Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Februar/2005

Spalte:

209 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Domsgen, Michael, Hahn, Matthias, u. Gisela Raupach-Strey [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Religions- und Ethikunterricht in der Schule mit Zukunft.

Verlag:

Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2003. 348 S. m. Tab. 8. Kart. Euro 18,00. ISBN 3-7815-1289-4.

Rezensent:

Alfred Seiferlein

Das Verhältnis von Ethik- und Religionsunterricht wird auf verschiedenen Ebenen diskutiert. Neben der Religionspädagogik sind die diversen Bezugswissenschaften für den Ethikunterricht an dieser Frage interessiert. Aus standespolitischem Kalkül bemühen sich Lehrerverbände um Einflussmöglichkeiten. Auf der politischen Bühne stehen ideologisch ausgerichtete Grundsatzfragen und die Debatte um eine Schulreform bis hin zum PISA-Schock auf der Tagesordnung. Hinzu kommt die Kultusbürokratie mit fiskalischen und schulorganisatorischen Problemen. Noch immer unterscheidet sich die Schullandschaft in Deutschland insbesondere in der rechtlichen und praktischen Stellung bzw. in der Zuordnung von Religions- und Ethikunterricht. Vor diesem Hintergrund veröffentlichte im Jahre 2001 das Kultusministerium in Magdeburg eine Expertise unter dem Titel: "Ethik- und Religionsunterricht in der Schule der Zukunft". Die Herausgeber des vorliegenden Sammelbandes mit einem fast gleich lautenden Titel beabsichtigen mit einer erneuten Veröffentlichung dieser Schrift der Diskussion um den Ethik- und Religionsunterricht neue Impulse zu geben. Zusätzlich sind Aufsätze angefügt, die konzeptionelle Überlegungen beisteuern und/oder über die Situation in anderen Bundesländern reflektieren. Vor dem Hintergrund der Untersuchungen und Erfahrungen in Sachsen-Anhalt soll die bundesweite Debatte um die ethisch-religiöse Bildung angeregt werden mit dem Ziel, diesen Bereich an den öffentlichen Schulen zukunftsfähig zu gestalten.

Die Expertise der Arbeitsgruppe des Kultusministeriums gliedert sich in fünf Teile. Zuerst werden die rechtlichen Vorgaben vom Grundgesetz über die Landesverfassung bis zu den schulrechtlichen Regelungen skizziert. Sodann schließen sich im zweiten Teil allgemeine Überlegungen zur veränderten Schulsituation an. Im dritten Teil fällt der Blick auf die Situation der ethisch-religiösen Fächer in Sachsen-Anhalt und im anschließenden vierten Teil werden die besonderen Schwierigkeiten der beiden konfessionellen Fächer und des Ethikunterrichts in diesem Bundesland dargestellt. Besonders interessant ist der abschließende fünfte Teil, in dem die Weiterentwicklung der ethisch-religiösen Bildung in Sachsen-Anhalt diskutiert wird. Bemerkenswert an der gesamten Expertise ist die realistische Bestandsaufnahme der Situation sowohl für den Religions- als auch für den Ethikunterricht. Während die rechtliche Konstruktion in Sachsen-Anhalt bildungspolitisch und staatsrechtlich eine beachtliche Interpretation des Grundgesetzes darstellt, hinken die praktischen Ausgestaltungen den Regelungen deutlich hinterher. Die Verfassung des Bundeslandes stellt den evangelischen bzw. den katholischen Religionsunterricht als ordentliche Lehrfächer gleichberechtigt neben den Ethikunterricht. Das ausführende Schulgesetz regelt, dass Schülerinnen und Schüler entweder am Religionsunterricht oder am Ethikunterricht teilnehmen. Tatsächlich aber besuchten im Schuljahr 1999/ 2000 nur rund 35 % aller Schülerinnen und Schüler eines der drei Fächer (38).

Der Reigen der anschließenden Beiträge wird durch einen Festvortrag von Karl Ernst Nipkow eröffnet: Religionsunterricht und Ethikunterricht - "Dialogpartnerschaft" in einer zerstrittenen Welt. Dieser Aufsatz stellt die inhaltliche Mitte der ganzen Veröffentlichung dar. Dem Konzept der "Dialogpartnerschaft" - ob die weiteren Autoren nun die Begrifflichkeit übernehmen oder nicht - fühlen sich alle mehr oder weniger verpflichtet. Aus verschiedenen Perspektiven werden Situation und Möglichkeiten der Zusammenarbeit der konfessionellen Fächer und des Ethikunterrichts beleuchtet. Dabei werden grundsätzliche, pädagogische und schulpraktische Fragen diskutiert. Allen Beiträgen gemeinsam ist an der Weiterentwicklung der ethisch-religiösen Bildung gelegen. Gegenüber anderen Fächergruppen soll die Notwendigkeit einer stärkeren Gewichtung des geisteswissenschaftlichen Bereichs, insbesondere in den jungen Bundesländern, betont werden.

Der Sammelband zeichnet ein ungeschöntes Bild der ethisch-religiösen Bildung speziell im Bundesland Sachsen-Anhalt. Der Vergleich mit anderen ostdeutschen Ländern lässt einen Nachholbedarf der öffentlichen Schulen in dieser Fächergruppe unschwer erkennen. Gleichwohl zeigt das Interesse des Kultusministeriums, dass von politischer Seite die Notwendigkeit einer verstärkten Förderung gesehen wird. Für die politische Debatte und für die pädagogische Diskussion um die Zukunft des Religions- und des Ethikunterrichts leistet der Sammelband einen beachtlichen Beitrag.