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Ausgabe:

Dezember/2004

Spalte:

1375 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schweitzer, Friedrich

Titel/Untertitel:

Elementarisierung im Religionsunterricht. Erfahrungen - Perspektiven - Beispiele. M. weiteren Beiträgen v. K. E. Nipkow, A. Biesinger, N. Mette, R. Froese, O. Kliss, u. T. Ziegler.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2003. 221 S. 8. Kart. Euro 24,90. ISBN 3-7887-1931-1.

Rezensent:

Wolfram Weiße

Friedrich Schweitzer legt ein gut lesbares, facettenreiches Buch mit Beiträgen seiner akademischen Schüler und seines Lehrers Karl Ernst Nipkow vor. Sch. selbst setzt mit Einleitung und Schluss den Rahmen und ist mit zwei weiteren Beiträgen vertreten. Der für das Buch zentrale Terminus Elementarisierung ist offensichtlich ein Suchbegriff, um genauer herauszuarbeiten, welche Themen und welche Methoden für gegenwärtigen Religionsunterricht zentral und - gegenüber Ethik und LER - profilbildend sind. Seine Definition lautet: "Elementarisierung bezeichnet ein religionsdidaktisches Modell für die Vorbereitung und Gestaltung von (Religions-)Unterricht, das eine Konzentration auf pädagogisch elementare - also von den Inhalten ebenso wie von den Kindern und Jugendlichen (oder Erwachsenen) her grundlegend bedeutsame und für sie zugängliche - Lernvollzüge unterstützen soll" (10). Bei Elementarisierung gehe es genauer um elementare Strukturen, elementare Erfahrungen, elementare Zugänge, elementare Lernformen und elementare Wahrheiten. Damit ist eine hinreichende Fokussierung erreicht, ohne den Begriff zu verabsolutieren. Es erscheint als ebenso angenehm wie angemessen, dass keine künstliche Abgrenzung gegen andere konzeptionelle Ansätze gesucht wird, sondern die generelle Zielsetzung im Vordergrund steht, zu einer größeren Tragfähigkeit des Religionsunterrichts beizutragen und sich auf das für den Religionsunterricht Wichtige zu besinnen. In einigen Beiträgen des Buches, vor allem denen des Schülerkreises von Sch., verdichtet sich quasi unter der Hand der Eindruck, mit dem Begriff der Elementarisierung ein Patentrezept gefunden zu haben. Da wirkt es entlastend, wenn Sch. selbst schreibt, dass Elementarisierung "keine pädagogische Wunderwaffe und kein Allheilmittel" (200) sei.

In diesem Rahmen bietet der Band eine Reihe von lesens- und überdenkenswerten Beiträgen. Karl Ernst Nipkow geht auf die zentrale Frage der Theodizee ein. Ein trefflich gewähltes Thema, das durch theologische Interpretation und Schülerbezug besticht (wenn vielleicht auch andere theologische Positionen, etwa die von Dorothee Sölle, hätten einbezogen werden können). Norbert Mette befasst sich in einem klugen und sehr gut lesbaren Beitrag mit der Frage von Gerechtigkeit und Frieden. Er erinnert daran, dass die Bibel keine Erzählungen aus einer heilen Welt beinhalte, die sich mit Vertröstungen auf ein besseres Leben im Jenseits richtet. Gleichzeitig insistiert er darauf, dass in der Bibel zwar von der Bereitschaft zur Gewalt bei Menschen berichtet werde, daraus aber nicht der Schluss gezogen werden dürfe, dass Menschen "ein für allemal in einem Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt gefangen" (98) seien. Regine Froese arbeitet in ihrem Beitrag heraus, dass Elementarisierung auch für interreligiöses Lernen in der Grundschule eine wichtige Rolle spielen könne. Sie stellt überzeugend dar, dass interreligiöses Lernen schon in der Grundschule verankert werden könne und müsse. Die Behauptung, dass gerade der konfessionelle und kooperative Religionsunterricht die notwendigen Rahmenbedingungen für interreligiöses Lernen biete, erscheint allerdings als eher gewagt und überzogen, zumal sie sich mit anderen Ansätzen nicht wirklich auseinander setzt. Ein weiterer Beitrag im Buch stammt von Sch. und seinem katholischen Kollegen im Fach Religionspädagogik, Albert Biesinger. Unter der Formel "Gemeinsamkeiten stärken - Unterschieden gerecht werden" skizzieren sie Grundsätze eines konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts und machen am Beispiel Konfirmation und Firmung deutlich, wie religiöse Tradition und lebensweltliche Erfahrung von Schülerinnen und Schülern im bikonfessionellen Religionsunterricht miteinander verschränkt werden können. Interessant erscheint hier die Idee des Team-Teaching, das von zwei Lehrkräften entweder zur gleichen Zeit oder im phasenweisen Wechsel durchgeführt wird. Dies kann als Anregung auch über Baden-Württemberg hinaus als stimulierend angesehen werden. Die weiteren Themen des Buches sind folgende: Oliver Kliss hat einen Beitrag zur Frage von Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft verfasst, Sch. einen zur Erziehung nach Auschwitz, Karl Ernst Nipkow zur Frage der Rechtfertigung, Tobias Ziegler zu Jesusbildern und Sch. zur Frage angemessener Methoden für ein elementarisierendes Lernen.

Die Publikation will keine in sich abgeschlossene Systematik für eine Elementarisierung im Religionsunterricht anbieten, wohl aber einen Rahmen mit vielfältigen Impulsen. Es ist ein schönes, vielfältiges Buch, das sich besonders stark auf die Situation in Baden-Württemberg bezieht, aber durchaus anregend für den Religionsunterricht auch in anderen Bundesländern ist. Kurz: Es ist ein produktives Gesprächsangebot aus der Tübinger Werkstatt des Religionsunterrichts.