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Ausgabe:

Dezember/2004

Spalte:

1313 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Herzig, Arno

Titel/Untertitel:

Konfession und Heilsgewissheit. Schlesien und die Grafschaft Glatz in der Frühen Neuzeit.

Verlag:

Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2002. 192 S. m. Abb. 8 = Religion in der Geschichte, 9. Kart. Euro 14,00. ISBN 3-89534-459-1.

Rezensent:

Kurt-Friedrich von Scheliha

Die Studie befasst sich mit der Gegenreformation vor allem im 17. Jh. in Schlesien und in der Grafschaft Glatz; den Ereignissen in dieser Region ist der Schwerpunkt gewidmet. Das wundert nicht, denn der Vf. ist in dem dort gelegenen, noch heute bekannten Wallfahrtsort Albendorf geboren. Die Grafschaft Glatz bildet einen Gebirgskessel der mittleren Sudeten und umfasst ca. 1600 km2 mit (1939) ca. 180000 Einwohnern. Staatsrechtlich gehörte sie bis zum Friedensvertrag von Breslau im Jahr 1742 zum Königreich Böhmen, kirchenrechtlich bis 1945 zur Erzdiözese Prag. Gleichwohl war diese Region auch von der Struktur der Bevölkerung her seit dem Mittelalter eng mit Schlesien und seinen komplizierten politischen Verwicklungen verknüpft.

Die Arbeit beschreibt, wie sich Schlesien und die Grafschaft Glatz sehr bald der Reformation geöffnet haben und fast ganz evangelisch geworden sind. Dabei werden auch die Auseinandersetzungen mit den Schwenckfeldern und den Calvinisten behandelt. Die Habsburger, denen diese Gebiete 1526 zufielen, haben zunächst sehr behutsam reagiert; so haben sie beim Papst für die Katholiken vorübergehend den Laienkelch erwirkt, um sie im Glauben zu halten. Erst nach der Schlacht am Weißen Berge 1620 wurde mit radikalen Maßnahmen der Gegenreformation begonnen; dabei bedienten sich die Habsburger vor allem des Jesuiten-Ordens und der Klöster. Beide verfügten zum Teil über großen Grundbesitz mit vielen Landsassen. Der Vf. schildert eindrucksvoll, wie besonders die "Kleinen Leute" versuchten, sich dagegen zu wehren; dabei taten sich vielfach die Frauen hervor. Man ging mit allen Mitteln und sozusagen harten Bandagen gegen die Evangelischen vor und scheute auch harte Drangsalierungen nicht, z. T. mit Hilfe des konvertierten grundbesitzenden Adels. Andererseits versuchten vor allem die Jesuiten, durch prächtig ausgestattete Barockkirchen Größe und Reichtum der katholischen Kirche zur Schau zu stellen und die Gläubigen zu gewinnen. So bildete sich in den von der Gegenreformation stark heimgesuchten Regionen ein Krypto-Protestantismus, dessen Probleme der Vf. ebenfalls anschaulich beschreibt. Der Druck auf die evangelische Bevölkerung endete erst mit der Eroberung Schlesiens und der Grafschaft Glatz durch Friedrich II. Doch ist die Grafschaft Glatz bis 1945 zu ca. 95 % katholisch geblieben. Ein besonderes Kapitel befasst sich mit der schwierigen Lage der Juden; das wörtlich abgedruckte Verhörprotokoll eines Betroffenen lässt das damalige Verfahren erkennen.

Die in Bezug auf die Maßnahmen der Gegenreformation paradigmatische Arbeit ist profan- und kirchenhistorisch wegen der darin fundiert beschriebenen Einzelbeispiele und Sozialstrukturen besonders aufschlussreich, wenngleich sie sich auf eine Region beschränkt, die heute vielen ferner gerückt oder gar unbekannt sein mag. Eine Karte von Schlesien nach dem 30-jährigen Krieg vermittelt zwar einen Überblick, man vermisst allerdings eine Detailkarte der Grafschaft Glatz schon deswegen, weil zahlreiche Orte erwähnt werden, die derzeit wegen der nunmehr geltenden polnischen Namen nur schwer aufzufinden sind. Doch nicht nur, wer sich mit historischen Problemen des ehemaligen Deutschen Ostens befasst, sollte auf die Lektüre zurückgreifen. Die Publikation hat nämlich zudem deswegen einen hohen Wert, weil ihr ein gründliches Literatur- und Quellenstudium zu Grunde liegt. Dafür hat der Vf. auch das polnische Staatsarchiv in Breslau genutzt, in dem die bereichsweise noch zahlreich vorhandenen deutschen Akten und Dokumente erschlossen aufbewahrt werden und allgemein zugänglich sind. So ist die Lektüre des Buches in vielfacher Hinsicht gewinnbringend.