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Ausgabe:

März/2005

Spalte:

258–260

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Grüneberg, Keith N.

Titel/Untertitel:

Abraham, Blessing and the Nations. A Philological and Exegetical Study of Genesis 12:3 in its Narrative Context.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2003. XII, 296 S. gr.8 = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 332. Lw. Euro 78,00. ISBN 3-11-017837-0.

Rezensent:

Horst Seebass

Grünebergs Buch ist aus seiner Promotionsthese hervorgegangen, die er im Department of Theology in Durham (UK) bei W. L. Moberly entwickelt hatte. Das Thema des Buches erfasst am besten der Untertitel. Es geht dem Vf. vorwiegend um die genaue Erfassung von brk ni. und brk hitp., um Gen 12,3 mit 18,18; 28,14 sowie 22,18; 26,4 exegetisch präzise zu deuten. Er unternimmt dies unter ständiger Berücksichtigung der jeweiligen Kontexte, die er programmatisch ausschließlich synchron exegesiert (er kann Quellenzuweisungen erwähnen, ohne ihnen zu folgen, aber auch ohne zu polemisieren).

Der Vf. gliedert in neun Abschnitte ungleicher Länge. Auf eine Einleitung (1-12) folgt eine Diskussion der vergleichbaren Segensworte Gen 27,29b; Num 24,9 (13-33). Der 3. Abschnitt (34-66) fungiert grundlegend und ist ausschließlich dem niphal von brk gewidmet. Der 4. Abschnitt (67-122) diskutiert die Parallelen Gen 18,18; 28,14 zu 12,3. Der 5. Abschnitt (90- 122) ist wieder grundwichtig, indem er philologisch segnen und fluchen, brk pi. und pu., baruk, 'ashrej und berakah bespricht. Der 6. Abschnitt (123-190) bietet einen Schnelldurchgang durch Gen 1-11, um den notwendigen Kontext nicht zu verfehlen. An ihn schließen sich eine Präzision der Syntax von Gen 12,1-3 und eine Aufschlüsselung der einzelnen Elemente von 12,1-3 an. Dies (142-190) bildet ein Kernstück der Untersuchung.

Der Vf. überprüft das erzielte Ergebnis a) im 7. Abschnitt (191-221) an einer ausdrücklich nicht vollständigen, aber für die hier anliegenden Zwecke zureichenden philologischen Erschließung des hebräischen Hitpaels und b) an der darauf fußenden Interpretation von brk hitp. in Gen 22,18; 26,4 (222-241). Abschnitt 9 (242-246) bietet eine knappe, gelungene Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. Eine umfangreiche Bibliographie (247-280) und ein Bibelstellenregister (281-296) beschließen das Buch.

Nach meiner Meinung ist das Buch sehr gelehrt, was die philologischen Abschnitte angeht, da der Vf. neben einem innersemitischen Sprachvergleich weit in ganz andere Sprachen ausgreift, soweit es dort ähnliche Phänomene gibt. Es ist sehr zu empfehlen, dass sich vor allem Grammatikspezialisten mit seinen Thesen befassen. Der Rezensent bekundet seinen Respekt auch für die jeweiligen Schnelldurchgänge durch Gen 1-11; 18; 22; 26; 27; 28; Num 24,9, da der Vf. viel Literatur verarbeitet und seine jeweiligen Meinungen kurz, aber kenntnisreich begründet. Da der Vf. meinen Kommentar zur Genesis, dessen erster Band 1996, der zu Abraham 1997 und der zu Jakob 1999 erschienen ist, nicht gelesen hat, kann ich mich mit Verweis auf ihn relativ kurz fassen. Dabei möchte ich nicht auf Meinungsverschiedenheiten eingehen, die m. E. immer möglich sind und bleiben werden, da wir es nun mal mit einer Wissenschaft des Ermessens zu tun haben, sondern mit nach meinem Urteil gravierenden Entscheidungen. Ich unterteile dies in A. allgemeine Ausführungen zur Exegese, B. zur Philologie.

A. Es leuchtet nicht ein, dass Gen 1-11 ohne einen Einschnitt zu Gen 12ff. übergeht. Selbst für den Vf. ist klar, dass mit 11,27 etwas Neues beginnt, nämlich eine Zuspitzung auf Terachs Genealogie, die offensichtlich Abraham und seine Nachkommen einführen soll. Wenig überzeugend ist m. E. auch die Deutung von 3,16-19 als Sanktion und die von 3,22-24 als Schutz für die Menschen, da natürlich die Entfernung aus der Gottesnähe und der Verschluss des Zugangs zum Gottesgarten die Hauptsache sein muss, von der man gewiss sagen darf, dass sie maßvoll blieb, weil auch danach eine Kommunikation Gott-Mensch stattfinden kann. Erfreulich scheint mir, dass der Vf. im Unterschied zu neueren Studien sowohl zu 6,1-4 als auch zu 11,1-9 keine Strafwürdigkeit der Menschen erkennt, sondern eine Schutzwürdigkeit der Spezies Mensch, obwohl ein bisschen nachträglich und mit der kaum begreiflichen Bemerkung, die Menschen hätten eben am Vergehen der Gottessöhne Anteil gehabt: erst nach dem Fehltritt der Gottessöhne. Gen 22 hat er gründlich verfehlt, da er dort Abrahams Gehorsam gegen die Torah verzeichnet findet (234), obwohl der Torah nichts gräulicher wäre als ein Kinderopfer (vorher sagt er ganz richtig, dass Abraham nur auf Gottes ausdrücklichen Befehl Isaak bindet und das Messer erhebt).

B. Für die Sache dieses Buches gewichtig sind offenbar Bemerkungen zur Philologie. Indem ich meine Bewunderung für die entsprechenden Abschnitte bestätige, scheinen mir zunächst die Ausführungen zum Hitpael weniger problematisch. M. E. hat der Vf. darin Recht, dass das hitp. insgesamt selten eine passive bzw. eine reziproke Bedeutung hat. Es mag sein, dass das hitp. seltener reflexive Bedeutung hat als üblicherweise angenommen, da der Vf. auf Grund seiner Untersuchung zum niph. eine nichtreflexive Kategorie "middle" einführen will, die ein Passiv vermeidet, ebenso aber ein Reflexiv. Aber bei manchen seiner Beispiele bleibt m. E. der reflexive Sinn durchaus möglich - bei brk hitp. wahrscheinlich in Dtn 29,18; (cf. 219 f.) und in Ps 72,17 (da die Völker zum Einflussbereich des Königs gehören), in Jes 65,16; Jer 4,2 mindestens möglicherweise (der Vf. nimmt in allen Fällen Sprechakte der Segnenden an, sozusagen als Ersatz für ein qal). 22,15-18 hat der Vf. m. E. insofern missverstanden, als die Verheißungen von V. 17a.18a bloße abgewandelte Bestätigungen bereits erfolgter Verheißungen sind, die V. 17b erweitert. Das "Deshalb weil" von V.16b bekräftigt dann m. E. (ganz im Sinne des Vf.s?) Abraham als den, der die Verheißungen mit Recht empfing. Dass alle Völker mit dem Namen der Nachkommen anderen einen Segen zusprechen, ist eine Möglichkeit, wenn die Annahme des Vf.s sich verfestigen lässt, dass das hitp. einen bloßen Sprechakt ausdrückt. Aber lässt sich die reflexive Bedeutung wirklich ausschließen? Zu 26,4 gibt es dann kein anderes Bild. - Gravierender für die Thesen des Vf.s ist der Versuch des Nachweises, dass brk ni. höchstwahrscheinlich das Passiv ausdrückt, da ein einfaches Reflexiv nicht anzunehmen und das vom Vf. vorgeschlagene "middle", bei dem eine indirekte Beteiligung des Satzsubjektes vorkommen kann, auszuschließen sei. So sehr seine Übersetzung viele Sympathien wecken wird, da sie an Klassisches anknüpft, so problematisch scheint mir, dass der Vf. das immerhin 13 Mal belegte Passiv, nämlich das pu., völlig herunterspielt, und wenn ich S. 84 f. recht verstehe, kann er das üblicherweise angenommene "middle", nämlich sich in Abrahams Segen einfügen, für 28,14 offenbar nicht ausschließen.

Diese Überlegungen zielen nicht darauf, die Bedeutung des Buches zu einem Teil der hebräischen Grammatik herunterzusetzen. Vielmehr scheint mir eine Überprüfung der Thesen unerlässlich. Zur Exegetik bleiben Wünsche offen; aber auch diese rütteln nicht an der Qualität des Buches, sondern sie sind Wünsche an einen wissenschaftlich notwendigen Diskurs.

Rundherum erfreulich ist, dass nur sehr wenige Druckfehler stehen geblieben sind. Ich jedenfalls habe nur drei bemerkt. Auf S. 145 müsste in Z. 4 von unten ein Chet statt einem He erscheinen, auf S. 147 in Z. 3 von oben müsste wohl "Name der Frevler" hebräisch gelesen werden. Bei diesem so gründlich redigierten Buch hat sich dann ausgerechnet auf der letzten Seite ein Fehler eingeschlichen: l. "promises".