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Ausgabe:

Januar/2005

Spalte:

31–33

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lefebvre, Jean-François

Titel/Untertitel:

Le jubilé biblique. Lv 25 - exégèse et théologie.

Verlag:

Fribourg: Editions Universitaires; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003. XII, 443 S. gr.8 = Orbis Biblicus et Orientalis, 194. Geb. Euro 84,00. ISBN 3-7278-1440-3 (Editions Universitaires); 3-525-53051-X (Vandenhoeck & Ruprecht).

Rezensent:

Henning Graf Reventlow

Die unter A. Schenker erarbeitete Freiburger theologische Dissertation bietet nach einem kurzen Überblick über die aktuelle Forschungssituation (Introduction, 1-21) im ersten Teil (29-130) eine Vers-für-Vers-Exegese von Lev 25,1-22. Dabei ergibt sich nach den Einleitungsversen 1-2a (Kap. 1; 31-34) eine dreiteilige Gliederung: [I.] V. 2b-7 "Der Sabbat des Landes" (Kap. 2; 35-83). Beachtlich ist die Auffassung, dass der Sabbat des Landes ein Opfer der Ernte für JHWH sei (2.4; 73-83). [II.] V. 8-12 Das "Jobeljahr" (Jubilé. Kap. 3; 84-107). [III.] V. 13-22 "Juristische Konsequenzen und Segen" (Kap. 4; 108-130). Der Vf. beschließt für das gesamte Kapitel - ohne die Verdienste einer redaktionskritischen Analyse bestreiten zu wollen -, den vorliegenden Endtext in seiner Struktur zu untersuchen (18). Dabei wird u. a. der häufige Numeruswechsel (V. 6.10.14.18. 25.55) mit einem bewussten Wechsel zwischen den Adressaten - einzelne Landeigentümer und Gesamtvolk - erklärt (36 f., vgl. 83).

Auf diese Einzelexegese folgt zunächst im zweiten Teil (131- 172) eine sachorientierte Untersuchung zu dem behandelten Textabschnitt. In Kap. 5 (133-137) geht es um die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Sabbatjahr in Lev 25,2-7 und dem "siebenten Jahr" in Ex 23,10-11. Während das Bundesbuch die Armen als Empfänger des Ertrags der Brache nennt, erwähnt das Heiligkeitsgesetz nur den Eigentümer, seine Familie und sein Vieh. Der Vf. urteilt (mit Rücksicht auf Ex 23,12), dass beides nicht exklusiv gemeint sei. Kap. 6 (138-144) behandelt Opfer der Ernte, Zehnte und Recht zur Ährenlese. Die "Gabe" des Landes (Lev 25,2) motiviert die Ausdehnung des Nachleserechts auf alle Landesbewohner (Bezug auf Ex 23, 10-11). Kap. 7 (145-153) zeigt im Vergleich von Lev 25 und Dtn 26, 1-11.27-28, dass nach dem Sabbatjahr ein Bundeserneuerungsfest (als Zeltfest ein Erntefest, vgl. Lev 23,39-40, aber auch Gedenken an den Wüstenaufenthalt) gefeiert werden konnte.

Besonders wichtig ist Kap. 8 (154-172). Das bisher ungelöste Problem der Datierung des Jobeljahrs angesichts des Widerspruchs zwischen der Zählung in Lev 25,8 (7 x 7 Jahre) und dem 50. Jahr in V. 10 wird lösbar, wenn man voraussetzt, dass im Jahr des Einzugs ins Land, der im Jobeljahr gefeiert wird, noch keine Aussaat erfolgen konnte. "Dès lors, si la première année sabbatique est bien la septième année des semailles (virtuelles), on peut la compter comme la huitième année de présence dans le pays. La quarante-neuvième sabbat sera donc, dans ce cas, la cinquantième année de présence dans le pays" (162). Das Jobeljahr ist danach eine Rückkehr in das "Jahr null" (163), woraus sich die später genannten praktischen Folgen ergeben. In der Symbolik des Sabbats im Kontext des Jobeljahrs vereinen sich Erinnerungen an die Schöpfung, Wüstenwanderung (Manna) und Gabe des Landes. Im zeitweisen Verzicht auf die Frucht menschlicher Bearbeitung des Landes wird das Volk eingeladen, die Fruchtbarkeit göttlichen Segens zu genießen (165).

Kap. 9 "Creation et rédemption: la terre dans l'agir divin" (167-172) nennt das Jobeljahr eine Antwort auf die Gaben von Sattheit und Sicherheit (Lev 25,19) in der Gabe des Landes.

Der dritte Teil (173-298) bietet eine Vers-für-Vers-Exegese der rechtlichen Bestimmungen in Lev 25,23-55. Für den Vf. handelt es sich dabei um im Zusammenhang durchaus sinnvolle, ja notwendige Ausführungsbestimmungen der Rechtsfolgen der Jobeljahr-Institution, deshalb keinesfalls um eine spätere Ergänzung, wie viele Ausleger meinen. In der Kasuistik von kjjmnk (V. 25.35.39.47) geht es dabei um drei Stadien der Verarmung eines Grundeigentümers: 1. Verkauf eines Teilgrundstückes [V. 25] (V. 23-34) - dazu Kap. 11 (185-227). Hier zeigt der Vf., wie die g'lh-Vorschriften in den Jobeljahr-Rhythmus eingefügt werden. 2. Insolvenz [V. 35] - und Zinsverbot (V. 35-38) - dazu Kap. 12 (228-265). 3. Verkauf der Familie an einen Israeliten (V. 39) oder (schlimmer) an einen Einwanderer (V. 47) - dazu Kap. 13 (266-298). Abdienen einer Schuld bei einem "Bruder" ist legitim. Der Schuldknecht eines Fremden sollte freigekauft werden.

Der vierte Teil (299-400) vereinigt die Diskussion verschiedener Probleme: Kap. 14 (301-330) vergleicht die Bestimmungen in Lev 25,39-54 mit den Gesetzen über den hebräischen Sklaven in Ex 21,2-6 und Dtn 15,12-18. Hauptunterschied: Dort geht es um den Sklaven als Individuum, hier um die Befreiung des Familienvaters und seines Landbesitzes. Kap. 15 (331-348) stellt die Regelmäßigkeit des Jobeljahrs im Unterschied zu den punktuellen Freilassungsedikten des Alten Orients und Griechenlands (seisachtheia Solons in Athen) heraus. Als Entstehungszeit der Ordnung vermutet der Vf. die persische Periode. Allerdings sind die dafür angeführten Neh-Texte (Neh 5,1-13; 10,29; 13,13.23-31) wenig beweiskräftig und erst recht nicht Jer 34, wo es um Sklavenfreilassung geht, und Neh 9,32. Von einer Verwirklichung der Jobeljahrsvorschriften ist nirgends die Rede (333); das macht die Frage, ob es sich um ein utopisches Programm handelt, so schwierig.

Kap. 16 (349-389) diskutiert das Verhältnis zwischen den Motivationsklauseln kjlj h'rs (V. 23) und kjlj bnjsr'l 'brjm (V. 55) und dem Inhalt des Gesetzes. Hier wird versucht, noch einmal den theologischen Kern des Jobeljahrgesetzes herauszustellen: Die Gabe des Landes, das JHWH gehört, ist Grund und Antrieb für die Israeliten, die Jobeljahrvorschriften zu erlassen, die zur Restitution der Grundbesitzer als Diener JHWHs auf seinem Land führen sollen.

In der Schlussbetrachtung (391-400) gesteht der Vf., dass trotz des Gesagten das Jobeljahr noch nicht sein ganzes Geheimnis verloren hat (391). Die Untersuchung hat wertvolle neue Einsichten gebracht, unter denen die Frage der Jahreszählung sicher eine der wichtigsten ist. Allerdings wurden die Ergebnisse unter einer einschränkenden Voraussetzung erzielt: redaktionskritische Aspekte waren bewusst ausgeklammert worden (s. o.), damit aber auch gegebenenfalls wertvolle Hinweise zu Entstehungszeit und Absicht.

Im Ganzen ist die Arbeit ein Spezialkommentar zu Lev 25, den künftige Bearbeiter des Kapitels und des Heiligkeitsgesetzes nicht werden übergehen können. Die Sorgfalt der Untersuchung wird auch in dem reichhaltigen und gut geordneten Literaturverzeichnis sichtbar (401-419); es folgen noch Autoren- und Bibelstellenregister.