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Ausgabe:

Januar/2005

Spalte:

80 f

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Krüger, Jürgen, u. Christiane Tichy

Titel/Untertitel:

Kirchenbau und Politik. Deutsche evangelische Kirchen auf der iberischen Halbinsel 1900-1945.

Verlag:

Petersberg: Imhof 2003. 304 S. m. zahlr. Abb. gr.8. Kart. Euro 29,80. ISBN 3-937251-13-8.

Rezensent:

Christian Grethlein

Der Band, konkret durch das 100-jährige Jubiläum der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Madrid (19.10.2003) veranlasst und durch deren Pfarrer Hannes Bauer gefördert, enthält "zwei Spezialstudien, die ein facettenreiches Bild - mit Personen und Bauten - vom Leben der Deutschsprachigen im Ausland in einer kritischen Phase der Geschichte entwerfen" (so Bauer im Vorwort).

Der erste, von Christiane Tichy verfasste Beitrag (9-159) rekonstruiert sorgfältig aus den Quellen die Geschichte der deutschen Auslandsgemeinden in Barcelona, Lissabon und Madrid zwischen etwa 1930 und 1950, wobei auch weitere iberische Gemeinden am Rande mit in den Blick kommen. Dabei bestimmen die Einführung der spanischen Republik (1931), der Beginn der portugiesischen Salazar-Herrschaft (1932) und die Machtübernahme Hitlers in Deutschland den Ausgangspunkt und benennen zugleich die besondere politische Problematik der damaligen Gemeindearbeit. Der Endpunkt der Untersuchung in den 50er Jahren wird durch den jeweiligen Wechsel im Pfarramt nahe gelegt. Inhaltlich wird die Vfn. von der Frage "nach dem Einfluss des Nationalsozialismus auf die Kirchengemeinden im Ausland unter den Bedingungen der Diktatur von Franco und Salazar" geleitet (11). Dazu gehört auch das Interesse am Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in der Nachkriegszeit. Insgesamt entsteht so eine sehr anschauliche Darstellung der konkreten Arbeit deutscher evangelischer Kirche in der politisch schwierigen Zeit in Spanien und Portugal. Einfühlsam und verständnisvoll rekonstruiert die Vfn. die jeweiligen Spannungen, vor allem zwischen Kirche und Partei, und arbeitet das Bemühen um einen mittleren Weg zwischen deutschem Christentum und Bekennender Kirche heraus, wie er in unterschiedlicher Weise auf den verschiedenen Ebenen bis hin zum Kirchlichen Außenamt (Bischof Heckel) versucht wurde. Konkrete Fallstudien zu einzelnen Konflikten (vor allem zum "Fall Semske" in Lissabon, 62-76) verhindern ideologische Abstraktionen.

Im zweiten Beitrag rückt der in Karlsruhe Kunstgeschichte lehrende Jürgen Krüger das Thema des Diasporakirchenbaus ins Blickfeld, bisher ein Forschungsdesiderat. Nach einem sehr instruktiven Überblick zu Notwendigkeit und langsamer Tolerierung von Diasporakirchen, zuerst vor allem so genannter Gesandtschaftskirchen, werden die fünf Kirchen vorgestellt, die in der ersten Hälfte des 20. Jh.s in Barcelona, Madrid und Lissabon erbaut wurden. Dabei werden die jeweilige Vorgeschichte mit den nationalen und politischen Besonderheiten sowie die architektonische Durchführung rekonstruiert. Zahlreiche Bilder veranschaulichen das im Text Ausgeführte. Bei der Darstellung des Kirchenbaus in Madrid (1909) stößt der Vf. auf das Bauprogramm Kaiser Wilhelm II.; bei den Bartning-Kirchen in Lissabon (1934) und Barcelona (1942) begegnet ein durchreflektiertes Programm der Diasporakirche, das gerade in deren "Not", nicht zuletzt bei der Finanzierung, zugleich ein besonderes auf das "Urbild christlicher Gemeinden" (267) verweisendes Profil erkennt. Insofern leistet diese zweite Studie einen über die konkret beschriebenen Kirchen hinausreichenden Beitrag zur Kunst- und Architektur- sowie Kulturgeschichte des Kirchenbaus.