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Ausgabe:

Dezember/2004

Spalte:

1330 f

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Löffler, Winfried [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Bernard Bolzanos Religionsphilosophie und Theologie. Beiträge zum Bolzano-Symposium der Österreichischen Forschungsgemeinschaft im Dezember 2000 in Wien.

Verlag:

Sankt Augustin: Academia 2002. 392 S. m. Tab. 8 = Beiträge zur Bolzano-Forschung, 12. Kart. Euro 34,50. ISBN 3-89665-232-X.

Rezensent:

Ingolf U. Dalferth

Der 12. Band der Beiträge zur Bolzano-Forschung dokumentiert ein Symposium, das die Österreichische Forschungsgemeinschaft im Rahmen ihres Forschungsschwerpunkts zum Leben und Werk Bernard Bolzanos im Dezember 2000 in Wien abgehalten hat. Erstmals wurden dabei Bolzanos Religionsphilosophie und Theologie zum Thema eines größeren Forschungskolloquiums. Schon das verleiht diesem Band sein besonderes Gewicht. Während Bolzanos religionsphilosophische Bedeutung als einer der wichtigsten Vorläufer der analytischen Religionsphilosophie im 19. Jh. schon seit längerem beachtet wird (vgl. etwa E. Herrmann, Der religionsphilosophische Standpunkt Bernhard Bolzanos unter Berücksichtigung seiner Semantik, Wissenschaftstheorie und Moralphilosophie, Lund 1977), hat seine Theologie bisher nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die sie verdient. Vor allem hier wird im vorliegenden Band Neuland betreten.

Die Beiträge werden in vier Abteilungen geboten, die eigentümlich versetzt angeordnet sind. Teil I (Glaube und Wissen: Grundlagenfragen: 11-112) und Teil III (Religionsphilosophische Einzelfragen: 251-296) konzentrieren sich auf Bolzanos Religionsphilosophie. In drei grundlegenden Studien untersuchen E. Herrmann die Kognitivität des Glaubens bei Bolzano im Licht der Realismusdebatte in der neueren analytischen Religionsphilosophie (13-33), E. Morscher Bolzanos Logik der Religion (35-90) und C. Gieske die Grundlagen seiner Hermeneutik (91-112). Demgegenüber bietet W. Löffler in Fortsetzung seiner andernorts publizierten Arbeiten eine logische Formalisierung von Bolzanos kosmologischem Gottesbeweis (253-272), während A. Krause Bolzanos Lehre von der Unsterblichkeit der Seele rekonstruiert (273-296). Zusammengenommen bieten diese Arbeiten einen präzisen Einblick in den gegenwärtigen Stand der Erforschung und Diskussion zentraler Aspekte von Bolzanos Religionsphilosophie.

Das gilt noch stärker für das, was in den beiden anderen Abteilungen geboten wird. Teil II (Bolzanos Theologie und Religionsphilosophie im historischen Kontext) und Teil IV (Glaube und Kirche: Bolzanos Theologie) belegen detailliert, dass Bolzanos theologisches Denken zwar ganz in den Umbruch von der josephinischen Spätaufklärungstheologie zur katholischen Restauration eingebettet ist, in diesem Kontext aber durch seine Scharfsichtigkeit besticht.

So geht P. Walter Bolzanos Konzeption vom Aufbau der Theologie im historischen Vergleich nach (115-148), W. Künne untersucht die theologischen Gutachten in den Verfahren gegen den Professor und Priester Bolzano (149-189), Graf Reventlow beschreibt Bolzanos Sicht der Bibel anhand seines 1834 anonym erschienenen Lehrbuchs der Religionswissenschaft (191-222) und P. M. Schenkel bietet einen aufschlussreichen Überblick über die theologische und religionsphilosophische Literatur in Bolzanos Privatbibliothek (223-250). In stärker inhaltlich ausgerichteten Untersuchungen analysieren demgegenüber G. Hornig die Dogmatik und Perfektibilitätstheorie Bolzanos (299-323), R. A. Siebenrock seine Sicht der Unfehlbarkeit der Kirche (325-342) und K. F. Strasser die Gründe für den außergewöhnlichen Erfolg, den der Universitätskatechet Bolzano mit seinen theologischen Aussagen hatte (343-369). Ein ausführliches Personenverzeichnis (371-384) und knappe Informationen über die Autoren der Beiträge (385-392) beschließen den Band.

Bolzano ist mit seiner Konzentration auf die logischen und semantischen Probleme religiöser Rede und theologischer Argumentation trotz aller unübersehbaren Zeitgebundenheit zum wegweisenden Vorläufer analytischen Denkens in Theologie und Religionsphilosophie im 20. Jh. geworden. Sein Denken macht verständlich, warum sich die katholische Theologie diesen Entwicklungen gegenüber in manchem aufgeschlossener gezeigt hat als die evangelische Theologie, warum sie aber auch immer wieder eine besondere Affinität zu den logisch-theistischen Engführungen dieser Tradition entwickelt hat. Beides kann schon an Bolzano studiert werden. Wer sich mit seiner Religionsphilosophie und Theologie auseinander setzen will, wird künftig von diesem Band ausgehen müssen. Er bestätigt im Positiven wie Negativen das Urteil H. Hurters, der in seinem Nomenclator literarius catholicae (Bd. V/1, 1102, 3. Aufl. 1911) Bolzano in eine Reihe mit Franz von Bader und Anton Günter stellte: "Hisce duobus adde tertium, meliorem mathematicum quam theologum, qui rationalismi iniit vias, Bernardum Bolzano Pragensem, ...".