 65,17-66,24 einen direkten Anklang. In diesem Sinn hebt sich Jes 58,1 ff. von Jes 56,1-8 und Jes 65,17 ff. ab, und es ist m. E. erneut zu prüfen, ob diese drei Texte selbst bei einer synchronen Vorgehensweise für die vom Vf. vorgeschlagene Kompositionsanalyse derart vereinheitlicht werden können.

Insofern bleiben hinsichtlich des vom Vf. formulierten Ziels, die theologische Gesamtkonzeption des Jesajabuches zu erkennen (55), einige Fragen offen. Aber hinsichtlich der Rahmenkomposition des Jesajabuches in seiner Endgestalt ist der Band einen bereichernder und die Diskussion weiterführenden Beitrag.