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Ausgabe:

Januar/2005

Spalte:

96 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Grethlein, Christian

Titel/Untertitel:

Kommunikation des Evangeliums in der Mediengesellschaft.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2003. 114 S. 8 = Forum Theologische Literaturzeitung, 10. Kart. Euro 14,80. ISBN 3-374-02086-0.

Rezensent:

Klaas Huizing

Innerhalb der Gelehrtenrepublik wagte sich die Theologie in der letzten Zeit kaum auf den Marktplatz hinaus, ihre Gestalt war alternd, von Ermüdungsbrüchen gezeichnet, mental in einem erbärmlichen Zustand. Wie ein Befreiungsschlag mutete es deshalb an, als die Evangelische Verlagsanstalt eine Forum-Reihe ankündigte. Urbanität. Das ließ und lässt hoffen. Die Wiederkehr der von vielen verpönten Rhetorik, nicht länger apologetisch gefesselt, sondern heiter und selbstbewusst eingesetzt. Essays wurden in der Theologie nie geliebt, vielleicht wegen der semantischen Nähe von Versuch und Versuchung. Also ein Forum.

Und als gelte es, mit einem Salto die Neuzeittauglichkeit der Theologie unter Beweis zu stellen, tauchen im Titel des ersten praktisch-theologischen Beitrags gleich zwei Container-Begriffe aktueller Diskurse auf: Kommunikation und Mediengesellschaft, und mit Aplomb wird die Nähe zu den empirisch verfahrenden Wissenschaften gesucht: "Es geht hier [...] um einen empirisch fundierten Beitrag zur Kontextualisierung des Evangeliums." (6) Der Autor, Christian Grethlein, kommt sympathisch schnell zur Sache, plädiert für einen Medienbegriff von mittlerer Reichweite (Medien bezeichnet [...] die materialen Bedingungen für die Kommunikation von Menschen, 10), bestimmt die Aufgabe der Medien in der Vermittlung von Transzendentem, hält für die Religionen die Kommunikation zwischen den Menschen für grundlegend und diagnostiziert eine Krise der Kommunikation des Evangeliums in der Mediengesellschaft hinsichtlich zentraler kirchlicher Aufgabenfelder (Gottesdienst, Unterricht, Seelsorge, Publizistik). Streng genommen verbirgt sich die Krise in dem Stichwort der Kommunikation, das an die Stelle der Verkündigung tritt und die rezeptionsästhetische Einsicht aufnimmt, dass an den Verständi- gungsprozessen die Kommunizierenden aktiv beteiligt sind.

In vier Perspektiven entfaltet G. seine These: in geschichtlicher, empirischer und theologischer Perspektive, um schließlich handlungsorientierende Konsequenzen für die Gestaltung der Kommunikation des Evangeliums zu ziehen. Wie in jedem guten Forum-Beitrag ist Zustimmung und Widerspruch erwünscht. Zunächst: Mich überzeugt, dass G. über einen funktionalen Religionsbegriff hinaus inhaltliche Kriterien für die Kommunikation des Evangeliums einfordert. Die Kriterien, die er nennt (Gott als Schöpfer, Jesus Christus, Gemeinschaft der Heiligen), wären allerdings genauer zu bestimmen, um nicht wieder in einen alten substantiellen Religionsbegriff zurückzufallen. Mich überzeugt, als gelernter hermeneutischer Dialogiker, sodann sehr, wie G. personale Präsenz in allen Handlungsfeldern anmahnt. Schwierigkeiten macht mir sein Medienbegriff. Medien sind durchaus nicht (nur) Vermittler, sondern haben eine ganz eigene Wertigkeit. Konkretisieren lässt sich der Einwand an der Engführung des biblischen Mediums. Zwar gesteht G. zu, dass die Bibel neben dem Speichermedium als Übertragungsmedium ein personales Medium ist, vorgetragen im Gottesdienst und dadurch zugleich persönlich beglaubigt (23), die Pointe ist noch eine andere. Neuere Schrifttheologie hat deutlich machen können, dass wir es namentlich in den Gleichnissen Jesu mit (dramatisch-literarischen) Porträtstrukturen zu tun haben, die biblische Schrift hat ein Gesicht, das eine ästhetische Einübung in handlungsorientierende Grundgesten christlicher Lebensführung erlaubt.

Forum also. Der Gedanke der personalen Kommunikation ist ein starker Gedanke, sogar noch stärker als G. behauptet. Innerhalb der Gelehrtenrepublik lässt sich damit durchaus selbstbewusst auftreten.